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Digitales Gesundheitswesen – für alle?
Eine ältere Frau sitzt vor ihrem Smartphone. Die App, die ihr Arzt empfohlen hat, soll helfen, ihre Medikamenteneinnahme zu organisieren. Doch nach mehreren Versuchen gibt sie frustriert auf: „Das ist nichts für mich.“
Diese Szene steht sinnbildlich für ein grundlegendes Problem der digitalen Gesundheit in Deutschland: Technisch machbar ist vieles, doch der Zugang ist nicht für alle gleich. Das im Bundesgesundheitsblatt erschienene Positionspapier des Fachbereichs Digital Public Health der Deutschen Gesellschaft für Public Health e. V. zeigt auf, wie digitale Gesundheitslösungen flächendeckend und sozial gerecht umgesetzt werden können. Die Forschenden fordern Strategien, die alle Bürger erreichen – unabhängig von Alter, Einkommen oder technischer Affinität.
Neue digitale Angebote für Prävention, Gesundheitsförderung und Gesundheitsversorgung müssen die gesundheitlichen Bedürfnisse sowie die individuellen Anforderungen der Menschen einbeziehen
Stephanie Hoffmann
Digitale Gesundheitsangebote wie Telemedizin oder Gesundheits-Apps bieten enorme Möglichkeiten. Sie können die Gesundheitsversorgung effizienter machen und Zugänge erleichtern. Doch das Positionspapier warnt: Wenn vulnerable Gruppen – wie ältere Menschen oder sozial Benachteiligte – bei der Entwicklung solcher Lösungen nicht mitgedacht werden, droht die digitale Kluft zu wachsen. Dr. Laura Maaß, Sprecherin des Fachbereichs und Postdoc am Leibniz-WissenschaftsCampus Digital Public Health Bremen, formuliert es klar: „Ich freue mich sehr, dass das Bundesgesundheitsblatt uns die Plattform gibt, die Digitalisierung von Public Health in den Vordergrund zu stellen, denn die Zeit drängt. Deutschland braucht digitale Lösungen, die für alle zugänglich sind. Wir müssen Gesundheitskompetenz fördern und die digitale Spaltung überwinden, sonst verlieren wir das Potenzial der Digitalisierung für Prävention und Versorgung.“
Eines der Kernprobleme ist die digitale Gesundheitskompetenz: Viele Menschen können Apps oder andere digitale Tools nicht richtig nutzen. Dabei ist gerade die Fähigkeit, solche Anwendungen zu verstehen und anzuwenden, entscheidend, um Gesundheitsangebote wirklich zugänglich zu machen. Interaktive und partizipative Ansätze könnten helfen, Patienten besser einzubinden und so die gesundheitliche Eigenverantwortung zu stärken. Stephanie Hoffmann, Co-Sprecherin des Fachbereichs, ergänzt: „Neue digitale Angebote für Prävention, Gesundheitsförderung und Gesundheitsversorgung müssen die gesundheitlichen Bedürfnisse sowie die individuellen Anforderungen der Menschen einbeziehen. Nur dann erreichen sie die Menschen wirklich und tragen zur gesundheitlichen Chancengleichheit bei.“
Das Positionspapier kritisiert auch, dass der Bereich Digital Public Health in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt. Studiengänge greifen das Thema selten auf, und in der Forschung liegt der Fokus zu stark auf klinischen Anwendungen. Prävention und Gesundheitsförderung bleiben oft außen vor - sowohl in der Forschung und Lehre, als auch in der Gesundheitspolitik, die sich fast ausschließlich auf die Digitalisierung der medizinischen Gesundheitsversorgung konzentriert. Hier müsse dringend angesetzt werden, um die Digitalisierung breiter und nachhaltiger zu denken.
Die Forschenden betonen: Digitalisierung im Gesundheitswesen darf kein Selbstzweck sein. Es geht darum, gesundheitliche Ungleichheiten zu verringern, Prävention zu stärken und die Versorgung effizienter zu machen – ohne dabei jemanden auszuschließen. Dafür braucht es den Schulterschluss von Politik, Wissenschaft und Praxis.
Quelle: Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS
13.12.2024