Mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl

Die MRT-Untersuchung in der pädiatrischen Neuroradiologie

Eine Kernspintomographie ist sowohl für kleine Patienten als auch für Radiologen eine echte Herausforderung. Denn ein Kind dafür zu gewinnen, zwischen 20 und 45 Minuten still in einer Röhre zu liegen, scheint auf den ersten Blick ein Ding der Unmöglichkeit zu sein – oft gelingt mit kleinen Tricks und etwas Überzeugungsarbeit aber auch das scheinbar Unmögliche.

PD Dr. Birgit Ertl-Wagner
PD Dr. Birgit Ertl-Wagner

„Man sollte vor allem viel Zeit, Flexibilität und Geduld mit in den Untersuchungsraum bringen“, berichtet PD Dr. Birgit Ertl-Wagner, Oberärztin am Institut für Klinische Radiologie, Klinikum der Universität München-Großhadern. „In jedem Fall ist die neuropädiatrische Bildgebung ein komplexes Betätigungsfeld, das besondere Expertise und Erfahrung benötigt – sowohl in der Diagnostik als auch im Umgang mit den Patienten.“
Kinder werden aus verschiedensten Gründen im MRT untersucht. Das Indikationsspektrum reicht von Entwicklungsstörungen bis zu akuten Notfällen. Manche der Patienten von Dr. Ertl-Wagner sind noch nicht einmal auf der Welt. „Nicht selten kommt es vor, dass wir zur genaueren Differenzierung eines auffälligen Vorsorgeultraschalls in der Schwangerschaft hinzugezogen werden, um eine fetale MRT durchzuführen. Dabei sieht man bisweilen, dass das Gehirn nicht ganz richtig angelegt ist – zum Beispiel, dass der Balken, der die beiden Hirnhälften verbindet, nicht vorhanden ist.“

Weitere Anlagestörungen im Gehirn, z.B. in der Architektur der Hirnrinde, können sich allerdings auch erst im späteren Kindesalter zeigen. Einer von vielen Gründen, warum Kinder dann im MRT untersucht werden, sind Entwicklungsrückstände, z.B. beim Laufen oder Sprechen, die abgeklärt werden müssen. Weitere Anlässe für einen Besuch im MRT können Epilepsie oder Kopfschmerzen sein. Bei kleinen Kopfschmerz-Patienten geht es vor allem darum, Tumoren auszuschließen, die nicht selten schon bei den Kleinsten auftreten.

Neuro-Infektionen bilden einen Fokus

Eine große klinische Gruppe bilden die Infektionen des zentralen Nervensystems. Hier muss zwischen verschiedenen Infektionsarten und -wegen unterschieden werden, erklärt Ertl-Wagner: „Der Infektionszeitpunkt spielt eine entscheidende Rolle, denn das Gehirn reagiert je nach Alter des Kindes ganz unterschiedlich auf eine Infektion. So gibt es Infektionen im Mutterleib, die stark mit der Hirnentwicklung interferieren. Dazu zählt beispielsweise eine Gyrierungsstörung bei einer konnatalen CMV-Infektion, die bei einem ausgereiften Gehirn so nicht mehr auftreten würde. Darüber hinaus gibt es perinatale Infektionen, aber auch Infektionen, die denen im Erwachsenenalter sehr ähnlich sind, wie etwa virale Meningitiden.“

Infektionen sind außerdem besonders zeitkritisch. Oft ist eine schnelle Diagnostik gefragt, um bleibende Schäden zu verhindern. Das betrifft z.B. die Encephalitiden im Rahmen einer Sepsis. Während eine virale Meningitis oft eher komplikationslos verläuft, gilt es bei der Hirnhautentzündung bakterieller Natur herauszufinden, ob die Infektion von den Hirnhäuten auf das Gehirn übergeht und dort möglicherweise eine Encephalitis verursacht oder zu einem Hydrocephalus führt.

