mother holding her newborn baby after giving birth in hospital
Die Kaiserschnittrate ist in den bundesdeutschen Geburtskliniken in den vergangenen Jahren gestiegen.

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News • Fragen und Antworten zur Sectio caesarea

Kaiserschnitt-FAQ: Experten beantworten die wichtigsten Fragen

Experten aus der Arbeitsgemeinschaft für Geburtshilfe und Pränatalmedizin in der DGGG e.V. (AGG) beantworten die häufigsten Fragen zum Kaiserschnitt. Sie sprechen dabei unter anderem über aktuelle Kaiserschnittraten sowie Vor- und Nachteile der OP.

Wie hoch ist die Kaiserschnittrate in Deutschland? Was sollte vor einem Kaiserschnitt beachtet werden?

In Deutschland wird mittlerweile ca. jedes 3. Kind per Kaiserschnitt (Sectio caesarea) auf die Welt gebracht. 

Unabhängig von einer globalen Sectiorate sollte jede Indikation zur Sectio individuellabgewogen werden. Schwangeren Frauen sollen evidenzbasierte Informationen und Unterstützung angeboten werden, die sie befähigen, eine informierte Wahl hinsichtlich der Geburt zu treffen. Ziel muss es sein, den werdenden Müttern eine physiologische, selbstbestimmte und interventionsarme Geburt zu ermöglichen, in geburtshilflichen Strukturen, die in jederzeit möglichen unvorhersehbaren Risikosituationen eine maximale Sicherheit von Mutter und Kind gewährleisten.

Wann sollte ein Kaiserschnitt durchgeführt werden?

Man unterscheidet bei den Indikationen zur Sectio zwischen absoluten und relativen Indikationen. Absolute Indikationen sind z.B. eine Querlage, das Vorliegen des Mutterkuchens vor dem inneren Muttermund (Plazenta prävia) oder ein Riss der Gebärmutter. Auch eine Schwangerschaftsvergiftung und eine unzureichende Funktion der Plazenta stellen oft eine unvermeidbare Sectioindikation dar. Diese absoluten Indikationen machen ca. 10% aller Sectiones aus und sind zwingend notwendig, um das Leben von Mutter und/oder Kind zu retten. 

90% aller Sectiones erfolgen aus einer relativen Indikation. Diese erfolgen aufgrund einer Abwägung der Geburtsrisiken für Mutter und Kind. Häufige Indikationen sind z.B. auffällige kindliche Herztöne, ein fehlender Geburtsfortschritt, aber auch ein Zustand nach Kaiserschnitt in der letzten Schwangerschaft. Eine relative Indikation bedeutet aber keinesfalls, dass ein solcher Eingriff nicht medizinisch indiziert ist. 

Eine Aussage über eine optimale Kaiserschnittrate ist nicht möglich. Die von der WHO 1985 formulierte Grenze von 10-15% wurde mittlerweile ebenfalls revidiert. Die WHO hat diese Grenzen berechnet, um Mütter- und Kindersterblichkeit zu reduzieren, nicht aber um gesundheitliche Schäden, die nicht zum Tode geführt haben oder führen, zu minimieren. Diese Faktoren sollte man zusätzlich einbeziehen.

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Warum steigt die Zahl der Kaiserschnitte?

Das Risikoprofil werdender Mütter hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert, wodurch die Anzahl von Risikoschwangerschaften zugenommen hat. Beispielhaft hierfür sind, dass das Alter einer Frau bei der Geburt des ersten Kindes mittlerweile bei fast 32 Jahren liegt, über 40% der Schwangeren übergewichtig oder adipös sind und chronische Erkrankungen von Schwangeren zunehmen. 

Betrachtet man in Deutschland die Daten auf Landes- oder Kreisebene, so ergeben sich deutliche Unterschiede je nach Region. Bei Betrachtung der Bundesländer ist nach wie vor ein Ost-West-Gefälle zu sehen. Neben medizinischen Gründen darf die Zunahme von Kaiserschnittentbindungen nicht separat von der gesellschaftlichen Akzeptanz und deren Veränderungen gesehen werden. Studien zeigen, dass auch gesellschaftliche und kulturelle Besonderheiten eine wichtige Rolle spielen. Auch die personelle Ausstattung von geburtshilflichen Abteilungen und die Erfahrung von Hebammen und Ärzten, insbesondere im Management von Risikosituationen, hat einen Einfluss auf die Kaiserschnittrate.

Was sind die wichtigsten Vorteile und Nachteile eines Kaiserschnitts?

Das operative Risiko eines Kaiserschnittes ist gering. Nachgeburtliche Blutungskomplikationen sowie Inkontinenz- und Beckenbodenprobleme sind seltener nach Kaiserschnittgeburten als nach vaginalen Geburten. 

