Artikel • Koronare Herzkrankheit

Modernes Management der KHK mit der Myokardszintigraphie

Die kardiovaskulären Erkrankungen sind die häufigste Todesursachen in den westlichen Industrieländern, berichtet Prof. Dr. Wolfgang Burchert vom Institut für Radiologie, Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung, Herz- und Diabeteszentrum NRW, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum.

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Prof. Dr. Wolfgang Burchert
Quelle: RUB

Die rechtzeitige Erkennung der Erkrankung und die Bestimmung des Ausdehnungsgrades und der Schwere der Erkrankung sind zentrale Faktoren zur individualisierten Risikostratifizierung und Therapieplanung. Outcome-basierte Untersuchungen haben in jüngster Zeit gezeigt, dass im Allgemeinen ein Trend bei bekannter KHK zur Übertherapie besteht. Aus diesem Grund wurde in vielen Leitlinien die Indikation zur Revaskularisation stärker von Indikatoren der Ischämie als vom morphologischen Status der Koronargefäße abhängig gemacht.

In diesem Kontext stellt die Myokardszintigraphie für die breite klinische Anwendung ein  standardisiertes und profund validiertes kosteneffizientes Verfahren dar. Eine breite Palette verfügbarer ergometrischer und pharmakologischer (Adenosin, Dobutamin) Belastungsverfahren und die Trennung von Belastung und Bildgebung erlaubt die Untersuchung nahezu aller Patienten in allen klinischen Situationen. Die gated SPECT, die nach einer aktuellen Befragung in Deutschland jetzt auch zunehmend in der klinischen Routine angewandt wird (Lindner O; Nuklearmedizin 2008; 47:139), liefert in Kombination mit gut standardisierten Softwarepaketen schnell valide Perfusionanalysen und verlässliche funktionelle Parameter.

In jüngster Zeit gibt es in der Myokardszintigraphie – ähnlich wie in der Ultraschalldiagnostik, dem CT und der MRT – enorme Fortschritte. Exemplarisch sei hier die Entwicklung der SPECT/CT genannt, die es neben der schnellen Erstellung von Attenuation Maps zur Schwächungskorrektur erlaubt, in einem Untersuchungsgang auch den koronaren Kalkscore und bei einigen Geräten auch die Darstellung der Koronargefäße mit einzubeziehen. Im Fusions-Display ist eine exakte Zuordnung von Koronarstenose und Ischämieareal sowie -ausprägung möglich. Die ersten Studien weisen auf einen bedeutenden diagnostischen Gewinn gemessen an dem bisherigen Vorgehen hin; größere klinische Studien fehlen allerdings bisher noch. Ob hierfür die Untersuchungen in einem Hybridgerät erfolgen, oder besserer zwei separate Studien mit geeigneten Softwarewerkzeugen verbunden werden, ist noch Gegenstand der Forschung.

Aktuell haben die drei größten Medizingerätehersteller (Philips, Siemens, GE) jeweils dedizierte technische Lösungen für die Myokardszintigraphie mit unterschiedlichen Schwerpunkten vorgestellt (SNM Meeting 2008, New Orleans, USA). Allen gemeinsam ist die Möglichkeit zur schnellen Schwächungskorrektur durch ein CT sowie die Möglichkeit gated-SPECT Aufnahmen in sehr guter Qualität in etwa 4 Minuten Dauer zu akquirieren oder alternativ geringere Radiopharmaka-Dosen einzusetzen, um damit die Strahlenexposition entsprechend zu vermindern (Gewinn Faktor 2-5!).

