Elektronische Fallakte zur Verbesserung von Behandlungsprozessen

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Artikel • Kommunikation zwischen Ärzten und Therapeuten

Elektronische Fallakte zur Verbesserung von Behandlungsprozessen

Komplexe Erkrankungen erfordern oft die Beteiligung verschiedenster Fachärzte und Therapeuten. Die elektronische Fallakte (EFA) soll Leistungserbringern die Kommunikation untereinander erleichtern und somit die Behandlung für den Patienten beschleunigen und verbessern.

Artikel: Sonja Buske

portrait of Anja Rieckert
Dr. Anja Rieckert

Foto: privat

Beim 12. Nationalen Fachkongress Telemedizin der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin (DGTelemed) in Zusammenarbeit mit dem ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin stellte Dr. Anja Rieckert vom Rechenzentrum Volmarstein (RZV) das Konzept der EFA genauer vor. Im Gegensatz zur elektronischen Patientenakte (EPA) ist der Patient bei der Dokumentenbereitstellung in der EFA außen vor. „Es handelt sich hierbei um einen rein kontextspezifischen Austausch von Dokumenten zwischen Ärzten, Therapeuten, Krankenhäusern oder auch Pflegeeinrichtungen“, so Rieckert. „Zwar gibt es ein zusätzliches Tool, dass dem Behandler die Möglichkeit gibt, zum Beispiel einen Arztbrief an seinen Patienten zu verschicken, der Patient selbst hat aber zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf die Fallakte und kann nicht – wie bei der EPA – selbst Dokumente hochladen oder löschen.“ Einen einheitlichen Standard für die EFA-Spezifikationen hat das Fraunhofer Institut für Software- und Systemtechnik gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft geschaffen, um die Gleichberechtigung aller Partner im Behandlungsprozess zu gewährleisten.

Datenschutz steht an oberster Stelle

In die EFA können alle für die Behandlung relevanten Dokumente wie Arztbriefe, Befunde, OP-Berichte, Verordnungen, Laborberichte, Behandlungspläne oder auch Fotos und Bilder eingestellt werden, allerdings keine hochaufgelösten DICOM-Darstellungen. „Das ist jedoch unser nächstes Ziel“, weiß die Expertin. Datenschutz steht dabei an oberster Stelle. Der Patient muss sowohl zu Beginn bei der Anlage der EFA zustimmen, als auch jedes Mal, wenn ein weiterer Arzt Zugriff auf die Akte erhalten soll. Das funktioniert ausschließlich über eine Zwei-Faktor-Authentifizierung. Der Zugang zur Akte ist verschlüsselt und die Daten werden zentral im gesicherten Rechenzentrum gespeichert, der Zugriff erfolgt dezentral. Nach sechs Monaten oder aber nach Behandlungsabschluss werden sie automatisch gelöscht und sind nur noch auf dem Primärsystem des jeweiligen Leistungserbringers verfügbar. 

Schaubild zur elektronischen Fallakte (EFA)
Schaubild zur elektronischen Fallakte (EFA)

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Kann oder will sich ein Patient zu Beginn der Behandlung noch nicht festlegen, welche Ärzte Zugriff auf seine Akte bekommen sollen, kann der Arzt, der die Akte angelegt hat, ein so genanntes Offline-Token mit einem Barcode ausdrucken, das der Patient zu einem späteren Zeitpunkt dem gewünschten weiteren Leistungserbringer aushändigen kann. Dieser bekommt – falls er Zugang zum EFA-Netz hat – nach Einlesen des Barcodes vollen Zugriff auf die entsprechende Fallakte. Der Zugriff kann ihm jedoch auch vom Patienten jederzeit wieder entzogen werden, wodurch das Recht auf freie Arztwahl durchgängig gewährleistet wird. Theoretisch kann ein Patient auch mehrere Fallakten zu unterschiedlichen Erkrankungen haben. „Ob das allerdings sinnvoll ist, muss bei jedem Patienten individuell überlegt werden“, ergänzt Rieckert.

Zugang über Primärsystem oder EFA-Portal

Niedergelassene Ärzte können sich an ihre Kassenärztliche Vereinigung wenden, um die EFA zu nutzen, momentan bieten das aber nur die KV Westfalen-Lippe und Bayern an. Aktuell stellen zudem viele Krankenhäuser den Zugang zur Verfügung und oft wird die EFA auch im Rahmen von Förderprojekten eingesetzt. Der Zugriff erfolgt entweder direkt aus dem Primärsystem (Praxisverwaltungs- oder Krankenhausinformationssystem) oder über das EFA-Portal, das sich in jedem aktuellen Browser öffnen lässt. 

Auch wenn die EPA und die EFA unterschiedliche Ausrichtungen haben, ist für Rieckert denkbar, sie in der Zukunft zu kombinieren. „Erste Ansätze dazu prüfen wir bereits.“ 


Profil: 

Dr. Anja Rieckert hat an der Universität Maastricht ihren Bachelor of Science und am Karolinska Institut in Schweden ihren Master of Medical Science gemacht. Ihre Promotion erfolgte an der Uni Witten/Herdecke im Bereich Gesundheitswissenschaften. Zwei Jahre lang forschte sie im Bereich Chronische Krankheiten an der Universität Utrecht, bevor sie im August 2021 als Projektberaterin zum Rechenzentrum Volmarstein (RZV) kam.

22.07.2022

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