Meinung
Infektiologen gegen Antibiotikamissbrauch
Die Hälfte aller Europäer geht davon aus, dass Antibiotika gegen Erkältungen und Grippe helfen. Tatsächlich wirken diese Medikamente aber nur bei bakteriellen Infektionen, zum Beispiel Lungenentzündungen, infektiösen Durchfällen oder Tuberkulose. Die vielfach unsachgemäße Verschreibung und Einnahme von Antibiotika führt dazu, dass die Bakterien Resistenzen entwickeln. Schritte zur Eindämmung dieses Problems sind dringend erforderlich. Darauf macht die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e.V. (DGI) anlässlich des Europäischen Antibiotikatags am 18. November aufmerksam. Von zentraler Bedeutung ist die Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung von Ärzten, die in der Lage sind, das Wissen um eine fachgerechte Antibiotikatherapie direkt zum Wohle des Patienten einzusetzen. Die Fachgesellschaft setzt sich aktiv für eine nationale Antibiotikastrategie ein. Zudem bietet sie Ärzten anderer Schwerpunkte die Möglichkeit, sich auf dem Gebiet der Infektiologie fortzubilden und zertifiziert Kliniken, die sich durch einen besonders verantwortungsbewussten Umgang mit Antibiotika hervortun.
Die Ausbreitung von Krankheitserregern, die gegen Antibiotika resistent sind, gehört mittlerweile zu den größten medizinischen Herausforderungen. In vielen Ländern Europas hat sich die Anzahl resistenter Bakterien in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. „Antibiotika werden bei niedergelassenen Ärzten, aber auch in Kliniken, noch immer zu häufig verschrieben“, so Professor Dr. med. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Klinik I für Innere Medizin am Universitätsklinikum Köln. „Wir müssen diese eigentlich hochwirksamen und in vielen Fällen lebensrettenden Medikamente mit Bedacht einsetzen und die Patienten über ihr Wirkungsspektrum und die richtige Einnahme besser aufklären“, so der Vorsitzende der DGI. Notwendig sei neben der Entwicklung neuer Antiinfektiva die sparsame Verwendung von Antibiotika, damit Patienten mit lebensbedrohlichen Infektionen auch in Zukunft wirksam behandelt werden können.
Die DGI setzt sich ganz gezielt dafür ein, Antibiotikaresistenzen zu bekämpfen. Sie treibt unter anderem die Fortbildung von Ärzten in Deutschland voran. In zahlreichen Kliniken fehlt Personal mit spezieller infektiologischer Ausbildung. Dabei tragen Infektiologen nachweislich dazu bei, sowohl den Verbrauch an Antibiotika zu reduzieren als auch die Behandlungsergebnisse von Patienten mit Infektionen zu verbessern. „Wir benötigen deutlich mehr Stellen für Infektiologen sowie viel mehr infektiologische Abteilungen an den Kliniken“ so Professor Dr. med. Winfried Kern, der u.a. zusammen mit Professor Fätkenheuer die Akademie für Infektionsmedizin leitet. Um das Wissen von Ärzten aller Fachrichtungen zur Antibiotikatherapie zu verbessern, engagiert sich die DGI stark in der Fortbildung zu Antibiotic Stewardship und führt entsprechende Veranstaltungen durch. Darüber hinaus zertifiziert die DGI Kliniken, die strukturierte Programme zur Behandlung von Infektionspatienten sowie eine besondere Expertise in diesem Bereich aufweisen und die Ärzte zu Infektiologen weiterbilden. Damit macht die DGI eine hohe Versorgungsqualität im Bereich der Infektiologie für Patienten transparent.
In der Woche des Europäischen Antibiotikatages veranstaltet die Fachgesellschaft zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung vom 19. bis 21. November 2015 in München eine wissenschaftliche Veranstaltung, bei der sowohl praktische Fragen zum Umgang mit Antibiotika als auch wissenschaftliche Themen zur Erforschung neuer Medikamente sowie zum Einsatz von Antiinfektiva im Mittelpunkt stehen. Zuvor treffen sich mehr als 100 von der DGI fortgebildete Antibiotic Stewardship-Experten im Rahmen ihres Netzwerktreffen zum Erfahrungsaustausch.
„Es ist unser Ziel, die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen auf allen Ebenen voranzutreiben: international und in Deutschland, in Kliniken, bei niedergelassenen Ärzten und nicht zuletzt bei den Patienten“, so Fätkenheuer. Man wolle den Europäischen Antibiotikatag nutzen, um dem Thema weiterhin Aufmerksamkeit zu verleihen.
Quelle: DGI
17.11.2015