Biobank
Erkenntnisse aus dem Eis
Der Schlüssel zur Aufklärung von Ursachen und Mechanismen aktueller und zukünftiger Krankheiten ruht in Eis. Nicht im ewigen sondern in Biobanken weltweit bei konstant minus 80 oder minus 160 Grad. Eine der modernsten Biobanken Europas ist die „Interdisciplinary Bank of Biomaterials and Data Würzburg“ (ibdw). Seit 2013 werden die am Universitätsklinikum Würzburg gewonnen Biomaterialien fächerübergreifend, zentral und qualitätsgesichert für Forschungszwecke in einem hochmodernen Neubau eingelagert. Die ibdw ist eine der ersten Biobanken die das Konzept der breiten Einwilligung, des so genannten „broad consent“ am Standort Würzburg umgesetzt und zudem eine fast vollständige Automatisierung ihrer Prozesse erreicht hat. Die breite Nutzungsmöglichkeit von Biomaterialien ermöglicht erst die Erforschung von Fragestellungen und Krankheiten, die heute noch gar nicht bekannt sind.
MEDICA EDUCATION CONFERENCE
Donnerstag, 17. November, 09.00-10.30 Uhr
Raum: 17
Health IT: Modern clinical biobanking as a step towards European and global networking
Vorsitz: Prof. Dr. Roland Jahns, Würzburg
Broad Consent
Seit 2010 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) an fünf ausgewählten Standorten in Deutschland den Aufbau zentraler Strukturen für humane Proben- und Daten¬sammlungen. An den Universitätskliniken in Aachen, Kiel, Heidelberg, Berlin und Würzburg wurden erste Konzepte für eine Zentralisierung der am Standort vorhandenen Biobanken umgesetzt und in dem Ende 2013 geschaffenen Dachverbund, dem „Deutschen Biobank Knoten“, miteinander weiterentwickelt. Eine Biobank dient der Einlagerung von Gewebe, Blut und DNA von Patienten, die für Forschungszwecke gespendet werden. Normalerweise unterschreibt der Patient vor einer Studienteilnahme eine ganz spezifische Einwilligung, in der das Forschungsvorhaben und die Verwendung seiner Spende ganz klar umschrieben sind. „Das Besondere bei uns ist diese breite Einwilligung“, klärt Prof. Dr. R. Jahns, Kardiologe und Leiter der Würzburger Biobank, auf. „Wir haben auf unseren Erfahrungen aufbauend im Arbeitskreis der Medizinischen Ethik¬kommissionen für Deutschland einen Mustertext entwickelt für die nicht genau spezifizierte Einlagerung und Verwendung von Spendermaterial für medizinische Forschungszwecke. Denn wir wissen ja nicht, was in 20 Jahren eventuell an dem Material erforscht werden soll, was wir heute sammeln. Eine solche Einwilligung gilt auch über den Tod hinaus.“ Ethisch und rechtlich ist das ein Balanceakt der eine Reihe flankierender Maßnahmen erfordert. So muss der Patient seine Einwilligung jederzeit widerrufen können, die Forschungsergebnisse müssen für Spender und die breite Öffentlichkeit transparent dargestellt werden und vor der Herausgabe von nicht zweckgebundenen Proben muss eine Ethikkommission das anfragende Forschungsprojekt zustimmend bewerten.
