News • Vielversprechendes Allograft

„Herzpflaster“ eröffnen neue Therapiemöglichkeiten bei Herzschwäche

Die erfolgreiche vorklinische Prüfung im Tiermodell ermöglicht die weltweit erste Behandlung von Patienten mit aus Stammzellen gezüchtetem Herzgewebe.

3d-Illustration eines menschlichen Herzens mit einem hexagonalen Pflaster in der Mitte
Das Herzpflaster wird aus induzierten pluripotenten Stammzellen gewonnenen Herzmuskel- und Bindegewebszellen in einem Kollagen-Hydrogel hergestellt.

Grafik: UMG/Eva Meyer-Besting

Die Studie ist ein Meilenstein für die klinische Anwendung des „Herzpflasters“ als innovative Therapieoption bei schwerer Herzschwäche und ist Teil der translationalen Forschungsstrategie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht

Ein weltweit einzigartiger Ansatz in der Herzmedizin wird derzeit in der klinischen BioVAT-HF-DZHK20-Studie untersucht: Seit Anfang 2021 prüfen die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Universitäres Herzzentrum, Campus Lübeck, ob das sogenannte „Herzpflaster“ eine neue Therapieoption für Patienten mit schwerer Herzschwäche, auch Herzinsuffizienz genannt, darstellt. Für diese Erkrankung gibt es derzeit keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten. Das Herzpflaster, ein im Labor aus Stammzellen gezüchtetes Herzmuskelgewebe, das sich aus Bindegewebe- und Herzmuskelzellen zusammensetzt, wird dabei auf den geschwächten Herzmuskel aufgebracht, um das Herz dauerhaft zu stärken.

Portraitfoto von Wolfram-Hubertus Zimmermann
Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG).

Foto: UMG/Frank Stefan Kimmel

Ein interdisziplinäres Team um Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der UMG und wissenschaftlicher Leiter der vorklinischen und klinischen Herzpflaster-Studien, hat gemeinsam mit Kollegen der UMG und des UKSH das sogenannte „Herzpflaster“ erstmals erfolgreich in Patienten mit Herzinsuffizienz implantiert. Voraussetzung für die Genehmigung dieser klinischen Prüfung durch das Paul-Ehrlich-Institut war eine vorausgehende Überprüfung der Sicherheit und Wirksamkeit des Herzpflasters im Tiermodell. Dabei war die Simulation der klinischen Anwendung bei Rhesusaffen am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) wegweisend. Die Forscher konnten zeigen, dass implantierte Herzpflaster, die aus 40 bis 200 Millionen Zellen bestehen, zu einer Verbesserung der Herzfunktion durch Herzmuskelaufbau führen. Bildgebende Verfahren und Gewebeanalysen bestätigten, dass die implantierten Herzmuskelzellen langfristig erhalten bleiben und die Pumpfunktion des Herzens stärken. 

„Wir konnten im Tiermodell zeigen, dass die Implantation von Herzpflastern zum dauerhaften Aufbau des Herzmuskels bei Herzinsuffizienz geeignet ist. Die Herausforderung bestand darin, ausreichend Herzmuskelzellen aus induzierten pluripotenten Stammzellen von Rhesusaffen zu gewinnen, um eine nachhaltige Reparatur des Herzens zu erreichen, ohne gefährliche Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen oder Tumorwachstum zu verursachen“, erklärt Prof. Zimmermann. „Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren entscheidend für die Genehmigung der weltweit ersten klinischen Studie zur Reparatur des Herzens mit im Labor entwickelten Gewebeimplantaten in Menschen mit fortgeschrittener Herzmuskelschwäche.“

Das Herzpflaster [...] hat das Potenzial, mechanische Unterstützungssysteme in bestimmten Fällen zu ersetzen und Patienten eine dauerhafte Lösung zu bieten

Stephan Ensminger

„Erstmals konnten wir den Aufbau echter Herzmuskulatur am menschlichen Herzen beobachten. Die erfolgreiche Behandlung zeigt, dass wir mit dem Herzpflaster auf dem richtigen Weg sind“, sagt Prof. Dr. Ingo Kutschka, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der UMG und chirurgischer Leiter der BioVAT-HF-DZHK20-Studie an der UMG. 

Prof. Dr. Stephan Ensminger, Direktor der Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie am Universitären Herzzentrum Lübeck des UKSH und chirurgischer Leiter der BioVAT-HF-DZHK20-Studie am UKSH, ergänzt: „Das Herzpflaster ist ein herausragendes Beispiel für translationale Forschung – vom Labor bis zur klinischen Anwendung. Es hat das Potenzial, mechanische Unterstützungssysteme in bestimmten Fällen zu ersetzen und Patienten eine dauerhafte Lösung zu bieten.“ 

„Diese Arbeit fasst unsere wichtigsten Erkenntnisse auf dem Weg in die klinische Prüfung zusammen und kann damit als Muster für die Überführung neuartiger Stammzell-basierter Therapieverfahren in die Klinik dienen. Darüber hinaus belegt unsere Arbeit erstmalig, dass Herzmuskelreparatur durch Herzmuskelwiederaufbau auch im Menschen möglich ist. Ich danke dem gesamten Team für die erfolgreiche Zusammenarbeit über die vielen Jahre“, sagt Prof. Zimmermann. 

Die vorklinische Prüfung der Herzpflaster-Behandlung wurde in Zusammenarbeit mit dem DPZ sowie der Stanford Universität abgeschlossen. Basierend auf den Ergebnissen wurde die BioVAT-HF-DZHK20 klinische Studie an der UMG und dem UKSH in Kooperation mit dem DZHK und der Göttinger Repairon GmbH initiiert. 


Quelle: Universitätsmedizin Göttingen

30.01.2025

Mehr zu den Themen:

Verwandte Artikel

Photo

News • Studie zu Telemedizin und digitalen Trainern

Diabetes und KHK: Mehr direkte Betreuung statt Apps gefordert

Setzen Telemedizin und Apps falsche Prioritäten bei der Behandlung von Patienten mit Diabetes und koronarer Herzerkrankung (KHK)? Eine neue Studie zeigt: Die positiven Effekte sind gering.

Photo

News • Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Intensivversorgung

Studie: Frauen nach Herzstillstand im Nachteil

Erleiden Frauen einen Herzinfarkt, stehen ihre Chancen für eine schnelle und wirksame Behandlung schlechter als die von Männern. Eine Studie geht den Gründen für diese Ungleichbehandlung nach.

Photo

News • Erkennung schwerer Erkrankungen

Neue MRT-Technik verbessert Herz-Diagnostik

Patienten mit erhöhtem Risiko für schwere Herzerkrankungen lassen sich dank einer neuen MRT-Methode besser identifizieren. Konkret geht es dabei um Fettansammlungen im Bereich des Herzens.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren