Artikel • Transformation der Bildgebung
Läutet KI eine ‚schöne neue Welt‘ in der Radiologie ein?
Führt künstliche Intelligenz (KI) die Radiologie in eine ‚schöne neue Welt‘? Dr. Barbara Daria Wichtmann vom Universitätsklinikum Bonn sieht KI auf jeden Fall als Katalysator für eine grundlegende Transformation in der Radiologie und im Gesundheitswesen insgesamt, wie sie beim Radiologiekongress Ruhr im November in Dortmund deutlich machte. Herausforderungen gibt es dennoch.
Artikel: Sonja Buske
© D Koi – unsplash.com
Der demografische Wandel, durch den bis 2035 ein signifikanter Anstieg der Bevölkerung über 65 Jahre erwartet wird, sowie der damit einhergehende Anstieg von Pflegebedürftigkeit und chronischen Erkrankungen, erfordern innovative Lösungen, um die medizinische Versorgung effizient und qualitativ hochwertig zu gestalten. „KI ist hier eine Schlüsseltechnologie, die in der Lage ist, den steigenden Anforderungen im Gesundheitswesen gerecht zu werden“, so Wichtmann. „Sie bietet insbesondere im Bereich der Prozessdigitalisierung und der intelligenten Ressourcennutzung neue Ansätze, die helfen können, die Belastungen für medizinisches Personal zu reduzieren und die Versorgung der Patienten zu verbessern.“
Unterstützung bei der Befundung
Wichtmann machte deutlich, dass KI als unterstützendes Werkzeug Radiologen bei der Befundung und Analyse komplexer Bilddaten entlasten könne, indem sie Muster erkennt und Vorschläge macht. Darüber hinaus könne KI als Optimierungstool eingesetzt werden, um Arbeitsabläufe zu straffen und Ressourcen effizienter zu nutzen. „In einigen Fällen wird sogar diskutiert, ob KI diagnostische Aufgaben eigenständig übernehmen könnte, insbesondere in standardisierten Szenarien“, so die Expertin. In ihrem Vortrag betonte sie jedoch ebenfalls, dass die menschliche Expertise auch in Zukunft eine essenzielle Rolle spielen werde, da die Interpretation medizinischer Daten oft ein tiefes Verständnis von Kontext und klinischer Erfahrung erfordere.
Ein bedeutendes ökonomisches Potenzial von KI liegt laut Wichtmann in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Laut Studien1 könnten durch die Implementierung digitaler Lösungen in Deutschland Einsparungen in Höhe von bis zu 42 Milliarden Euro realisiert werden. Dieses Potenzial ergebe sich vor allem durch Effizienzsteigerungen, die Optimierung von Arbeitsabläufen und die Reduktion von Fehlern. Ein konkretes Beispiel hierfür sei die Optimierung von Abläufen in der Magnetresonanztomographie (MRT), bei der KI nicht nur den Durchsatz erhöhen, sondern auch die Durchlaufzeiten deutlich verkürzen könne. Dies sei vor allem in einer Zeit wichtig, in der die Anzahl der MRT-Untersuchungen weltweit stetig ansteigt und die Nachfrage die vorhandenen Kapazitäten häufig übersteige.
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Deep Learning-Technologien
Wichtmann hob besonders den Einsatz von Deep Learning-Technologien in der Radiologie hervor. Diese würden nicht nur eine verbesserte Bildqualität ermöglichen, sondern auch die Analyse komplexer Datenmengen in kürzerer Zeit. „KI hilft außerdem bei der Reduktion von Artefakten und verbessert dadurch die Diagnosesicherheit. Die Verbesserung der Bildqualität ist besonders in der Mammographie relevant, wo KI zur Triagierung eingesetzt wird, um krebsfreie Bilder effizient auszusortieren und die Aufmerksamkeit auf potenziell pathologische Fälle zu lenken“, erklärte Wichtmann.
Ein weiterer innovativer Einsatz von KI liegt laut der Radiologin in der automatisierten Datenverarbeitung. Hierzu wurden große Sprachmodelle wie GPT-4 getestet, die in der Lage sind, Daten aus radiologischen Freitextberichten zu extrahieren. „In einer retrospektiven Analyse konnte GPT-4 in 94% der Fälle relevante Daten korrekt extrahieren, was im Vergleich zu älteren Modellen wie GPT-3.5 eine deutliche Verbesserung darstellt“, zeigte sich Wichtmann begeistert. Solche Anwendungen würden die systematische Analyse großer Datenmengen erleichtern und gleichzeitig die Forschung fördern, beispielsweise bei der Prädiktion des Therapieansprechens von Rektumkarzinomen.
Herausforderungen: Datenschutz und Datenqualität
Trotz all der Fortschritte dürfe man jedoch nicht über die Herausforderungen der Integration von KI in die Radiologie hinwegsehen. „Die flächendeckende Anwendung wird derzeit durch mehrere Faktoren erschwert“, so Wichtmann. „Einerseits erschwert die hohe Komplexität vieler KI-Modelle ihre Übertragbarkeit auf unterschiedliche klinische Szenarien. Andererseits stellen die oft heterogene Qualität der zugrunde liegenden Daten sowie die Notwendigkeit großer, gut annotierter Datensätze erhebliche Hürden dar.“ Insbesondere in multizentrischen Studien oder bei der Verwendung großer Datensätze müssten Datenschutzstandards strikt eingehalten werden, um die Anonymität der Patienten zu wahren.
Wichtmann kam zu dem Schluss, dass KI in der Zukunft unzweifelhaft eine zentrale Rolle in der Radiologie spielen werde. Gleichzeitig bleibe die menschliche Expertise unerlässlich, um die Potenziale von KI optimal zu nutzen und ethische sowie praktische Limitationen zu überwinden.
Profil:
Dr. Barbara Daria Wichtmann, M.Sc., ist Fachärztin für Radiologie an der Klinik für Neuroradiologie des Universitätsklinikums Bonn. Sie leitet die Forschungsgruppe für onkologische Bildgebung mit einem Schwerpunkt auf den Einsatz quantitativer MRT-Technologien, inklusive dem Einsatz von Deep Learning.
13.01.2025