Reproduzierbarkeit dank Automatisierung
Eine weitere Besonderheit der Biobank in Würzburg ist der hohe Grad der Automatisierung. Sie erleichtert die Qualitätssicherung ganz erheblich, macht Prozesse reproduzierbar und im Prinzip auch erst Standort übergreifend vergleichbar. Nach den OECD-Richtlinien, die den Umgang mit humanen Biomaterialien regeln, muss der Weg der Probe von der Gewinnung bis zur Einlagerung lückenlos dokumentiert sein. Prof. Jahns erläutert: „Wir hinterlegen wirklich jeden Schritt mit Zeitstempeln, im Schnitt sammeln wir 10-12 timestamps pro Probe, völlig automatisiert, damit sind wir ziemlich federführend in Deutschland.“
Die bis dato fehlende Reproduzierbarkeit vieler Forschungsergebnisse war der Anstoß für die intensive Förderung zentraler Biobanken durch das Bundesministerium. Seit langem sammeln medizinische Einrichtungen Blut und Gewebe in Kühlschränken. In der Regel nimmt dann ein Doktorand nach dem anderen die Probe aus dem Gefrierschrank, taut auf, teilt und friert wieder ein. In modernen Biobanken wird eine Blutprobe noch vor dem Einlagern auf ca. 300 Mikroliter kleine Einzelproben aufgeteilt. Sie reichen in der Regel um wissenschaftlich valide Dreifach-Assays zu machen. „Für solche seriellen Tripletts reicht das Volumen einer Einzelprobe meist gut aus. Insgesamt entstehen aus einer Blutprobe so zehn kleine Röhrchen. Wenn ein Forscher anfragt, dann erhält er nur ein kleines Röhrchen und die anderen neun bleiben bei konstant minus 80 Grad. Es ist das Grundprinzip des Biobankings, aus einem großen, viele kleine Teile zu machen.“
Gut gesichert
Zurzeit lagern in Würzburg knapp 200.000 kleine Flüssig- und 3.500 Geweberöhrchen ein, bis zu 1,2 Millionen solcher „Aliquots“ und 16.000 Gewebeproben sind möglich. Im Boden aller Probenröhrchen ist ein zweidimensionaler Barcode eingraviert, wodurch jede einzelne Probe eindeutig identifizierbar wird. 96 kleine Probenröhrchen passen auf einen Träger (Rack), der vor Einlagerung gescannt wird. Die Information wird an das Lagersystem übertragen, das sich dann die Position jedes einzelnen Probenröhrchens merkt. Alles ist zweifach verschlüsselt und nur das System selbst weiß, wo welche Probe steht. „Wir können eine Probe anfordern, indem wir den Code eingeben. Dank virtueller Server und doppelter Klinik-Firewall ist ein Zugriff von außen auf das System im Grunde unmöglich. Die Biobank ist damit nahezu 100 Prozent sicher.“
Biomarker und molekulare Signatur
Die Biobank Würzburg hat die Schwerpunkte der medizinischen Fakultät im Blick und sammelt daher unter anderem ein möglichst breites Spektrum an Proben für die Onkologie, kardio-vaskuläre Erkrankungen und auch die Endokrinologie. Bei Krebspatienten wird in Regel nicht nur die Pathologie sondern auch Gewebe vom Rande des Tumors und gesundes Gewebe asserviert. Das ist die Grundlage für eine personalisierte Therapie, denn so können unterschiedliche Tumor-spezifische molekulare Veränderungen auf genetischer Ebene untersucht, und molekulare Tumor-Signaturen entschlüsselt werden. Es gibt einzelne Mutationen, auf die man heute schon hochspezifisch therapeutisch agieren kann. Bei einigen Tumoren kann man im Blut auch schon sehr frühzeitig Tumor-DNA nachweisen („liquid biopsy“), die dann als Biomarker dienen kann. „Biomarker sind auch für uns Kardiologen interessant. Wenn man bei Patienten mit einer schlechten Herzpumpfunktion sukzessive Blut gewonnen hat, kann man die Blutproben miteinander vergleichen und nach Biomarkern suchen, die verraten, wie sich ein Herz nach einem Infarkt entwickelt. Der Charme ist, wir sammeln prospektiv, aber können auf dieser Basis dann sehr valide retrospektiv forschen, das ist das eigentliche Gold der Wissenschaft“, so Prof. Jahns.
Die Anzahl der geförderten deutschen Biobanken soll im Rahmen der German Biobank Alliance im kommenden Jahren verdoppelt werden. Ziel ist, dass Deutschland durch bessere Vernetzung auch auf europäischer Ebene in der „Biobanking and BioMolecular resources Research Infrastructure“ (BBMRI) einen wesentlichen Beitrag bei der Erforschung von seltenen und Volkserkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder auch Krebs leisten kann.
PROFIl:
Prof. Dr. Roland Jahns hat nach dem erfolgreichen Medizinstudium an der Universität Würzburg zunächst als CEA-Fellow in Sophia Antipolis (Frankreich) und anschließend als DFG-Fellow am Institut für Pharmakologie und Toxikologie in Würzburg geforscht. Seit 2002 ist er Facharzt für Kardiologie und 2006 wurde er mit dem GoBio-Award des BMBF ausgezeichnet. Im gleichen Jahr übernahm er auch die Leitung einer Arbeitsgruppe am Rudolf-Virchow-Zentrum für Experimentelle Biomedizin. 2008 wurde er zum Professor berufen, seit 2011 ist er verantwortlich für die Implementierung der zentralen Biobank an der Universitätsmedizin Würzburg, der er seit 2013 als Direktor vorsteht.
10.11.2016