Es gibt aber auch Encephalitiden, die das Gehirn direkt betreffen, so Dr. Ertl-Wagner: „Hierzu zählt die Herpes-Simplex-Virus-Encephalitis, die sehr schnell voranschreiten kann. Man kann sie behandeln, aber man muss schnell sein. Denn bleibt eine rasche medikamentöse Behandlung aus, werden Areale des Gehirns unwiderruflich geschädigt.“

Allgemeinanästhesie nicht immer ein Muss

Ob man bei einer pädiatrischen MRT-Untersuchung ohne jegliche Sedierung auskommt, ist vor allem vom Alter des Kindes abhängig. Besonders bei den Allerkleinsten, den Säuglingen, kann man häufiger auf den Spontanschlaf hoffen. Dann sollte der Untersuchungstermin an die Still- und Schlafphasen angepasst werden. Nach dem Säuglingsalter wird es schwieriger mit dem „Schlaf auf Knopfdruck“. Kleinkinder, aber auch entwicklungsverzögerte oder geistig behinderte Kinder verstehen nicht, warum sie sich im Kernspin nicht bewegen sollen. Die Gabe eines Schlafmittels wie Chloralhydrat kann hier sinnvoll sein, aber auch eine Intubationsnarkose kann notwendig sein. Der Umgang mit Sedierungsmitteln und Intubationsnarkosen wird an den einzelnen Zentren sehr unterschiedlich gehandhabt, weiß Dr. Ertl-Wagner. Wichtig ist in jedem Fall eine gute Zusammenarbeit mit der Anästhesie.

Sobald die Kinder größer sind, lässt sich aber oft auch auf eine Sedierung verzichten, fährt die Kinderneuroradiologin fort: „Unserer Erfahrung nach kann ein normal entwickeltes Kind etwa ab dem Vorschul- bis Schulalter verstehen, dass es sich im MRT nicht bewegen darf - vorausgesetzt - die Eltern dürfen dabei sein und man erklärt vorher die Geräte und Abläufe.“

Damit die Zeit während der Untersuchung nicht allzu zäh für die kleinen Patienten vergeht, lässt sich über die Gehörschutz-Kopfhörer ein Hörspiel oder Musik einspielen. Das freut übrigens auch die erwachsenen Patienten. Die sind oftmals ängstlicher bei der Untersuchung als die Kinder, verrät Ertl-Wagner: „Kinder gehen oft entspannter mit der Enge der Röhre um, zum Teil vielleicht auch, weil sie kleiner sind und die Röhre deshalb als nicht so einengend empfinden. Aber auch in der Pädiatrie profitieren wir von den technischen Neuerungen der breiteren 70-cm-Röhren, weil der Kontakt zum radiologischen Personal wie auch zu den betreuenden Eltern besser gehalten werden kann. Darüber hinaus bieten die neuen Gerätetechnologien bewegungskorrigierende Sequenzen.“

Eine eigene Ausbildung für die Kinderneuroradiologie gibt es nicht. Letztlich ist dieses Fach eine Mischung aus Spezialisierungen in der Kinder- und Neuroradiologie und es gibt in Deutschland nur relativ wenige Fachleute dafür. Eine Tatsache, die Dr. Ertl-Wagner bedauert: „Ich glaube, dass gerade so ein spezieller Bereich wie die Kinderneuroradiologie, der sich wiederum in viele Unterbereiche aufgliedert, davon profitieren würde, wenn es Referenzzentren gäbe. In der Pathologie hat sich solch ein System in Deutschland bereits erfolgreich bewährt. Ich hoffe, dass die Radiologie hier irgendwann nachzieht.“

 

Im Profil

Frau PD Dr. Birgit Ertl-Wagner ist seit 1999 an der Universität München-Großhadern tätig. Zu Ihren Spezialgebieten gehören neben der Kinderneuroradiologie die zerebrale Fluss-, Perfusions- und Druckquantifizierung mit der MRT und die Diffusions-Tensor-Bildgebung. Ihre Facharztausbildung für diagnostische Radiologie schloss die Münchnerin 2002 ab, die Schwerpunktsbezeichnung für Neuroradiologie erlangte sie 2005. Darauf folgte ein vom RSNA gesponsertes Stipendium für Klinische Studien in Medizinischer Bildgebung in den USA, unter anderem an den National Institutes of Health (NIH). Heute ist Dr. Ertl-Wagner Oberärztin für MRT der radiologischen Abteilung der Universität München-Großhadern.

 

18.01.2011

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