„Nebenbefund ‚Lungenfibrose‘ reicht nicht!“

Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD), speziell die Lungenfibrose, sind ein häufig seltenes Phänomen. Dieser Widerspruch deutet an, dass jedes einzelne Krankheitsbild für sich zwar selten ist, aber in der Vielzahl führen sie doch zu einem relativ großen Patientenkollektiv.

Prof. Dr. Claus Peter Heußel
Prof. Dr. Claus Peter Heußel

Allerdings nur beim Pneumologen, weniger beim Radiologen, der zumindest in Deutschland keine Facharztausbildung zum Thoraxspezialisten machen kann und solche Lungenerkrankungen nicht jeden Tag zu Gesicht bekommt. Es sei denn, man leitet wie Prof. Dr. Claus Peter Heußel die Diagnostische und Interventionelle Radiologie an der Thoraxklinik Heidelberg, eine der größten Lungenfachkliniken in Europa.

Dienstag, 15:30 Uhr: Prof. Heußel sitzt wie jede Woche mit neun anderen Fachärzten aus der Pneumologie um Prof. Felix Herth und der Pathologie im ILD-Board seiner Klinik und diskutiert aktuelle Fälle aus dem eigenen Haus sowie dem umliegenden Rhein-Neckar-Kreis. Bei einem Patienten sind mehrere Rundherde gefunden worden, Verdacht auf Krebs. Ein niederschmetterndes Urteil. Die transbronchiale Biopsie konnte zunächst keine eindeutigen Ergebnisse bringen. Prof. Heußel versucht es mit einer CT-gesteuerten Gewebeentnahme – und siehe da: Es sind doch keine Lungenmetastasen, sondern es handelt sich um eine Amyloidose. „Die Amyloidose ist eine Systemerkrankung, die viele Organe befallen kann, sich jedoch nur selten in der Lunge manifestiert. Deshalb kann sie sehr untypisch aussehen, streifig oder als Wandverdickung im Tracheobronchialbaum – hier waren es eben multiple rundliche Herde“, erläutert der Radiologe.

Ein anderer Patientenfall mit schwerer diffuser Lungenerkrankung kommt an die Reihe. Im Thorax-CT sieht das Gewebe infiltriert und fibrosiert aus, wie zum Beispiel bei einer Lungenmanifestation im Rahmen einer rheumatischen Erkrankung. Heußel wird stutzig und wendet sich an den betreuenden Arzt: „Sag mal, nimmt der Patient irgendwelche Medikamente? Wenn ja, schau doch mal auf www.pneumotox.com nach. Dort sind alle Medikamente gelistet, die eine Lungentoxizität hervorrufen, und werden auch gleich in ihrer Symptomatik beschrieben.“ Und tatsächlich stellt sich heraus, dass der Patient wegen einer rheumatoiden Arthritis Methotrexat einnimmt. Nach Absetzen des Medikaments ist die schwere Ausprägung nahezu komplett reversibel. Solche lungentoxischen Veränderungen sieht der Professor häufig – manchmal auch bei als harmlos eingeschätzten Statinen, die häufig prophylaktisch gegeben werden.

Zurück in der Routine erhält der Chefarzt einen Anruf aus der ILD-Ambulanz. Ein Pneumologe ist am Apparat, der vor Jahren einen Kongressvortrag des Heidelberger Kollegen gehört hat: „Ihr habt doch damals einen Fall von einerjungen Patientin vorgestellt, die pustulöse Hautveränderungen und gleichzeitig Lungenzysten hatte. Was war das nochmal?“ Heußel überlegt: „Ah ja, richtig! Die Dame hatte einen seltenen genetischen Defekt, das Birt-Hogg-Dubé-Syndrom. Wir haben sie in ein Überwachungsprogramm aufgenommen, weil die Betroffenen ein erhöhtes Risiko für das Nierenzellkarzinom haben.“

Systemerkrankungen mit Lungenmanifestation, Rauchen, berufsbedingte Belastungen, Umwelteinflüsse, Medikamentenexpositionen oder familiäre Prädisposition zählen zu den häufigsten Ursachen, die zu einer diffusen parenchymatösen Lungenerkrankung führen. Um diese näher zu klassifizieren und dadurch die Weichen für die richtige Therapie zu stellen, bedarf es einer differenzierten bildgebenden Diagnostik. Der unbehandelte Verlauf ist teilweise sehr ungünstig, die Therapien der einzelnen Erkrankungen sehr unterschiedlich. Eine Beurteilung im Stil von „Nebenbefund ‚Lungenfibrose‘“ lässt Prof. Heußel deshalb nicht gelten: „Es gibt mehr als 100 verschiedene Formen einer Lungenfibrose. Viele dieser Entzündungsreaktionen zeigen charakteristische Muster in der Thorax-CT, die Hinweise auf bestimmte Krankheitsbilder und -auslöser geben.“ Die meisten davon sind im Einzelnen selten, aber zumindest die fünf wichtigsten und häufigsten Muster sollte jeder Radiologe kennen. Auf dem Röntgenkongress wird dazu jedes Jahr ein ganzer Fortbildungskurs angeboten.

Veranstaltung
Saal Wachsmann
Fr., 30.05. 2014,
08:00 - 09:30 Uhr
Radiologie
Heußel, C. P. / Heidelberg
Session:
Refresherkurs: Radiologie trifft Thoraxchirurgie und Pneumologie I – Lungenfibrose

30.05.2014

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