Quelle: Prof. Dr. Tobias Langenhan

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Fruchtfliegen zeigen, wie Nervenzellen Reize wahrnehmen

Sensorische Nervenzellen haben die Aufgabe, Reize unserer Umwelt wahrzunehmen und an das Gehirn weiterzuleiten. Nun haben Wissenschaftler der Universitäten Leipzig und Würzburg erstmals am Tiermodell der Fruchtfliege beobachten können, wie eine bisher wenig erforschte Klasse von Rezeptorproteinen als molekulare Antennen für die Wahrnehmung von mechanischen Reizen in die Kommunikation von Nervenzellen eingreift.

Eine Fruchtfliege hat ungefähr 250.000 Nervenzellen. Im Vergleich dazu besteht allein das menschliche Gehirn aus knapp 100 Milliarden Neuronen. Ihnen gemein ist jedoch eine ähnliche Sprache. "Um diese Zellsprache besser verstehen zu können, forschen wir seit Jahren an der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, die uns im Alltag als Obstfliege begegnet", erläutert Prof. Dr. Tobias Langenhan vom Rudolf-Schönheimer-Institut für Biochemie der Universität Leipzig. "Nun konnten wir wichtige Details der Kommunikation von sensorischen Nervenzellen entschlüsseln und den zugrundeliegenden molekularen Mechanismus in der jetzt vorliegenden Studie beschreiben."

Neurophysiologe Dr. Robert Kittel von der Universität Würzburg ist wie Professor Langenhan gleichberechtigter Hauptautor der Studie. Gemeinsam entwickelten sie für die Untersuchungen eine Methode, mit der die Forscher in das Nervensystem der Fruchtfliegenlarven eindringen und der Sprache der Nervenzellen "zuhören" können. Die Arbeitsgruppe, zu der auch die Erstautorin Nicole Scholz gehört, benutzten diese Technologie dann, um die molekularen Grundlagen der Nervenzellkommunikation besser zu verstehen. Sie nutzten experimentelle Techniken, um Gene auszuschalten oder umzuprogrammieren. "Die von uns untersuchten Sinneswahrnehmungen basieren auf bestimmten Rezeptormolekülen, die schon seit Beginn des mehrzelligen Lebens auf der Erde existieren. Etliche Zelltypen - wenn nicht sogar alle - rüsten sich durch diese Rezeptoren aus, die wie Messfühler auf mechanische Reize reagieren. Sie werden dadurch ausgestattet mit einem Sinn für die Wahrnehmung von Druck, Zug, Spannung oder sogar Geräuschen und Tönen", so Langenhan.

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Die rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Drosophila melanogaster (Taufliege).
Quelle: Prof. Dr. Tobias Langenhan

Im Fokus der Forschungen stehen die Rezeptoren einer bestimmten Molekülfamilie. Sie werden als Adhäsions-G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (Adhäsions-GPCR) bezeichnet. Diese Moleküle sitzen auf der Oberfläche von Zellen und können an benachbarte Zellen oder Material anhaften, ähnlich wie Klettverschlüsse. Gleichzeitig sind diese Klettverschlüsse gekoppelt mit Schaltern, die ein äußeres Signal in eine biologische Information übersetzen und ins Zellinnere leiten können. So tragen die Rezeptoren dazu bei, dass äußere mechanische Reize wie Berührungen oder Druck wahrgenommen werden. Diese Informationen benutzen Lebewesen wie Fruchtfliegen oder Menschen, um beispielsweise die Bewegungen ihrer Gliedmaßen korrekt steuern zu können. Kittel und Langenhan fanden bei den aktuellen Untersuchungen überraschenderweise heraus, dass der Rezeptor Latrophilin/CIRL bei der Übertragung von mechanischen Signalen wie der Lautstärkeregler an der Stereoanlage funktioniert. Er verstärkt die Wahrnehmung des Signals, das von außen kommt.

Die Molekülfamilie, zu der auch Adhäsions-GPCR zählen, sind zu Hunderten im menschlichen Erbgut kodiert. Demzufolge liefern die aktuellen Studienergebnisse einen wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung dieser Zellantennen. Rund die Hälfte aller verschreibungspflichtigen Medikamente wirken auf diese Rezeptoren. So können sie beispielsweise bei Bluthochdruck, Asthma oder Morbus Parkinson helfen. "Das Wissen um diese molekularen Mechanismen - wie die nun entschlüsselte Wirkungsweise des Latrophilin-Rezeptors - erklärt uns, wie Leben funktioniert. Forschen kann man oft präziser an Bakterien oder weniger komplexen Tieren als dem Menschen und doch sind die gewonnen Erkenntnisse auf ihn anwendbar. Daher braucht gute Medizin eine exzellente Grundlagenforschung. Denn nur wer weiß, wie Lebensprozesse im Gesunden ablaufen, kann verstehen, wie sie im Defekt Krankheit verursachen können", erklärt Langenhan seine Faszination an dem Forschungsgebiet. Wichtige Beiträge zur aktuellen Studie lieferten auch Langenhans Leipziger Kollegin Dr. Simone Prömel, und die Würzburger Wissenschaftler Isabella Maiellaro, Georg Nagel, Markus Sauer und Esther Asan.

Die neuen Studienerkenntnisse sind für die Entwicklung zukünftiger Therapieformen von richtungsweisender Bedeutung. Sie können künftig eine Rolle spielen beispielsweise in der pharmakologischen Behandlung von Frühgeborenen, die oft eine unreife Lunge besitzen oder auch bei der Entwicklung von Therapien für die Behandlung von Krebs. Dafür sind noch viele Forschungen im Bereich der Zellkommunikation durch Adhäsions-GPCR notwendig.

09.08.2017

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