Allerdings besteht nach einem Kaiserschnitt zum einen eine höhere Schmerzbelastung und damit auch Immobilität nach der Geburt. Der Stillbeginn nach einem Kaiserschnitt ist häufig erschwert, außerdem kann die unmittelbare Kontaktaufnahme zum Kind (Bonding) beeinträchtigt sein. Nach Kaiserschnitten besteht ein höheres Risiko von Unfruchtbarkeit, Störungen der Plazentahaftung in Folgeschwangerschaften sowie von Rissen der Gebärmutter. 

Kinder, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, haben eine erhöhte Rate an Anpassungsstörungen, unter anderem ein höheres Risiko für Atemerkrankungen, Autismus sowie Adipositas im weiteren Leben. 

Es ist zu betonen, dass das relative Risiko dieser Komplikationen im Vergleich zur normalen Geburt zwar erhöht, das absolute Risiko jedoch gering ist. Insgesamt treten diese oben angeführten Komplikationen daher sehr selten auf.

Was hat es mit der S3-Leitlinie Sectio caesarea auf sich?

Durch die Erstellung der S3-Leitlinie Sectio caesarea unter Federführung der DGGG ist es gelungen, evidenzbasierte Erkenntnisse zur Sectio zu gewinnen und diese für alle Zielgruppen (z.B. Schwangere, Hebammen, Ärzte) sichtbar zu machen. Diese Leitlinie wird derzeit aktualisiert und voraussichtlich im nächsten Jahr veröffentlicht. 

Eine wichtige Errungenschaft der Leitlinie ist die verpflichtende Klassifizierung der Sectiones unter Einbeziehung geburtshilflicher Faktoren (Robson-Klassifikation). Neben der Darstellung einer risikoadjustierten Sectiorate werden hierdurch vergleichbare Gruppen hinsichtlich Sectio-Risiken wie geburtshilfliche Anamnese oder Indikation zur Sectio erhoben und können als Qualitätsmerkmal benutzt werden. Nur so können spezifische Probleme einzelner Häuser (oder auch Regionen) identifiziert und Verbesserungsmöglichkeiten in Angriff genommen werden. 

Die Leitlinie fordert ebenfalls, dass die Besprechung des Geburtsmodus, Vor- und Nachteile von vaginaler Geburt und Sectio caesarea, sowie die Auswirkungen auf nachfolgende Schwangerschaften und Geburten einer Sectio caesarea im Rahmen einer partizipativen Entscheidungsfindung in einem zeitlich und räumlich angemessenen Rahmen stattfinden sollen. Dies beinhaltet den gegenseitigen aktiven Austausch von Informationen, das Abwägen verschiedener Optionen mit dem Ziel, eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Wie umfangreich der Entscheidungsfindungsprozess begleitet werden kann, ist von der Situation und der in diesem Zusammenhang zur Verfügung stehenden Zeit sowie von dem Wunsch der Frau, an Entscheidungen beteiligt zu werden, abhängig. 

Eine Eins-zu-eins-Betreuung durch eine Hebamme ab der aktiven Phase der Eröffnungsphase führt nachweislich zu einer Reduktion von Kaiserschnitten. Eine weitere wichtige Rolle spielt die Erfahrung des geburtshilflichen Teams, auch in der Betreuung von Risikogeburten wie Beckenendlagengeburten, Mehrlingsgeburten, Frühgeburten. 

Wie wirkt sich die Struktur der klinischen Geburtshilfe auf die Sectiorate aus?

Seit langem ist bekannt, dass die perinatale Mortalität in kleinen Abteilungen 3-fach höher ist als in Kliniken mit mehr als 1.500 Geburten. Als Ursache werden strukturelle Defizite (unzureichend schnelle Verfügbarkeit von Fachpersonal im Notfall, z.B. Anästhesie, Facharzt für Geburtshilfe, Hebamme), sowie unzureichendes Training der interprofessionellen Zusammenarbeit und mangelnde Erfahrung des Personals aufgrund der geringen geburtshilflichen Inanspruchnahme genannt. Im europäischen Vergleich bestehen in Deutschland eine verhältnismäßig hohe Anzahl kleiner geburtshilflicher Einheiten mit Geburtenzahlen < 600 Geburten. Gerade in den kleinen geburtshilflichen Kliniken liegt die Sectiorate oftmals höher als in den größeren Einheiten. 

Die DGGG fordert eine zunehmende Zentralisierung geburtshilflicher Strukturen. Langfristig wäre das Idealziel, Einheiten mit einer hohen Geburtenzahl zu entwickeln, unter deren Dach Patientinnen mit jeglichem Risikoprofil optimal gemeinsam von Hebammen und Ärzten betreut werden könnten. 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe

19.06.2024

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