Antibiotika gezielt verwenden

Die Infektionsmedizin muss gestärkt werden

Der Deutsche Bundestag hat am 1. Dezember 2016 beschlossen, die Antibiotika-Minimierung in der Human- und Tiermedizin und die Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen konsequent weiterzuverfolgen. Einen entsprechenden Antrag hatten die Fraktionen von CDU/CSU und SPD gestellt. Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) begrüßt die Entscheidung.

Professor Dr. Gerd Fätkenheuer, Vorsitzender der DGI und Leiter der...
Professor Dr. Gerd Fätkenheuer, Vorsitzender der DGI und Leiter der Infektiologie am Universitätsklinikum Köln.

Die Fachgesellschaft weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Infektionsmedizin beim rationalen Einsatz von Antibiotika und der Eindämmung von Infektionen mit multiresistenten Erregern eine Schlüsselrolle zukommt. Noch immer sind in vielen deutschen Krankenhäusern keine Infektiologen beschäftigt, obwohl durch ihre Expertise deutlich mehr Patienten schwere Infektionen überleben und sehr viel häufiger eine gezieltere und meist auch kürzere Behandlung sichergestellt werden kann. Die Infektionsmedizin müsse strukturell gestärkt und die Finanzierung infektiologischer Leistungen verbessert werden, fordert die DGI.

„Wir begrüßen sehr, dass der Gesetzgeber die Problematik der Antibiotika-Resistenzen weiter im Fokus hat und dabei auch die Ausbildung von Fachkräften verstärkt berücksichtigt“, sagt Professor Dr. Gerd Fätkenheuer, Vorsitzender der DGI und Leiter der Infektiologie an der Klinik I für Innere Medizin am Universitätsklinikum Köln. So enthält der aktuelle Antrag unter anderem die Forderung, die Antibiotic-Stewardship-Programme intensiver zu fördern.

Unter der Schirmherrschaft der DGI werden Fortbildungskurse in Antibiotic Stewardship (ABS) für Klinik-Mitarbeiter durchgeführt. In diesen wird Wissen über eine rationale Antibiotikaverordnung vermittelt. „Erstmals wird es 2017 auch ABS-Kurse für niedergelassene Ärzte geben“, sagt Professor Dr. Winfried Kern aus Freiburg, einer der Verantwortlichen der ABS-Initiative. „Denn der Großteil der Antibiotika wird im ambulanten Bereich verordnet.“ 600 bis 700 Tonnen Antibiotika werden in Deutschland jährlich in der Humanmedizin verbraucht; 85 Prozent davon im ambulanten Bereich.

„Die ABS-Initiative ist ohne Zweifel ein wichtiger Baustein, um das Wissen um die richtige Verordnung von Antibiotika auf eine breite Basis zu stellen und in möglichst viele Kliniken und Praxen zu bringen“, sagt Fätkenheuer. „Der G7-Gipfel hat unsere Initiative als Modellprojekt und Best-Practice-Beispiel beschrieben. Dies allein ist aber nur eine Zwischenlösung. Langfristig kann, wie in anderen Disziplinen in der modernen Medizin, nur der Facharztstandard eine angemessene Versorgung gewährleisten. Gerade Patienten mit schweren Infektionserkrankungen, etwa den oft schwer zu behandelnden Infektionen mit multiresistenten Erregern, benötigen die Behandlung oder Mitbetreuung durch einen klinisch erfahrenen Spezialisten, der originär für die Behandlung dieser Erkrankungen ausgebildet ist – also einen Infektiologen.“

Welche entscheidende Rolle ausgebildete Infektiologen bei der Behandlung schwerer Infektionen spielen, ist durch zahlreiche Untersuchungen belegt. Zuletzt hatte Anfang 2016 eine Auswertung mehrerer internationaler Studien ergeben, dass beispielsweise bei der durch Staphylococcus aureus ausgelösten Sepsis die Behandlung durch einen Infektiologen die Sterblichkeit der Patienten um rund die Hälfte senken kann. Das Bakterium Staphylococcus aureus gehört zu den häufigsten Erregern von Krankenhausinfektionen. Die Auswertung zeigte auch, dass Infektiologen Antibiotika gezielter einsetzen.

„Wir haben in Deutschland zu wenige Ärzte mit einer Weiterbildung in Infektiologie. Und mehr noch: in vielen Kliniken sind Stellen für Infektiologen gar nicht regelhaft vorgesehen, und infektiologische Konsiliardienste sind nicht etabliert“, sagt Fätkenheuer. In Frankreich habe man kürzlich einen Bedarf von ein bis zwei Infektiologen pro 500 Betten ermittelt. „Das Experten-Defizit in deutschen Kliniken hat auch damit zu tun, dass infektiologische Leistungen im Krankenhausentgeltsystem nicht in ausreichender Weise abgebildet sind.“

Wenn die Bemühungen um die Eindämmung von Resistenzen und die erfolgreiche Behandlung von Krankenhausinfektionen gelingen soll, müsse die Infektionsmedizin im Gesundheitssystem deutlich gestärkt werden, fordert die DGI. Die jüngst im Krankenhausentgeltgesetz beschlossene Förderung der ärztlichen Zusatz-Weiterbildung Infektiologie in den Jahren 2016 bis 2019 sei dabei ein wichtiger Schritt. „Mittel- und langfristig benötigen wir aber weitere Strategien auf allen Ebenen – von der Schaffung eines Schwerpunktfachs Infektiologie in der Inneren Medizin (Facharzt) bis hin zur Schaffung entsprechender Stellen“, so Fätkenheuer.


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Infektiologie

08.12.2016

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