Das Forschungsteam nutzte echte MRT-Daten (links), um eine digitale Simulation...
Das Forschungsteam nutzte echte MRT-Daten (links), um eine digitale Simulation (rechts) zu erstellen.

Bildquelle: Hochschule München; Grafik: Ludwig Wagmüller 

News • Patientenspezifisches Modell

Digitaler Herz-Zwilling für personalisierte Therapien

Im Projekt SmartHeart simulierten Forschende der Hochschule München (HM) ein pulsierendes Herz, welches mit Hilfe von KI-Methoden patientenspezifisch angepasst werden kann.

Herzkreislauferkrankungen sind die häufigste Todesursache in Deutschland. Mehr als 300.000 Menschen sterben jährlich an kardiovaskulären Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen oder Bluthochdruck. „Die Ursachen dieser Erkrankungen sind wahrscheinlich oft multifaktoriell: Es gibt zahlreiche Wechselwirkungen beispielsweise zwischen Blutdruck, der Form und Funktion des Herzmuskels sowie der Herzklappen. Diese komplexen Zusammenhänge lassen sich nur schwer an lebenden Patienten untersuchen“, erklärt Ludwig Wagmüller. Der Maschinenbauer entwickelte in seiner Promotionsarbeit an der HM das personalisierte Computermodell eines pulsierenden Herz-Kreislaufsystems. Damit soll es zukünftig möglich sein, das Verhalten des Herzens auch ohne invasive Diagnoseverfahren zu analysieren.

Der Digitale Zwilling wird laufend weiterentwickelt. Auf diese Weise lässt sich vielleicht eines Tages schon vor einem Eingriff am offenen Herzen untersuchen, ob die geplante Operation den gewünschten Erfolg bringt

Michael Wibmer

Bisherige Simulationen waren hierfür einerseits zu langsam, andererseits nur in aufwendiger Weise patientenspezifisch adaptierbar. „Für die Berechnung und Visualisierung eines einzigen Pulsschlags benötigten Supercomputer mehrere Stunden“, erklärt Wagmüller. Zusammen mit den Simulationsexperten an der Fakultät für Maschinenbau, Fahrzeugtechnik und Flugzeugtechnik der HM sowie der Technischen Universität München (TUM) entwarf er mit Hilfe von KI-Methoden ein neuartiges Herzmodell: Dieses kann die patientenspezifische Geometrie detailgetreu nachbilden und braucht dennoch weniger Rechnerleistung als traditionelle Simulationen. 

„Wir nutzen eine Kombination aus statistischen Verfahren und KI. Dieser Ansatz sorgt dafür, dass die Simulation weniger Rechenzeit benötigt“, sagt der Doktorand. Eine wichtige Rolle spielt dabei das „Reduced Order Model“. Solche reduzierten Modelle sind weniger komplex als klassische Simulationen, erreichen jedoch mit Berücksichtigung der wesentlichen Charakteristika eine hohe Übereinstimmung und sind außerdem wesentlich energieeffizienter. Die Forschenden konnten so erstmalig typische Bewegungsmuster in der Herzbewegung über verschiedene Patientengeometrien hinweg identifizieren und mathematisch beschreiben. 

Arbeiteten gemeinsam am Projekt SmartHeart (von links): Prof. Dr. Michael...
Arbeiteten gemeinsam am Projekt SmartHeart (von links): Prof. Dr. Michael Wibmer, Prof. Dr. Markus Gitterle und Doktorand Ludwig Wagmüller.

Bildquelle: Hochschule München; Foto: Alexander Ratzing 

Das neue Herzmodell basiert auf realen Daten von lebenden Patienten. Mit Hilfe von 70 anonymisierten MRT-Datensätzen gelang es Wagmüller, den Digitalen Zwilling eines Durchschnittsherzens inklusive seiner Abweichungen zu simulieren. Dieser wurde anschließend – ebenfalls mit anonymisierten – MRT-Daten trainiert. Das Ergebnis ist ein pulsierendes, digitales Herz-Kreislaufsystem, mit dem sich wesentliche physikalische Vorgänge abbilden und vorhersagen lassen. Dieser Digitale Zwilling lässt sich mit Hilfe von spezifischen Daten individualisieren. 

„Durch die Kombination von reduzierten Modellen, die die Simulation beschleunigen, sowie variablen Geometrien, die eine Individualisierung erlauben, eröffnet der Simulationstechnik völlig neue Anwendungen“, resümiert HM-Professor Markus Gitterle von der Fakultät für Maschinenbau, Fahrzeugtechnik, Flugzeugtechnik, der gemeinsam mit HM-Professor Michael Wibmer das Projekt leitete. So ermögliche der Digitale Zwilling langfristig Einblicke in pulsierende Herz-Kreislaufsysteme. Ein Zukunftstraum der Forscher sei die Visualisierung und Erprobung chirurgischer Eingriffe: „Der Digitale Zwilling wird laufend weiterentwickelt. Auf diese Weise lässt sich vielleicht eines Tages schon vor einem Eingriff am offenen Herzen untersuchen, ob die geplante Operation den gewünschten Erfolg bringt“, ergänzt Wibmer. 

Das Projekt wird vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert und gemeinsam mit den Projektpartnern AdjuCor GmbH sowie Prof. Dr.-Ing. Michael W. Gee der Technischen Universität München umgesetzt. 


Quelle: Hochschule München 

28.10.2025

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