Artikel • Niere & MRT
Die Ja-/ Nein-Strategie bei Nierentumoren
Am Kongress-Samstag lohnt es sich, früh aufzustehen. Denn der Vorsitzende der Bayerischen Röntgengesellschaft, Prof. Dr. Michael Uder, präsentiert bereits in der ersten „Fit für den Facharzt“-Session des Tages ein echtes Schmankerl.
Eine Strategie, die so einfach ist, dass wirklich jeder Radiologe ein Nierenzellkarzinom sicher diagnostizieren kann.
Prof. Dr. Michael Uder
Der Direktor des Radiologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen gibt Einblicke in seine ganz persönliche Taktik bei der Befundung von soliden Nierentumoren und verspricht nicht weniger als „eine Strategie vorzustellen, die so einfach ist, dass wirklich jeder Radiologe ein Nierenzellkarzinom sicher diagnostizieren kann.“ Es ist das erste Mal, dass er in einem Vortrag über seine strukturierte Herangehensweise zur Differenzialdiagnostik von Nierentumoren spricht.
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In Erlangen fährt Michael Uder diese Strategie schon seit längerem. Denn der medizinische Wissensstand hat in den letzten Jahren einige Fortschritte gemacht: „Zum einen ist die WHO-Klassifikation der Nierentumoren wesentlich verfeinert worden. Es wurden u.a. neue Tumortypen identifiziert, die erheblichen Einfluss auf die Behandlungsstrategie nehmen. Das heißt, die Differenzialdiagnostik wird immer wichtiger. Zum anderen verfügen wir zunehmend über Daten zum Verhalten auch von seltenen Nierentumoren in der MR-Bildgebung.“
Zwar macht der Nierenkrebs nur ca. 3 Prozent aller bösartigen Neubildungen beim Erwachsenen aus, bei mehr als der Hälfte der Patienten wird die Erkrankung jedoch per Zufall im Rahmen einer bildgebenden Untersuchung zu einer anderen Fragestellung entdeckt. Das heißt, nicht nur die Patienten kann die Verdachtsdiagnose völlig unerwartet treffen, auch den Radiologen. Doch Prof. Uder hat aus den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den eigenen klinisch-praktischen Erfahrungen eine kurze Formel entwickelt, mit deren Hilfe auch weniger erfahrene Kollegen ein Nierenzellkarzinom verlässlich erkennen können: in drei Schritten und durch die Beantwortung simpler Ja-/Nein-Fragen. Im ersten Schritt geht es darum, andere Ursachen als eine Tumorerkrankung auszuschließen: Handelt es sich stattdessen um eine Entzündung, einen Infarkt oder ein Lymphom? „Wenn der Befund unklar ist, dann beantwortet man diese Frage vorläufig mit ‘Ja‘ und kontrolliert in sechs Wochen noch einmal nach. Damit macht man nichts falsch“, rät Uder. Ist diese Frage jedoch zu verneinen, geht es im zweiten Schritt um die Frage: Handelt es sich um einen gutartigen oder bösartigen Nierentumor? Bislang wurde diese Unterscheidung anhand des Fettvorkommens in der Geschwulst festgemacht: Fett im Tumorgewebe bedeutete ‘gutartig‘, kein Fett im Tumorgewebe bedeutete ‘bösartig‘. Damit war der Entscheidungsprozess abgeschlossen.
Das Problem ist, dass man an diesem Punkt fettarme Angiomyolipome noch nicht von papillären Nierenzellkarzinomen unterscheiden kann.
Prof. Dr. Michael Uder
„Das Problem ist, dass man an diesem Punkt fettarme Angiomyolipome noch nicht von papillären Nierenzellkarzinomen unterscheiden kann“, erklärt Uder. „Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass Patienten wegen eines Nierenkrebses operiert wurden, die gar keinen hatten. Mit der MRT lassen sich diese Entitäten jedoch relativ einfach unterscheiden.“ Deshalb geht der Erlanger Spezialist noch einen Schritt weiter, bevor er sich mit seinem Urteil endgültig festlegt: „Und zwar schaue ich als Nächstes nach, ob sich der Tumor im T2-gewichteten MR-Bild dunkel darstellt oder nicht. Lautet die Antwort ‘Ja‘ braucht es weitere Entscheidungskriterien, um sicher sagen zu können, ob es sich um ein Nierenzellkarzinom handelt oder nicht. Denn, wenn sich die Raumforderung dunkel darstellt, dann handelt es sich am häufigsten um eine eingeblutete Nierenzyste, am zweithäufigsten um ein papilläres Nierenzellkarzinom und am dritthäufigsten um ein fettarmes Angiomyolipom.“ Die genaue Unterscheidung lässt sich erst anhand des Signalverhaltens in weiterführenden MRT-Untersuchungen zum Diffusionsverhalten und der Kontrastmittelaufnahme treffen. „Wenn sich die Läsion dunkel im T2-Bild darstellt, früh Kontrastmittel aufnimmt und einen Signalabfall in der Opposed-Phase-Bildgebung zeigt, dann ist sie gutartig. Wenn eine dieser Fragen mit ‘Nein‘ beantwortet werden muss, dann bösartig. Erst an diesem Punkt habe ich den Tumor eindeutig klassifiziert.“
Profil:
Prof. Dr. Michael Uder studierte Humanmedizin an der Universität des Saarlandes, Homburg, wo er auch seinen Facharzt für Radiologie ablegte. Nach seiner Habilitation im Jahr 2002 über die Nebenwirkungen von Röntgen-kontrastmitteln an der Niere war er von 2003 bis 2009 als Professor für Radiologie am Radiologischen Institut der Universitätsklinik Erlangen tätig. Seit 2009 steht er dem Institut als Direktor vor. Uder ist zudem erster Vorsitzender der Bayerischen Röntgengesellschaft und Vorsitzender der Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Radiologie, einer Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Röntgengesellschaft in Trägerschaft mit dem Berufsverband der Deutschen Radiologen.
Veranstaltungshinweis:
Raum: Conference 4
Samstag, 15. Oktober 2016, 08:30–08:50 Uhr
Symposium 11: FFF Onkologie – Niere/Prostata
Nierentumore
13.10.2016