Neue Erkenntnisse zur Entstehung der Parkinson-Erkrankung

In einer Studie, die im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) durchgeführt wurde, zeigen Wissenschaftler des Hertie-Instituts für klinische Hirnforschung (Universitätsklinikum Tübingen) erstmals, dass die beiden Parkinson-assoziierten Proteine PINK1 und Parkin gemeinsam die Entsorgung geschädigter Mitochondrien steuern und wie sie das tun. Die Vermutung der Tübinger Wissenschaftler: Eine Störung dieses
Entsorgungsmechanismus könnte entscheidend an der Entstehung der Parkinson-Erkrankung beteiligt sein.

Die gemeinsam gesteuerte Entsorgung geschädigter Mitochondrien  (Mitophagie)...
Die gemeinsam gesteuerte Entsorgung geschädigter Mitochondrien (Mitophagie) in einer Zelle durch die Proteine PINK1 und Parkin: (1) In einer gesunden Zellen gruppieren sich Mitochondrien fein vernetzt um einen Zellkern. (2) Fragmentierung der unter Laborbedingungen geschädigten Mitochondrien 15 Minuten nach Versuchsbeginn. (3) Weitere
Konzentrierung der geschädigten Mitochondrien nach zwei Stunden. (4) Nach 24 Stunden sind die geschädigten Mitochondrien komplett abgebaut. (© Hertie-Institut für klinische Hirnforschung)
Die gemeinsam gesteuerte Entsorgung geschädigter Mitochondrien  (Mitophagie)...
Die gemeinsam gesteuerte Entsorgung geschädigter Mitochondrien (Mitophagie) in einer Zelle durch die Proteine PINK1 und Parkin: (1) In einer gesunden Zellen gruppieren sich Mitochondrien fein vernetzt um einen Zellkern. (2) Fragmentierung der unter Laborbedingungen geschädigten Mitochondrien 15 Minuten nach Versuchsbeginn. (3) Weitere
Konzentrierung der geschädigten Mitochondrien nach zwei Stunden. (4) Nach 24 Stunden sind die geschädigten Mitochondrien komplett abgebaut. (© Hertie-Institut für klinische Hirnforschung)

Jede Zelle verfügt über viele Mitochondrien, Zellorganellen, welche die Zelle mit überlebenswichtigen, energiereichen Molekülen versorgen. Krankhafte, geschädigte Mitochondrien dagegen produzieren keine Energie
mehr. Sie führen zu einer verstärkten Schädigung der Zelle durch zunehmenden oxidativen Stress, der zum Zelltod führen kann.

Die Entsorgung fehlerhafter Mitochondrien (mitochondriale Autophagie oder Mitophagie) ermöglicht eine Säuberung der Zelle und schützt diese demnach vor geschädigten Mitochondrien und deren zerstörerischen Folgen. Die Tübinger Arbeitsgruppe um Dr. Wolfdieter Springer und Prof. Dr. Philipp Kahle belegen in der vorliegenden Studie erstmals, wie diese Entsorgung funktioniert: Die Proteine PINK1 und Parkin kennzeichnen gemeinsam die geschädigten Mitochondrien für den Abbau, indem sie einen an der Oberfläche der Mitochondrien befindlichen Kanal mit dem kleinen Protein Ubiquitin markieren.

Diese Markierung dient der Zelle als Signal zum Abbau geschädigter Mitochondrien. Fehlen die Proteine PINK1 oder Parkin durch eine Mutation, ist dieser Entsorgungsmechanismus gestört. Eine solche Störung könnte entscheidend an der Entstehung von Parkinson beteiligt sein, so die Vermutung der Tübinger Wissenschaftler. „Die Erkenntnisse dieser Studie könnten nun die Entwicklung von spezifischen Wirkstoffen ermöglichen, die ein Fehlen von PINK1 und Parkin kompensieren und den Entsorgungsmechanismus so steuern, dass nur
geschädigte Mitochondrien abgebaut werden. Das wäre eine Perspektive, neurodegenerativen Krankheiten vorzubeugen“, so der Leiter der Studie, Dr. Wolfdieter Springer.

Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass Parkinson-assoziierte Mutationen den sequentiellen Prozess der Entsorgung an bestimmten Schritten verhindern. Die enzymatische Funktion der mitochondrialen Kinase PINK1 ist dabei essentiell und sorgt für eine prompte Rekrutierung und Anhaftung des ansonsten gleichmäßig in der Zellflüssigkeit verteilten Proteins Parkin an die geschädigten Mitochondrien. Die enzymatische Aktivität der
Ubiquitin-Ligase Parkin wiederum ermöglicht nun die Markierung von VDAC1 mit dem kleinen Protein Ubiquitin, welches unter anderem als Signalmolekül für den Abbau derartig modifizierter Proteine dient. Interessanterweise bildet VDAC1 einen Kanal durch die äußere Membran der Mitochondrien und steht bereits unter Verdacht bei Schädigung der Mitochondrien entscheidend zum Zelltod beizutragen. Die identifizierte Ubiquitin-Markierung des
VDAC1-Proteins wird anschließend von dem Adapter-Protein p62/SQSTM1 erkannt, welches somit das geschädigte Zellorganell als Ganzes zur Entsorgung der Autophagie-Maschinerie zuführt.

Bisher war bekannt, dass bei der Entstehung und im Verlauf der Parkinson-Erkrankung zum einen Störungen der zellulären Proteinabbauwege und zum anderen Fehlfunktionen in den Mitochondrien eine Rolle spielen und dass
die krankheitsassoziierten Proteine PINK1 und Parkin dabei von entscheidender Bedeutung sind. Mit ihrer Entdeckung, dass PINK1 und Parkin die Entsorgung geschädigter Mitochondrien gemeinsam steuern, belegen die Forscher einen funktionellen Zusammenhang zwischen diesen beiden vermeintlichen Hauptursachen der Parkinson-Erkrankung.

Originaltitel der Publikation:  PINK1/Parkin-mediated mitophagy is dependent on VDAC1 and p62/SQSTM1
Autoren: Sven Geisler, Kira M. Holmström, Diana Skujat, Fabienne C. Fiesel, Oliver C. Rothfuss, Philipp J. Kahle und Wolfdieter Springer Nature Cell Biology advance online publication 24.01.2010: dx.doi.org/10.1038/ncb2012

08.02.2010

Verwandte Artikel

Photo

News • Nobelpreis für MicroRNAs

Nobelpreis für microRNA-Forschung: Neue Chancen für die Medikamentenentwicklung

Seit einigen Jahren arbeiten Forschungsinstitute und Pharmaunternehmen an Medikamenten, die als problematisch erkannte MicroRNAs gezielt inaktivieren können. Forscher erhalten nun den…

Photo

News • Grippeviren und Vogelgrippe-Virus H2N2

Infektion auf zwei Wegen: Neue Erkenntnisse zu Influenzaviren

Menschliche Grippeviren und das verwandte Vogelgrippevirus H2N2 können Zellen auf mehr als nur einem Weg infizieren, wie neue Forschung zeigt. Das hilft den Viren, zwischen Wirten zu wechseln.

Photo

News • Elektrochemische Impedanzspektroskopie

Strom statt Inkubation: Schnellere Bestimmung von Antibiotika-Resistenzen

Antibiotikaresistente Erreger sind ein zunehmendes Problem für Gesundheitseinrichtungen. Forscher haben jetzt ein Verfahren entwickelt, dass eine schnellere Überprüfung auf Resistenzen ermöglicht.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren