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News • Alternative zu Antibiotika
„Lebendes Biotherapeutikum“ verhindert schwere Infektionen
Ein ausgeglichenes Darmmikrobiom trägt nicht nur zur Verdauung bei, sondern ist auch ein wichtiger Schutzfaktor gegen Infektionen. Forscher am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) unter der Leitung von Prof. Till Strowig, Wissenschaftler im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), wollen die Kraft des Mikrobioms zur Prävention schwerer Infektionen nutzen.
Sie haben entdeckt, dass Bakterien der Art Klebsiella oxytoca krankmachende Bakterien aus dem Darm verdrängen können und wollen daraus ein lebendes Biotherapeutikum entwickeln. Das DZIF fördert die Produktentwicklung bis zur ersten Testung am Menschen nun mit 2,2 Millionen Euro.
Das Gleichgewicht der hunderten verschiedenen Bakterienarten im Darm kann durch Breitbandantibiotika gestört werden. Aus dem schützenden Mikrobiom kann dann eine Quelle für Infektionen werden, wenn sich krankmachende Bakterien in frei gewordenen Nischen ansiedeln.
Anstatt neue antimikrobielle Substanzen zu entwickeln – die zwar ebenfalls unverzichtbar sind, aber immer auch Teile des Mikrobioms mitschädigen – verfolgen wir einen mikrobiombasierten Ansatz
Lisa Osbelt-Block
„Viele Infektionen im ganzen Körper nehmen ihren Anfang im Darm. Krankmachende Bakterien können dort ein Reservoir bilden und sich von dort auf andere Organe ausbreiten. Wir wollen erstmals eine Möglichkeit schaffen, dieses Reservoir zu beseitigen, bevor eine Infektion entsteht, indem wir den Darm von schädlichen Bakterien befreien“, sagt Dr. Lisa Osbelt-Block, Projektleiterin und DZIF-Wissenschaftlerin, die als Postdoc in der Abteilung von Till Strowig arbeitet. „Anstatt neue antimikrobielle Substanzen zu entwickeln – die zwar ebenfalls unverzichtbar sind, aber immer auch Teile des Mikrobioms mitschädigen – verfolgen wir einen mikrobiombasierten Ansatz.“
In Laborversuchen und Mausmodellen konnten die Forscher zeigen, dass Klebsiella oxytoca verschiedene Pathogene wie Salmonellen und Klebsiella pneumoniae aus dem Darm verdrängen kann. Allein K. pneumoniae verursacht jährlich etwa 800.000 Todesfälle und der Erreger ist zunehmend resistent gegen gängige Antibiotika. Einerseits hat es K. oxytoca auf die gleichen Nährstoffe abgesehen wie die krankmachenden Bakterien. Andererseits kann K. oxytoca auch die Bedingungen im Darm so verändern, dass sich die Gemeinschaft nützlicher Bakterien erholen kann. So wird das Gleichgewicht im Mikrobiom wiederhergestellt.
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„Eine große Herausforderung ist, dass wir ein lebendes Biotherapeutikum (LBP) entwickeln“, sagt Prof. Till Strowig, Leiter der HZI-Abteilung „Mikrobielle Immunregulation“, in der das Projekt unter dem Namen DeKox entstanden ist. „Anders als Probiotika, die frei verkäuflich sind, ist ein LBP ein Arzneimittel und muss als solches klinisch geprüft und zugelassen werden“, ergänzt Strowig, der auch Studienleiter in den DZIF-Forschungsbereichen „Gesundheitssystem-assoziierte Infektionen“ und „Ambulant erworbene Infektionen an mukosalen Grenzflächen“ sowie Koordinator des DZIF-Brückenthemas „Mikrobiom“ ist. Mithilfe der Förderung aus dem DZIF FlexFund wollen die Wissenschaftler zunächst aus verschiedenen Produktkandidaten den besten für die weitere Entwicklung identifizieren. Zudem entwickeln sie Prozesse für die Produktion und Qualitätskontrolle ihres Produkts. „Unser Ziel ist es, am Ende eine Kapsel in den Händen zu halten, in der statt eines antibiotischen Wirkstoffs das gefriergetrocknete Bakterium enthalten ist. Damit würden wir dann in die erste Phase einer klinischen Studie gehen“, erklärt Osbelt-Block das Projektziel. Insbesondere Patienten mit hartnäckiger K. pneumoniae-Besiedlung durch eine Immunschwäche könnten später mit dem LBP behandelt werden.

© HZI/Janne Reinking
Auf klinischer Seite arbeitet das HZI-Team eng mit der Arbeitsgruppe „Klinische Mikrobiomforschung“ unter der Leitung von Prof. Maria Vehreschild an der Uniklinik Köln zusammen. Die DZIF-Wissenschaftlerin und Infektiologin Vehreschild ist auf die Erforschung und Entwicklung mikrobiombasierter Therapien spezialisiert. Weiterhin ist Prof. Katharina Schaufler, Leiterin der Abteilung „Epidemiologie und Ökologie antimikrobieller Resistenz“ am HZI-Standort Helmholtz-Institut für One Health (HIOH), am Projekt beteiligt und wird Virulenztestungen der Produktkandidaten durchführen, um deren Unbedenklichkeit nachzuweisen.
Josef Penninger, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des HZI, zeigt sich beeindruckt von der Entwicklung des Projekts: „DeKox steht sinnbildlich für den translationalen Ansatz, den wir am HZI verfolgen möchten. Innerhalb kürzester Zeit hat sich das Projekt von einer Fragestellung der Grundlagenforschung zur Vorbereitung einer klinischen Studie entwickelt! Ich gratuliere allen beteiligten Kollegen zur DZIF-Förderung und wünsche ihnen weiterhin viel Erfolg.“
Die bisherige Entwicklung von DeKox wurde unter anderem von der Initiative GO-Bio initial des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR), durch den Translationsfond des HZI und durch Helmholtz-Innovationsprogramme unterstützt. Im Rahmen des Ausgründungsprogramms Helmholtz Enterprise strebt das Team die Ausgründung seines Projekts unter dem Namen „Arvalus Therapeutics“ an. Die finanzielle Förderung durch das DZIF startete am 1. August 2025 und hat eine Laufzeit von 40 Monaten.
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
08.08.2025