News • Muskelerkrankungen besser verstehen
Muskeln aus dem Labor helfen bei DMD-Forschung
Göttinger Forschenden ist es gelungen, Skelettmuskeln im Labor herzustellen, mit denen sich die normale menschliche Muskelentwicklung, natürliche Vorgänge zur Erholung des Muskels (Muskelregeneration) sowie Krankheitsprozesse bei der Muskelerkrankung „Duchenne Muskeldystrophie“ (DMD) simulieren lassen.
Die neuartigen Sklettmuskeln wurden im Rahmen der Doktorarbeit von Dr. Mina Shahriyari im Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) in Zusammenarbeit mit der Klinik für Neurologie der UMG sowie dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen entwickelt. „Die im Labor erzeugten Skelettmuskeln sind die Grundlage dafür, um Muskelkrankheiten zu modellieren, also so gut nachzubilden, dass sie zur Prüfung von Medikamenten und ihrer Wirksamkeit geeignet sind. Die Schwerpunkte unserer Arbeit liegen dabei auf der Entwicklung von Skelettmuskeln zur Simulation von Erkrankungen für die es bisher keine, oder nur unzureichende Behandlungsmöglichkeiten gibt“, sagt Dr. Mina Shahriyari. Die Forschungsergebnisse sind veröffentlicht in der medizinischen Fachzeitschrift „Journal of Cachexia, Sarcopenia and Muscle“.
Grundlage der Technologie, die die Göttinger Forschenden anwenden, sind induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen), die aus Stammzellen von Patienten mit Muskelerkrankungen im Labor künstlich erzeugt werden. Dafür ist nur eine Blutentnahme oder Hautbiopsie nötig. Die aus diesen Stammzellen hergestellten Muskeln bilden dann auch in der Kulturschale eine Muskelerkrankung aus. Dies konnten die Forschenden beispielhaft für die Duchenne Muskeldystrophie nachweisen. Außerdem konnten sie zeigen, dass eine experimentelle Therapie durch die Genschere CRISPR die Muskelschwäche verringern kann. „Über die Simulation von Patienten-spezifischen Muskelerkrankungen hinaus erlaubt uns die Technologie erstmalig auch die Erforschung von Skeletmuskelregeneration in der Laborschale. Wir haben damit die Grundlage, um die Muskelheilung nach großen Verletzungen, wie z.B. nach Unfällen, gezielt zu fördern“, sagt Dr. Malte Tiburcy, Leiter der Arbeitsgruppe „Modellierung von Muskelerkrankungen““ im Institut für Pharmakologie und Toxikologie der UMG und Letztautor der Publikation. Dafür sorgen Muskelstammzellen in den hergestellten Muskeln, die nach Zerstörung der Muskulatur den Muskel vergleichbar wie im Menschen neu aufbauen können.
Die Möglichkeit, Medikamente direkt an menschlicher Muskulatur zu testen, kann nicht nur die Entwicklung neuer Therapien beschleunigen, sondern wird auch die Notwendigkeit für Tierversuche in Zukunft weiter reduzieren
Wolfram Hubertus Zimmermann
Muskelstammzellen konnten bislang lediglich aus Muskelbiopsien, also von direkt aus dem Muskelgewebe entnommenen Proben, isoliert werden. Solche Muskelstammzellen verlieren jedoch schnell ihre Stammzelleigenschaften in der Laborschale. Daher können diese Zellen nur sehr eingeschränkt für die Muskelherstellung und Medikamententests genutzt werden Über die Ableitung von Skelettmuskelzellen aus menschlichen induzierten pluripotenten Stammzellen kann diese Einschränkung überwunden werden. In Kombination mit Methoden des Tissue Engineering (Gewebezüchtung) lässt sich die embryonale Muskelentwicklung von der Zelle bis zum Gewebe nachahmen. „Die Möglichkeit, Medikamente direkt an menschlicher Muskulatur zu testen, kann nicht nur die Entwicklung neuer Therapien beschleunigen, sondern wird auch die Notwendigkeit für Tierversuche in Zukunft weiter reduzieren“, sagt Prof. Dr. Wolfram Hubertus Zimmermann, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der UMG.
Quelle: Universitätsmedizin Göttingen
19.12.2022