Molekulare Bildgebung in Jena

Die Forschungsprojekte der interdisziplinären Arbeitsgruppe (AG) Experimentelle Radiologie an der Universitätsklinik Jena sind vielfältig. Anwendungsorientierte Fragestellungen auf dem Gebiet der diagnostischen und interventionellen Radiologie stehen im Vordergrund.

Prof. Dr. Ingrid Hilger
Prof. Dr. Ingrid Hilger

Prof. Dr. Ingrid Hilger ist Leiterin der AG am Zentrum für Radiologie und gibt einen Überblick über den aktuellen Stand dieser Disziplin und ihre wissenschaftlichen Aktivitäten vor Ort.

Breites Spektrum
Die molekulare Bildgebung ist ein zukunftsweisendes Fachgebiet, dessen Anwendungsmöglichkeiten für Diagnostik und Therapie stetig zunehmen. Sie arbeitet mit Partikelsystemen, oft aus Metallen, Polymeren und Fetten, die mit verschiedenen Liganden funktionalisiert sind und als Kontrastmittel fungieren. Neben der Onkologie kommt die molekulare Bildgebung bei akuten und chronischen Entzündungen ebenso zum Einsatz wie bei atherosklerotischen Plaques und anderen pathologischen Veränderungen im Körper. Vielversprechend, nicht zuletzt auch im Zuge der Hybridbildgebung, ist der kombinierte bildgebende Nachweis von physiologischen mit molekularen Markern, da die diagnostische Aussagekraft so noch verstärkt werden kann. Hilger: „Radiologen und Nuklearmediziner rücken hier thematisch enger zusammen.“ Stichwort „Rheuma“: Die bildgebende Darstellung ist zumindest in frühen Stadien besser als das Röntgen. Die Entzündungsmuster in den Gelenken lassen sich gut darstellen – und das ohne ionisierende Strahlung. Für den Nachweis von Knochenerosionen in fortgeschrittenem Erkrankungsverlauf ist das Verfahren allerdings nicht geeignet.

Tumorreduktion im Tierversuch
„Ganz aktuell arbeiten wir zusammen mit 18 weiteren Ländern an einem großen europaweiten Forschungsprojekt“, erläutert Hilger. Es geht dabei um das Verfahren der Therapie von Tumoren mithilfe der magnetischen Hyperthermie unter Verwendung von Eisenoxidnanopartikeln. Der Fokus der deutschen Arbeitsgruppe um Hilger liegt dabei auf der Untersuchung der therapeutischen Effekte auf Tumoren. Nanopartikel werden mit verschiedenen Chemotherapeutika funktionalisiert und in tumortragende Tiere injiziert, um auf diese Weise eine verbesserte Tumorbehandlung zu erzielen. Die Daten hierzu werden gerade zur Veröffentlichung zusammengestellt und es lassen sich interessante Effekte detektieren. „Es konnte gezeigt werden, dass das Volumen der Tumoren mit dem Verfahren innerhalb von wenigen Wochen reduziert werden kann. Noch befindet sich das Verfahren in der Präklinik und der klinische Einsatz wird noch dauern. Als innovative Ergänzung zu den bisherigen operativen und onkologischen Methoden ist das Verfahren aber bereits jetzt vielversprechend“, folgert die Professorin.

Modell zum bildgebenden Nachweis von Protein-Protein-Interaktionen bestätigt
Grundlagenforschung wird auch auf dem Gebiet des strahlungsfreien Energieaustausches betrieben. Erstmals konnten die Forscher um Prof. Hilger den Nachweis von Protein-Protein- Interaktionen erbringen: „Wir haben ein Modellsystem aufgestellt und in vitro und in vivo auf der Grundlage des Förster Resonance Energy Transfers (FRET) die räumliche Nähe von Molekülen untereinander nachgewiesen – nicht nur eines einzelnen Proteins wie bisher vorgeschlagen. Dabei kann man über einen dezidierten Energieaustauch zwischen zwei fluoreszierenden Farbstoffen (jedes auf einem der beiden Proteine) Veränderungen in den Fluoreszenzeigenschaften derselben feststellen, wenn diese sich in räumlicher Nähe zueinander befinden“, erklärt Prof. Hilger.

Plaques im Auge
Auch auf dem Gebiet der degenerativen Hirnerkrankungen ist man in Jena aktiv. Dabei geht es nicht um die Darstellung von Plaques im Gehirn, sondern im Auge. Mithilfe bestimmter fluoreszierender Farbstoffe werden diese in der Netzhaut identifiziert.
Allerdings ist die Plaque-Expression im Auge relativ niedrig. Noch ausstehend ist der Nachweis, dass die Expression der Plaques im Auge mit der im Gehirn zusammenhängt beziehungsweise korreliert. Aus ethischen Gründen ist das schwierig, da selbstverständlich keine Gewebeproben am lebenden Menschen genommen werden können. „Um das Problem der Blut-Hirn-Schranke zu umgehen, wäre die Möglichkeit einer bildlichen Darstellung der Plaques im Auge aber grundsätzlich von großem Vorteil“, schließt Hilger.

Im Profil:
Die Biologin Prof. Dr. Ingrid Hilger hat sich zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere zunächst mit der Pathologie von noch unbekannten Erkrankungen in Fischen beschäftigt. An der Medizinischen Hochschule Hannover hat sie sich dann der experimentellen Pathologie in der Medizin zugewendet, in der sie ein breiteres Forschungsfeld sieht als in der Meeresbiologie. Von der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena erhielt sie die Venia Legendi für das Lehrgebiet „Experimentelle Radiologie“. Hilger wurde 2003 mit dem Walter-Friedrich-Preis der DRG ausgezeichnet.
 

30.05.2014

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