Artikel • Erfahrungen mit dem Nutzen von Patientendaten an deutschen Krankenhäusern
Gesundheitsdatennutzung neu denken
Auf der diesjährigen DMEA in Berlin war eines der zentralen Themen die Erhebung und Auswertung von Gesundheitsdaten – eine Thematik, mit der sich das deutsche Gesundheitswesen notorisch schwertut, da es eng mit datenschutzrechtlichen Bedenken verknüpft ist.
Artikel: Cornelia Wels-Maug
Bildquelle: Adobe Stock/ keBu.Medien
Eine der betrüblichen Folgen des beschränkten Zugangs zu Gesundheitsdaten in Deutschland ist, dass hier deshalb weniger Erkenntnisse in der Forschung und zur Verbesserung der Versorgung gewonnen werden können als in Ländern, die die Datenschutz-Grundverordnung weniger restriktiv auslegen. In seiner Keynote zur Eröffnung der DMEA sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dies sei einer der Gründe, weshalb Deutschland bei dem Erzeugen von Forschungsoutputs unter anderem auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz (KI), im Vergleich zu führenden Ländern wie den USA, China, Kanada oder Israel zunehmend zurückfalle.
Mit dem anstehenden Digitalgesetz, welches den Behandlungsalltag mit digitalen Lösungen unterstützen soll, und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG), möchte er diesen Trend konterkarieren. Das GDNG ebnet den Zugang zu Gesundheitsdaten aus verschiedenen, dezentral gespeicherten Quellen (z. B. Krebsregistern, Genomdaten sowie Abrechnungsdaten der Krankenkassen) und ermöglicht deren Verknüpfung unter Nutzung von Forschungspseudonymen. Lauterbach spricht im Zusammenhang dieser Gesetzesvorhaben von einem Neustart, der darauf abzielt, Versorgung und Forschung in Deutschland zu stärken und wieder Anschluss an die forschungsstarken Länder zu finden. Bis Ende 2026 sollen mindestens 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten durch das neue Forschungsdatenzentrum Gesundheit realisiert werden.
Verbesserte Datennutzung der Krankenhäuser eröffnet neue Versorgungsmöglichkeiten
Gesundheitsdaten erfüllen im deutschen Krankenhausbetrieb verschiedenste Funktionen: Gegenwärtig werden sie primär zur Patientenversorgung sowie zu Abrechnungs- und Verwaltungszwecken verwendet. Im Bereich der Sekundäranwendungen werden sie momentan vorwiegend zur Qualitätssicherung und zu Bildungszwecken, zur Beantwortung epidemiologischer Fragestellungen sowie zur Erstellung von Studien und zur Rekrutierung für Studien herangezogen. Dabei stehen Krankenhäuser oft vor dem Problem, dass Daten in den verschiedenen Expertensystemen weder strukturiert erhoben werden noch interoperabel sind, so dass deren Auswertung und Weiterverarbeitung nur bedingt möglich ist. Daher weisen Gesundheitseinrichtungen darauf hin, wie wichtig es ist, hausinterne Standards zur Datenerhebung festzulegen. Sie sollten sich idealerweise an den diesbezüglichen Vorgaben der medizinischen Fachgesellschaften orientieren. Dabei empfiehlt es sich für die Befundung, neben den Daten aus Krankenhaussubsystemen auch Bild- und Gerätedaten miteinzubeziehen. Die so erfassten und vorgehaltenen Daten können dann in einem weiteren Schritt für KI -Anwendungen genutzt werden. Mit dem GDNG soll insbesondere die Verknüpfung von internen mit externen Datenquellen möglich werden, um das Potenzial der Forschung auszuweiten.
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24.05.2023