Für jeden Patienten die richtige Therapie
von Anja Behringer
Die Bundesärztekammer plant in verschiedenen Projektstudien die Verbesserung der Versorgungsforschung. Dabei stehen vor allem Einschätzungen zur Einführung von Leitlinien und zur Einflussnahme von Pharmazie-Unternehmen auf Studien im Mittelpunkt.
Oft scheint es heute in der Medizin darum zu gehen, Therapien zu finden, die nicht sinnvoll, dafür aber teuer sind. Beispiel Vetebroplastie: Die minimalinvasive Behandlung osteoporotischer Wirbelfrakturen mit Knochenzement bringt häufig nicht die gewünschte Schmerzfreiheit, der Patient muß sich weiterer Eingriffe unterziehen. Laut dem „New England Journal of Medicine“ kostet die Behandlung 2500 bis 3000 Dollar plus 1000 bis 2000 Dollar für die Kernspintomographie. Bei einer klinischen Studie fühlte sich die Placebogruppe genauso schnell schmerzfrei wie die operierten Patienten. Diese Beispiele lassen sich bezüglich Art, Stärke und Zeitpunkt von Medikation, Standort und Wahl von operativen Maßnahmen oder überhaupt Zugang zu fachmedizinischer Betreuung für alle Bevölkerungsschichten fortsetzen.
Deshalb beschloß der 108. Deutsche Ärztetag 2005 in Berlin sich durch die Bundesärztekammer am Aufbau einer wissenschaftlichen Versorgungsforschung in Deutschland zu beteiligen. Bis 2011 werden in verschieden langen Förderphasen unterschiedliche Projekte initiiert. 17 Projekte sind bereits abgeschlossen. Die Themenfelder der ersten Förderphase waren die Implementierung von Leitlinien in den ärztlichen Alltag zum Beispiel bei Asthma oder Chronischer Herzinsuffizienz; zweitens Einfluß der Ökonomisierung der stationär und ambulant erbrachten ärztlichen Leistungen auf die Patientenversorgung und die Handlungsfreiheit der ärztlichen Tätigkeit; und drittens Wechselwirkung zwischen arztseitigen Faktoren und Versorgungsrealität („Physician Factor“).
Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft beauftragte den „Einfluß der pharmazeutischen Industrie auf die wissenschaftlichen Ergebnisse und die Publikation von Arzneimittelstudien“ zu untersuchen. Seit dem Sommer werden die interessantesten Ergebnisse aus den verschiedenen Projekten in einer Reihe „Förderinitiative Versorgungsforschung“ im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht. „Die Studien zeigen bereits jetzt, dass viele Leitlinien einen falschen Ansatz haben, was meist an unzureichendem Datenmaterial liegt“, wie der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, Professor Peter Scriba aus München, erklärt.
Zum Beispiel muß bei der Leitlinie „Chronische Herzinsuffizienz“ beachtet werden, dass die Herzinsuffizienz keine chronische Erkrankung ist. Folglich kann nicht pauschal über die dafür angefallenen Kosten in Deutschland 2006 und künftige Trends nachgedacht werden, Vielmehr handelt es sich um ein klinisches Syndrom mit charakteristischen Symptomen, denen ganz unterschiedliche Krankheiten zugrunde liegen. Somit sollte nicht undifferenziert von „der Herzinsuffizienz“ gesprochen werden, wenn eine chronische Form gemeint und eine konkrete nosologische Zuordnung der vorgelegten heterogenen statistischen Zahlenkolonnen nicht möglich ist. Entsprechend individuell muß die Vorgeschichte jedes Patienten bei der Behandlung berücksichtigt werden.
Die Versorgungsforschung fragt auch, warum der Transfer fortschrittlicher Behandlungsmethoden in die Praxis immer wieder verzögert wird und was dagegen unternommen werden kann. So ergänzt dieser Zweig die Grundlagenforschung, die krankheitsorientierte-translationale und klinisch-evaluative Forschung und kann daher den Innovationstransfer erleichtern.
25.01.2010