Hygiene in Deutschland – Einheitlichkeit noch nicht erreicht, Lücken bleiben
Die Initiative Infektionsschutz fordert bundesweit gleiche und leistungsfähige Regeln für die Hygiene in den Gesundheitseinrichtungen.
Die Grundlage sei zwar geschaffen, ein umfassendes Regelwerk jedoch noch nicht entstanden. So lautet das Fazit der Initiative Infektionsschutz nach einer Analyse der 16 Hygieneverordnungen, die die Länder in Erfüllung der Auflagen des Bundesinfektionsschutzgesetzes in diesem Jahr erlassen haben. Es fehle an wichtigen Stellen der Verpflichtungscharakter und außerdem umfasse der Geltungsbereich mitunter nicht die erforderlichen Institutionen. Wer konsequent verhindern möchte, dass sich Patienten in den deutschen Gesundheitseinrichtungen infizieren, müsse auch für umfassende Schutzmaßnahmen auf einem gleich hohen Niveau in allen Bundesländern eintreten.
Die Mitglieder der Initiative Infektionsschutz begrüßen, dass nun alle 16 Bundesländer über gesetzlich verbindliche Hygieneverordnungen verfügen. Aber: „Ein bundeseinheitliches Hygieneregime ist damit noch nicht geschaffen: Die Regelungen beschreiben unterschiedliche Geltungsbereiche und weisen eine unterschiedliche Präzisionstiefe auf“, so Prof. Dr. Axel Kramer, Direktor des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Um die Hygienestandards in allen Bundesländern auf ein gleich hohes Niveau zu heben, sei es notwendig, dass die Bundesregierung die gesetzlichen Vorgaben präzisiert und die Landesregierungen ihre Verordnungen vereinheitlichen.
Nach jetzigem Stand beziehen zum Beispiel einige Länder die Einrichtungen der ambulanten Versorgung in den Geltungsbereich der Hygieneverordnungen mit ein, andere beschränken sich auf die stationäre Versorgung. Pflegeeinrichtungen und Rettungsdienste sind generell nicht berücksichtigt. „Für eine wirksame Verbesserung der Patientensicherheit muss der Geltungsbereich der Hygieneverordnungen alle relevanten Gesundheitseinrichtungen erfassen, um damit auch die besonders risikoträchtigen Schnittstellen bei Einweisung und Verlegung abzudecken“, erklärt Prof. Dr. Ojan Assadian, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). „Nur so kann das Hygienemanagement langfristig verbessert und dadurch die Weiterverbreitung von Krankheitserregern verringert werden."
Die Initiative Infektionsschutz kritisiert auch, dass einige Landeshygieneverordnungen die Verantwortlichen nicht ausdrücklich zur Weitergabe der relevanten Erkenntnisse zwischen den Sektoren und Einrichtungen verpflichtet. „Wenn der Patient verlegt, überwiesen oder entlassen wird, müssen auch die Informationen zum MRE-Status weitergeleitet werden, um Verzögerungen oder Unterbrechungen der Sanierungen und/oder Therapien zu vermeiden und die Umsetzung der Schutzmaßnahmen zu sichern.“, fordert Sylvia Ryll, Landesvorsitzende der VHD in Mecklenburg-Vorpommern und Hygienefachkraft der Universitätsmedizin Greifswald.
Bereits bei der Verabschiedung des novellierten Infektionsschutzgesetzes war dem Gesetzgeber bekannt, dass zur Umsetzung das nötige Fachpersonal fehlt. Die notwendige Aufrüstung ist aber in vielen Länderhygieneverordnungen nicht geregelt: Die Krankenhaushygieniker werden nicht, wie eigentlich erforderlich, in die Verantwortung gestellt, die Aus- und Weiterbildung wird nicht geregelt und schon gar nicht wird das Problem des Fachärztemangels – zum Beispiel durch Einrichtung neuer Lehrstühle für Hygiene und Umweltmedizin – in Angriff genommen.
Zu bemängeln ist auch, dass einige Landeshygieneverordnungen nur Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen dazu verpflichten, den Antibiotikaverbrauch zu erfassen. „Da 80 bis 95 Prozent der Antibiotika im ambulanten Bereich verordnet werden, sollten grundsätzlich Art und Umfang des Einsatzes sowie Daten zu Antibiotikaresistenzen erfasst und bewertet werden“, fordert Prof. Dr. Axel Kramer.
Die Initiative Infektionsschutz setzt sich deshalb dafür ein, dass der Gesetz- und die Verordnungsgeber nicht auf halbem Wege stehen bleiben und die verbliebenen Lücken für das Hygieneregime in den deutschen Gesundheitseinrichtungen möglichst rasch schließen.
06.11.2012