Das PET/CT erfährt in Europa derzeit ein rasantes Wachstum vorwiegend in den onkologischen Indikationsbereichen

Wolfgang Burchert

Ein weiteres neues technisches Konzept  wird derzeit  klinisch evaluiert und zeigte vielversprechende Ergebnisse. Es handelt sich um eine Kamera (D-SPECT; Spectrum Dynamics, Israel) bestehend aus 9 rotierenden Halbleiterdetektoren (Cadmium-Zink-Tellurid) mit Schlitzkollimatoren. Die hohe Empfindlichkeit und die hervorragende Energieauflösung erlaubt Akquisitionszeiten für ein gated-SPECT von 2 bis 3 Minuten. Auf dem Kongress der ASNC 2008 im September in Boston wurde von der Arbeitsgruppe um Berman (Cedars Sinai, Los Angeles) ein Untersuchungsprotokoll mit dieser Kamera vorgestellt. welches eine komplette Ruhe- und Belastungsuntersuchung in weniger als 25 min ermöglicht.

Ein weiterer Bereich des Fortschritts in der Anwendung der Myokardszintigraphie für Patientenkomfort und Sicherheit ist die Einführung von selektiven A2-Rezeptorantagonisten zur Durchführung der phamakologischen Belastung. Hierbei wird nach einer einmaligen intravenösen Bolusgabe eine ausreichend lange Hyperämie des Herzens erzielt. Neben den logistischen Vorteilen verspricht insbesondere das verminderte Auftreten von AV-Blockierungen aufgrund des geringeren negativ dromotropen Effektes eine sicherere Handhabung besonders in der klinischen Routinediagnostik. Als erster Vertreter dieser Substanzklasse wurde Regadenoson (Lexiscan; Astellas Pharma, USA) von der FDA in den USA im April 2008 zugelassen.

Das PET/CT erfährt in Europa derzeit ein rasantes Wachstum vorwiegend in den onkologischen Indikationsbereichen. In den USA ist unter anderem durch die Verfügbarkeit von Rb-82-Generatoren (CardioGen-82; Bracco, USA) und aufgrund der guten klinischen Ergebnisse die Zahl der kardialen PET/CT-Untersuchungen deutlich angestiegen. Die hervorragende Sensitivität und Spezifität der myokardialen Perfusionsbildgebung sowie des myokardialen Vitalitätsnachweises besonders bei sonst schwierig zu untersuchenden Patienten und/oder Patienten mit einer eingeschränkten Herzfunktion zeigt eine Überlegenheit gegenüber der gated-SPECT, die sich in einigen ersten Studien trotz des vermehrten Aufwandes auch als kosteneffektiv erwiesen hat. Mit der Verfügbarkeit eines Rubidium-82 Generators in Deutschland ist im Verlaufe diesen Jahres/am Anfang 2009 zu rechnen.

Die Kombination von Bildern physiologischer und molekularer Prozesse (2-4 mm Auflösung) mit denen der nichtinvasiven Darstellung der Plaque- und Koronarmorphologie eröffnet völlig neue Felder für die Charakterisierung des erkrankten Koronargefäßes und die individuelle Therapiesteuerung. Exemplarisch sei die Möglichkeit einer komplett nichtinvasive integrierte Darstellung eines inflammatorischen (FDG-PET) weichen Plaques der Koronararterie (CT-Koronarngiographie) genannt (ASNC 2008; Cedars-Sinai-Hospital, Los Angeles).

In der Zulassung befindet sich ausserdem ein F-18-markierter akkumulierender Perfusionsmarker (Lantheus, USA) mit hervorragenden pharmakokinetischen Eigenschaften, der Einrichtungen ohne ein eigenes Zyklotron die Möglichkeit einer qualitativ hochwertigen Perfusionsbildgebung bietet. Ein weiterer Vorteil durch die Akkumulation des Tracers sowie dessen gute Retention ist die Möglichkeit – ähnlich wie bei der SPECT – die Belastung vom Vorgang der eigentlichen Bildgebung zu trennen.

Zusammenfassend lässt die rasante Fortentwicklung aller Teilaspekte der Myokardszintigraphie eine deutliche Erweiterung und Zunahme der Anwendungen erwarten. Die größten qualitative Effekte sind beim schnellen  Imaging und der Hybridbildgebung (SPECT/CT und PET/CT) zu verzeichnen.

23.10.2008

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