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Künstliches Knie: Zu oft, zu früh?

Die Zahl eingesetzter Knieprothesen bei Arthrose steigt an - vor allem der zunehmende Anteil an Patienten unter 60 Jahren sorgt dabei für Besorgnis.

Knieprothesen können segensreich für viele Patienten sein, bereiten jedoch oft auch Probleme - vor allem für Unter-60-Jährige.
Quelle: Pixabay/Andersonvr

Die Operationszahlen in dieser Gruppe sind nach einer Erhebung der Bertelsmann Stiftung zwischen 2013 und 2016 um 23 Prozent gestiegen. Doch gerade bei jüngeren Patienten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das künstliche Knie später ersetzt werden muss. Medizinische Gründe für den Trend zur immer früheren OP gibt es jedoch nicht."Dies ist besorgniserregend", sagt Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Bei den unter 60-Jährigen stiegen die Operationszahlen von 27.000 auf 33.000. Das hat das Science Media Center (SMC) in Köln ermittelt. Diese Entwicklung nahm die Bertelsmann Stiftung zum Anlass, Zusammenhänge über medizinische Über- und Unterversorgung in Deutschland zu hinterfragen.

Aus Studien geht hervor, dass Patienten, die zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr eine Knieprothese erhalten, ein 15- bis 35-prozentiges Risiko für eine Wechsel-OP haben. Bei den über 70-Jährigen sind es nur noch vier bis acht Prozent. Diese erneuten Eingriffe sind nicht nur belastend für die Patienten, sondern führen auch häufiger zu Komplikationen und zu schlechteren Ergebnissen als die Erst-Operation. 

Deutliche regionale Unterschiede

Wenn Patienten sorgfältig informiert werden, entscheiden sie sich seltener für eine Operation

Wie häufig ein künstliches Kniegelenk eingesetzt wird, hängt auch stark vom Wohnort der Patienten ab: Während in Berlin nur 153 von 100.000 Einwohnern operiert werden, sind es Bayern bereits 260 Eingriffe. Dieses Muster findet sich sowohl bei Unter- als auch bei Über-60-Jährigen.

Bei Interviews mit Fachärzten, Gesundheitsökonomen, Klinik-Controllern und Vertreter von Krankenkassen und Datenanlysen des SMC kristallisierten sich mehrere Erklärungsansätze für den Anstieg der Knieoperationen und die regionalen Unterschiede heraus: Finanzielle Anreize spielen demnach eine wichtiger Rolle. Denn durch mehrfache Erhöhungen einer zentralen Fallpauschale ab 2013 sind Knieprothesen-Operationen für die Kliniken lukrativer geworden. Auch die Nachfrage nach künstlichen Kniegelenken durch die Patienten selbst scheint angestiegen zu sein, während die Mittel für konservative Behandlungen wie Physiotherapie bei niedergelassenen Ärzten geringer werden.

Wegen der möglichen Komplikationen rät die Bertelsmann Stiftung daher Ärzten und Patienten, Nutzen und Risiken eines künstlichen Kniegelenks gut abzuwägen. Wenn Patienten sorgfältig informiert werden, entscheiden sie sich seltener für eine Operation. Auch konservative Therapien können bei Kniearthrose die Beschwerden lindern. Ist eine Operation unumgänglich, sollten Patienten spezialisierte Kliniken mit hohen Fallzahlen auswählen. 


Quelle: Bertelsmann Stiftung

20.06.2018

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