Ein Routenplaner im Operationssaal
Chirurgische Navigation mithilfe der intraoperativen 3D-Bildgebung
von Karoline Laarmann
Gleich zwei Probleme auf einmal löst die intraoperative 3-D-Bildgebung in der Knochenchirurgie. Denn die über einen C-Bogen generierten dreidimensionalen Datensätze kommen nicht nur als Kontrollscans zum Einsatz, um die korrekte Positionierung von Implantaten und die Reposition von Frakturen zu überprüfen, sondern sind auch hervorragend für die Navigation direkt während des operativen Eingriffs geeignet.
Geschädigte Strukturen bei Knochen und Gelenken zusammenzufügen und zu verschrauben ist wahre Millimeterarbeit. Röntgenaufnahmen stellen hier eine schnelle und einfache Methode für die visuelle Kontrolle dar. Doch oftmals reicht die zweidimensionale Darstellung beim klassischen Röntgen nicht aus, um die korrekte Fixierung der Knochenfragmente zu überprüfen. Bereits seit 2001 kommt deshalb bei besonders kritischen orthopädischen Eingriffen zusätzlich das dreidimensionale Röntgen mithilfe eines C-Bogens zum Einsatz, der Röntgenaufnahmen aus allen Blickwinkeln generiert und diese zu einem Gesamtbild zusammenfügt. Die Komplikationsrate durch Fehlpositionierungen von Knochen oder Implantaten wird dadurch erheblich minimiert. Die Technik wurde damals von Siemens Healthcare entwickelt und zur Marktreife gebracht.
Ein Anwender der ersten Stunde ist Prof. Dr. Paul Alfred Grützner, Ärztlicher Direktor der BG Klinik Ludwigshafen, Deutschland, und Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, der seit 2001 mit dem Siemens C-Bogen ARCADIS Orbic 3D arbeitet. Über eine gemeinsame Schnittstelle fließen die Datensätze aus dem 3-D-Bildverstärker nicht nur in die Bildbearbeitungsworkstation, sondern bei Bedarf auch in das BrainLab-Navigationssystem ein, wo sie zusätzliche Informationen über die Position von Implantaten liefern. „Ähnlich wie ein Navigationsgerät im Auto zeigt das System geplante Weg- und Positionsinformationen an“, erklärt Prof. Grützner das Prinzip. „Als GPS werden dafür Referenzmarker am Knochen und am Instrument verwendet und als Satellit, der die Signale des GPS empfängt, dient eine Infrarotkamera. So entsteht eine virtuelle Landkarte der Knochenanatomie, an der sich der Operateur orientieren kann.“
Heute macht der Einsatz der 3D-Scans zu Navigationszwecken bereits 14,3 % der Gesamtscans an der BG Klinik Ludwigshafen aus. „Im Gegensatz zur Verwendung einer präoperativen CT-Aufnahme lässt sich mit dem System jede Änderung in der anatomischen Struktur, die wir durch Einrichten einer Fraktur vornehmen, direkt abbilden“, erklärt Prof. Grützner. „Ein weiterer Vorteil gegenüber der CT ist, dass die Verknüpfung zwischen Bild und Instrumentenposition über die Referenzmarker automatisch und nicht manuell erfolgt. Vorher war so eine Registrierung nur unter erschwerten Bedingungen oder überhaupt nicht durchführbar.“
Die 3-D-Technologie verleiht den Bildern räumliche Tiefe und stellt anatomische Strukturen überlagerungsfrei dar. Deshalb findet die chirurgische 3-D-Navigation vor allem bei Beckenverletzungen Verwendung, weil es sich dabei zum einen um einen sehr komplexen Knochen handelt, zum anderen weil das Becken von sehr viel Weichteilgewebe umgeben ist. Dazu Grützner: „Im hinteren Beckenteil liegen sowohl Nervenwurzeln als auch Organe, die bei der Platzierung von Platten oder Schrauben auf keinen Fall verletzt werden dürfen.“ Aber auch beim Anbohren von durchblutungsgestörten Knochenarealen im Gelenk (Osteochondrosis dissecans) oder gutartigen Knochentumoren (Osteoidosteome) hat sich die chirurgische 3-D-Navigation bewährt gemacht.
Dabei haben Studien gezeigt, dass die Strahlendosis sich durch das Verfahren im Vergleich zum konventionellen Röntgen stark reduziert lässt, da erstens weniger Durchleuchtungszeit benötigt wird und zweitens nur ein 3-D-Scan nötig ist, um das gesamte Platzieren der Implantate durchzuführen, während die Navigationskamera die Position des Knochens in Echtzeit weiterverfolgt.
„Es gibt jedoch auch Grenzen für die Anwendungsgebiete der Technik, etwa bei sehr kleinen Knochen auf denen sich die Referenzmarker einfach nicht ansetzen lassen, weil sie zu groß sind, oder bei vielen einzelnen Knochenteilen, wo die Registrierung und Referenzierung ebenfalls schwierig ist,“ weiß der Klinikdirektor. Weiteren Verbesserungsbedarf bei der Technologie sieht er darüber hinaus noch in der Weichteildarstellung für eine noch optimalere Planung der chirurgischen Zugangswege. Auch die Größe des Bildausschnitts, den die Röntgenkamera am C-Bogen zulässt, stuft Prof. Grützner als ausbaufähig ein. Bei der Volumenfläche ist die CT-Aufnahme dem 3-D-Bildverstärker noch überlegen – erste Prototypen mit größeren Röntgenkameras befinden sich jedoch bereits in der experimentellen Erprobung. Die letzte Evolutionsstufe bei der intraoperativen 3-D-Bildgebung scheint also noch lange nicht erreicht.
20.04.2011