Keine Kürzung bei den Kurzen: Analoginsulin für Kinder bald nicht mehr kostenfrei?

Text: Karoline Laarmann

In Deutschland versucht der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bereits seit Februar 2008, kurzwirksames Insulinanaloga gänzlich aus der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen auszuschließen. Der Grund: Die Insulinanaloga sind 30% teurerer als das klassische Humaninsulin.

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Der G-BA bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und legt damit fest, welche Leistungen von der GKV erstattet werden. Doch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte den Beschluss zur Nicht-Erstattung des Analog-Insulins im Mai 2008 beanstandet und angeordnet, dass die Kassen die Präparate für Typ-1-Diabetiker bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres trotz höherer Kosten übernehmen müssen. Mit Mehrkosten von 50 ct pro Tag sei das Einsparvolumen von 2,4 Millionen Euro für die GKV vergleichsweise gering, urteilte das BMG außerdem.

Ein großer Sieg für die kleinen Patienten, denn gerade sie profitieren von der Therapie mit kurzwirksamen Analoginsulin und der dadurch gewonnen Flexibilität im Alltag. Durch den verkürzten Spritz-Ess-Abstand können Aktivitäten wie Sport und Spiel spontan wahrgenommen werden. Außerdem mindert die schnelle Korrektur des Blutzuckers die Entwicklung schwerer und teurer Komplikationen und Folgeerkrankungen.

Doch der Gegenangriff ließ nicht lange auf sich warten: Noch im selben Jahr beauftragte der G-BA das unabhängige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) um zu überprüfen, welchen Nutzen kurzwirksames Insulinanaloga für die Behandlung des Typ-1-Diabetes speziell bei Kindern und Jugendlichen bringt. Das Institut hatte wegen mangelnder Datenlage – es fehlen den Wissenschaftlern zufolge insbesondere Langzeitstudien – keine Belege für einen Zusatznutzen gefunden. Der G-BA schlussfolgerte daraus im Februar 2010, dass sich das angestrebte Behandlungsziel auch mit Humaninsulin ebenso zweckmäßig, aber kostengünstiger erreichen lasse. Im Klartext: Zukünftig müssten über 50 % der 25 000 Kinder mit Typ 1 Diabetes in Deutschland auf Humaninsulin umgestellt werden oder die Eltern das Analoginsulin aus eigener Tasche bezahlen.

Ein Rückschritt, statt Fortschritt, waren sich Experten in ganz Deutschland einig. Prof. Thomas Danne, Präsident Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG): „Blindheit, Nierenversagen, vorzeitiger Schlaganfall – diese Risiken sind durch die verbesserte Behandlung mit kurzwirksamen Analoginsulin wesentlich kleiner geworden. Wenn ich also nun befürchten muss, dass diese Therapeutika für viele Kinder vielleicht unerschwinglich sind, dann habe ich eigentlich nur noch Angst.“ In allen hochindustrialisierten Ländern werden kurzwirksame Insulinanaloga von den Sozialsystemen für Kinder, Jugendliche und Pumpenträger von den medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften empfohlen und von den Kostenträgern auch erstattet. Die DDG und der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD) haben sich daraufhin am 19. Mai mit einer Petition im Deutschen Bundestag für die weitere Kostenübernahme durch die Kassen eingesetzt. Bislang ist noch keine Entscheidung in den laufenden Beratungen gefallen.

 

(Bildquelle: sanofi aventis)
 

08.07.2010

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