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Artikel • Leitlinie veröffentlicht

Long-Covid: Neue Therapieoptionen geben Patienten Hoffnung auf Besserung

Bericht: Sonja Buske

Atemnot, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Angstzustände – die Liste der Long-Covid-Symptome ist lang. Finden Ärzte keine organischen Ursachen für die Beschwerden, ist die Ungewissheit auf beiden Seiten groß. Daher hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) nun eine Long-Covid-Leitlinie herausgegeben. Sie soll Medizinern helfen, Symptome schnell zu erkennen und ihren Patienten Therapieoptionen aufzeigen zu können.

portrait of Michael Pfeifer
DGP-Präsident Prof. Dr. Michael Pfeifer

Bildquelle: DGP/Mike Auerbach

Nach einer akut durchgemachten Covid-19-Erkrankung bleiben die Symptome oft noch lange bestehen. „Nicht selten erleben wir, dass sich die Patienten wieder erholen, dann aber nach ein bis zwei Wochen erneut Symptome entwickeln“, weiß Prof. Dr. Michael Pfeifer, Präsident der DGP. „Halten diese Symptome länger als drei Monate an, spricht man vom Post-Covid-Syndrom.“ 10-20 Prozent der Erkrankten sind davon betroffen. „Die Patienten klagen schon bei geringster Belastung unter Atemnot, gefolgt von einem extremen Erschöpfungszustand. Viele leiden zudem unter Schlaf- und Gedächtnisstörungen oder auch Herzschmerzen. Sie sind kaum in der Lage, einem normalen Alltag nachzugehen und viele werden arbeitsunfähig“ Der Weg zum Facharzt bringt nur selten die erhoffte Linderung der Symptome, da dieser in den meisten Fällen keine organischen Ursachen feststellen kann. „Wenn ein Lungenfunktionstest, ein Herz-Ultraschall oder ein EKG keine Auffälligkeiten zeigen, ist auch der beste Mediziner ratlos“, erklärt Pfeifer. Deshalb sei es so wichtig, die Symptome des Post-Covid-Syndroms zu kennen. „Es gibt zwar keine medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten, aber es gibt Therapien, die helfen können. Allein die Erkenntnis, dass die Herzschmerzen nicht durch eine Herzerkrankung hervorgerufen werden, beruhigt viele Patienten schon. Oft ist es die Angst, die die Beschwerden noch verschlimmert“, so Pfeifer.

Psychosomatische Komponente im Fokus

An der Leitlinie haben neben Pneumologen und Allgemeinmedizinern auch Psychosomatiker und Neurologen mitgewirkt. Pfeifer: „Die psychosomatische Komponente spielt in der Leitlinie eine wichtige Rolle. Gerade jüngere Menschen, die plötzlich aus dem Berufsleben gerissen werden, weil sie keine Leistungen mehr erbringen können, sind psychisch belastet mit zunehmenden Angstgefühlen. Eine psychosomatische Therapie ist in diesen Fällen unbedingt angeraten.“ Bei kognitiven Einschränkungen und Konzentrationsschwierigkeiten können Entspannungs- oder Koordinationsübungen helfen, bei Erschöpfungszuständen und Atemnot verspricht eine Trainingstherapie unter Aufsicht manchmal Erfolg.

portrait of Jördis Frommhold
Dr. Jördis Frommhold

Bildquelle: Median/Peter Hamel

Die Leitlinie definiert auch, wer von einer Rehamaßnahme profitieren könnte. Dr. Jördis Frommhold ist Chefärztin der Abteilung für Atemwegserkrankungen und Allergien an der Median Klinik Heiligendamm, einer Rehaeinrichtung, in der auch Patienten nach einer Covid-19-Infektion behandelt werden. Sie weiß, wie wichtig Rehamaßnahmen auf dem Weg zurück in ein einigermaßen normales Leben sein können. In ihrer Klinik bekommen Long-Covid-Patienten unter anderem Ergotherapie, Ausdauertraining und Massagen, sie machen Haltungsübungen und Atemgymnastik. Denn oft müssen Betroffene das richtige Atmen erst wieder lernen, damit sich der Erschöpfungszustand deutlich bessert. Im Rahmen eines digitalen Workshops des Vereins „Gesundheitsstadt Berlin“ verdeutlichte die Fachärztin für Innere Medizin und Pneumologie kürzlich allerdings auch, dass nicht jeder Patient nach einer Rehamaßnahme geheilt ist. „Die Versorgung darf nicht abbrechen, wenn wir unsere Patienten entlassen. Oft sind weitere, ambulante Therapien erforderlich. Die Vernetzung von niedergelassenen Ärzten und Therapeuten sowie Rehaeinrichtungen ist daher sehr wichtig.“

Entzündungsreaktion im Körper als mögliche Ursache

Wieso manche Patienten ein Long-Covid-Syndrom entwickeln und andere nicht, ist noch nicht geklärt. „Wir haben in der Vergangenheit ähnliche Symptome bei schweren Influenza-Erkrankungen oder bei Infektionen wie SARS gesehen, allerdings sehr selten“, weiß Pfeifer. „Bei den meisten Patienten bessern sich die Symptome nach ein paar Monaten wieder. Es gibt jedoch auch Patienten, die bereits seit einem Jahr unter den Folgeerscheinungen leiden und bei manchen bin ich mir sehr sicher, dass sie ihr Leben lang damit zu kämpfen haben werden.“ Erste Vermutungen gehen in die Richtung, dass es sich um eine Post-Covid-Entzündungsreaktion im Körper handeln könnte. Die Diagnostik solcher chronischen Entzündungen ist jedoch zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr schwierig.

Die gerade publizierte Leitlinie soll regelmäßig angepasst und nach dem neuesten Kenntnisstand überarbeitet werden. Fürs Erste können Ärzte nun aber auf Handlungsempfehlungen zurückgreifen, mit denen sie ihren Patienten die Angst nehmen und eine Besserung ihrer Beschwerden in Aussicht stellen können.


Profile:

Prof. Michael Pfeifer ist Medizinischer Direktor der Klinik Donaustauf, Zentrum für Pneumologie der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd, sowie Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin im Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg. Er ist zudem Leiter des Bereiches Pneumologie der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Regensburg und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin.

Dr. Jördis Frommhold ist Chefärztin der Abteilung für Atemwegserkrankungen und Allergien an der Median Klinik Heiligendamm. Sie ist Fachärztin für Innere Medizin, Pneumologie und Notfallmedizin. Wegen ihres Einsatzes in der Rehabilitationsmedizin – nicht nur bei Long-Covid-Patienten – wurde sie im März zur „Frau des Jahres 2021“ gewählt.

03.08.2021

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