MIT – Der Medizintechnik/IT-Mix ist ein Muss

Auswirkungen der IEC Norm 80001 auf medizinische Netzwerke

Ein Wurm hat sich eingeschlichen – woher er kommt, weiß auf die Schnelle niemand. Klar ist nur, dass die soeben durchgeführte Röntgenuntersuchung wiederholt werden muss, weil die Speicherfolie nicht ausgelesen werden kann. Situationen wie diese stellen Krankenhäuser zunehmend vor die immer gleiche Gretchenfrage: Wer trägt die Verantwortung?

Armin Gärtner
Armin Gärtner
Armin Gärtner
Armin Gärtner

Die IT wird mit dem Finger in Richtung Radiologie bzw. Einkauf zeigen, schließlich ist es ein Geräteproblem. Diese wiederum spielen den Ball zurück, schließlich betrifft der Wurm das IT-Netzwerk. Und als außenstehender Dritter steht noch der Hersteller der Röntgenanlage unter Generalverdacht, den Wurm beim letzten Systemupgrade eingeschleust zu haben.

Konstruktive Problembehandlung sieht anders aus, das wissen alle Beteiligten. Bis März dieses Jahres gab es in Deutschland für diese relativ junge Fragestellung jedoch kaum Anhaltspunkte, die den Weg aus dem Dilemma hätten weisen können. „Seit der Einführung der ICE 80001 gilt jedoch, dass die gesetzlichen Anforderungen an Medizinprodukte, auf die in ein IT-Netzwerk eingebundenen Medizinprodukte mit Blick „auf den zuverlässigen Betrieb im Netz“ übertragen werden müssen. IT-Netzwerke, die Medizinprodukte integrieren werden damit zu medizinischen Netzwerken – das Netzwerk selber jedoch nicht zum Medizinprodukt“, so Armin Gärtner, Bestellter und vereidigter Sachverständiger und Konzernverantwortlicher für Telemedizin, Sana MTSZ Stuttgart auf dem diesjährigen „PACS und mehr! Seminar“, das im Rahmen des DICOM Treffens am 10. Juni 2010 auf Schloß Waldthausen in Mainz, Deutschland, stattfand.

Die Norm bietet dabei keine strikten Vorgaben, sondern Vorschläge für einen Risiko-Management-Ansatz, um die Integration verschiedener Geräte von unterschiedlichen Herstellern in das IT-Netzwerk sicherzustellen. „Federführend ist hier immer der Betreiber“, betont Gärtner in seinem Vortrag und „für die Sicherheit der Integration in ein vorhandenes IT-Netzwerk ist nicht der Hersteller verantwortlich. Dieser muss zwar alle notwendigen Informationen zur Verfügung stellen, die Umsetzung ist aber Sache des Betreibers. Darum sollte bereits bei der Beschaffung die IT mit einbezogen werden. Beim Kauf eines MRT´s beispielsweise fallen zusätzlich 20 Prozent der Anschaffungskosten für die Netzwerkintegration an.“ Nachzuvollziehen sind diese Kosten spätestens dann, wenn man einen Blick auf die potentiellen Risiken einer Systemintegration wirft, die von der Installation selber, dem Remoteservice oder dem Notebook des Technikers ausgehen.

In der Konsequenz hat diese Erkenntnis weitreichende Folgen, denn die bisherigen Strukturen und die Trennung von Medizintechnik und IT müssen aufgebrochen werden. „Eine moderne Prozessbetrachtung löst althergebrachte Abteilungsmuster auf und kombiniert sie zu einem neuen Fachbereich – Experten sprechen hier von MIT, also medizinischer IT“, erläutert Gärtner. Wie dieser Bereich ausgestaltet ist und welche Rolle der Hersteller dabei spielt hängt stark von den jeweiligen Zielen eines Hauses ab. Verbindliche Antworten liefert auch die ICE 80001 nicht, jedoch bietet sie als Prozessnorm den Anlass zu einer lebhaften Diskussion über die Philosophie der Beschaffung und Instandhaltung. Gärtner: „Die IEC 80001 stellt die Frage in den Mittelpunkt, wie viel Sicherheit kann und will sich ein Haus leisten? Denn natürlich sind mit der angesprochenen Prozessoptimierung und der stärkeren Vernetzung von IT und Medizintechnik Kosten verbunden. Dem gegenüber stellen sollten die Krankenhausbetreiber jedoch die Ausfallkosten pro Tag von beispielsweise einem CT. Ganz zu schweigen von den zusätzlichen Belastungen für den Patienten.“

Bleibt die Frage, welche Auswirkungen diese Veränderungen eigentlich für die Hersteller von Medizinprodukten haben werden. „Die Hersteller müssen sich im Rahmen der Konformitätsbeurteilung natürlich Gedanken darüber machen, wie sie ihre – im Verhältnis zu Softwarelösungen wie RIS oder PACS – langlebigen Produkte für den jahrelangen Einsatz in einem sich wandelnden Netzwerk rüsten. Dies beinhaltet beispielsweise die Frage nach dem Betriebssystem. Auch hier gilt jedoch, dass die optimale Lösung nur im Austausch mit dem Betreiber erarbeitet werden kann“, so Gärtner abschließend.

Ein Weg hin zu sicheren und stabilen Netzwerken ist mit der ICE 80001 also vorgegeben, auf welche Weise dieser bestritten wird, darüber müssen sich die Krankenhäuser selbst klar werden.
 

08.07.2010

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