Hämmern mit der Hand
Berufsbedingte Erkrankungen und der Radiologe
Hautkrebs, Hypothenar-Hammer-Syndrom und Gonarthrose - Thomas Kraus, Professor für Arbeitsmedizin an der RWTH Aachen und Direktor des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin, im Gespräch mit radiologia bavarica über neue Einträge in der Liste der Berufskrankheiten und die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsmedizin und Radiologie.
Einer der Neuankömmlinge auf der Liste der Berufskrankheiten wird die „Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung“, das sogenannte Hypothenar-Hammer-Syndrom (HHS), sein. „Das HHS wird nach einer Empfehlung des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom Juli dieses Jahres in die aktualisierte Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. Beim HHS handelt es sich um eine bislang nicht sehr häufig diagnostizierte Durchblutungsstörung der Hände, die als Folge von Schlägen auf den Kleinfingerballen (Hypothenar) entsteht. „Das HHS tritt besonders häufig bei Menschen auf, die ihre Hand als eine Art Ersatz für den Hammer benutzen und stumpfe Gegenstände damit bearbeiten“, erläutert Prof. Kraus. „Das betrifft zum Beispiel Arbeiter an Drehbänken, die auf diese Weise Werkstücke einpassen.“
Die Gonarthrose wiederum wird in Deutschland seit dem 1. Juli 2009 als Berufskrankheit anerkannt und als Nummer 2112 in der Liste der Berufskrankheiten geführt. Voraussetzung für ihre Anerkennung ist eine Tätigkeit im Knien oder unter vergleichbarer Kniebelastung, die mindestens 13.000 Stunden im gesamten Arbeitsleben und mindestens eine Stunde pro Arbeitsschicht umfasst. Ein erhöhtes Risiko wird bei Berg- und Landarbeitern, Boden- und Fliesenlegern sowie bei Werftarbeitern angenommen und bei Bau- und Waldarbeitern nach individueller Einschätzung vermutet. Bildgebende Verfahren – hauptsächlich Röntgen, Magnetresonanztomographie und Sonographie – spielen bei der Diagnose der Gonarthrose eine entscheidende Rolle. „Generell ist der Radiologe der wichtigste Partner bei Berufskrankheiten, deshalb ist ein Austausch wie hier auf dem Röntgenkongress so wichtig.“ Für eine zweifelsfreie Diagnosesicherung wie zum Beispiel beim HHS, bei der Gonarthrose, aber auch bei der am häufigsten auftretenden Berufskrankheit der Atemwege, der Asbestose, ist die radiologische Diagnostik unverzichtbar. Um eine asbestbedingte Erkrankung der Lunge leitliniengerecht zu diagnostizieren, ist allerdings eine Standard-CT nicht ausreichend“, erklärt der Experte. „Die Leitlinie legt hier klar definierte Parameter und technische Rahmenbedingungen fest.“
So wird im Rahmen einer solchen vom Arbeitsmediziner veranlassten Untersuchung zum Beispiel kein Kontrastmittel verabreicht, da es die Diagnose verfälschen könnte. „Die Gefahr der Verfälschung durch Kontrastmittel besteht zum Beispiel bei einer asbestbedingten Rippenfellverdickung an der Thoraxinnenwand“, berichtet Kraus. Darüber hinaus müssen die Ergebnisse der Untersuchung auf eine bestimmte Art dokumentiert werden. „Hierfür verwenden wir ein standardisiertes Dokumentationsinstrument, auf dessen Verwendung ich in meinem Vortrag näher eingehe“, so Kraus weiter. Ein weiterer wichtiger Aspekt seines Vortrags wird auch sein, die Zuständigkeit des Radiologen klar abzugrenzen und darzustellen, welche Fragen er beantworten muss und welche nicht. „Auch wenn die Arbeitsmedizin im Wesentlichen eine präventive Disziplin ist, liegt die Feststellung der Kausalität nach erfolgter radiologischer Untersuchung beim Arbeitsmediziner. Die Arbeitsmedizin muss die Ergebnisse dann in den richtigen Kontext setzen“, erläutert Kraus.
Die Herausforderungen bei der Feststellung der Kausalität, die im Bereich der Arbeitsmedizin in Bezug auf sozialrechtliche Konsequenzen eine besondere Rolle spielt, lassen sich gut am Beispiel des Hautkrebses und des UV-Lichts verdeutlichen. Selbstverständlich ist jeder Mensch unabhängig von seinem beruflichen Betätigungsfeld der Einwirkung von UV-Strahlen ausgesetzt, UV-Strahlung ist eine allgemein, immer und überall wirkende Noxe. Daraus ergibt sich unter Beachtung des in den gesetzlichen Unfallversicherungen geltenden Kausalitätsprinzips eine schwierig vorzunehmende Abgrenzung. Es gilt, die Frage zu beantworten, ob die arbeitsbedingte Exposition durch UV-Strahlung eine rechtlich wesentliche Ursache der im Einzelfall vorliegenden Hautkrebserkrankung ist oder die außerberufliche Einwirkung der UV-Strahlung die allein rechtlich wesentliche Ursache darstellt. So informiert zum Beispiel die „Suva“-Versicherung darüber, dass für das Spinaliom und seine Vorstufe die beste Evidenz für eine kausale Beziehung zwischen chronischer UV-Exposition und Tumorentwicklung bestehe. „Zahlreiche ältere und neuere Studien belegen, dass bei Outdoor-Workern das Risiko für Spinaliome bei langjähriger chronischer Sonnenexposition signifikant erhöht ist, in manchen Fällen sogar mehr als verdoppelt“, heißt es in einem Fact-Sheet der Schweizer Unfallversicherung. Prof. Kraus berichtet, dass im Moment an der wissenschaftlichen Begründung für die Aufnahme des Hautkrebses unter die Berufskrankheiten gearbeitet werde und mit einer Veröffentlichung noch dieses Jahr zu rechnen sei.
I M P R O F I L Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Kraus trat seine Professur für Arbeitsmedizin an der RWTH Aachen im Jahr 2001 an und ist seitdem auch Direktor des Instituts für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin am Universitätsklinikum Aachen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Früherkennung adverser Atemwegseffekte durch Arbeitsplatz- und Umwelteinflüsse, der Bildgebung staubbedingter Atemwegserkrankungen, des Exposures- und Risikoassessments sowie der Beurteilung gefahrstoffbedingter Erkrankungen.
25.09.2012