Knochenfresser und wilde Wucherer

Beim multiplen Myelom, auch Plasmozytom genannt, spielt die Produktion der Plasmazellen im Knochenmark verrückt. Ihr unkontrolliertes Wachstum zerstört Knochen und verursacht Frakturen. Sie sind den Knochenmetastasen damit häufig zum Verwechseln ähnlich, dennoch gibt es Unterschiede.

Prof. Dr. Andrea Baur-Melnyk
Prof. Dr. Andrea Baur-Melnyk

Welche Aussagekraft verschiedene Befallmuster über Läsionen und ihre Auswirkung auf den Knochen haben, erklärt Prof. Dr. Andrea Baur-Melnyk, Oberärztin am Institut für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität München, Großhadern.

„Multiple Myelome, aber auch Metastasen zerstören den Knochen, ihre histologische Herkunft ist jedoch eine andere“, bringt es die Ärztin auf den Punkt, „das Myelom ist eine primäre Knochenmarkserkrankung, die sekundär zur ossären Destruktion führt. Die Metastase dagegen nimmt ihren Ursprung in einem Organ und gelangt dann systemisch in den Blutkreislauf oder die Lymphgefäße. Die Krebszellen siedeln sich dann wiederum primär im Knochenmark an und zerstören ebenfalls sekundär die Knochensubstanz.“

Die CT wird standardmäßig zur Diagnostik und zum Staging solcher Knochendefekte eingesetzt. Das Untersuchungsprotokoll zeichnet sich dabei durch zwei Besonderheiten aus: Erstens wird der Scan mit einer möglichst niedrigen Dosis gefahren. Der Referenzwert liegt bei circa 160 mSV und 120 kV. Zweitens handelt es sich um eine Ganzkörperbildgebung, die das gesamte Skelett von der Schädelkalotte bis zur Zehenspitze einschließt. „Primär sitzen Myelome und Knochenmetastasen zwar häufig im Stammskelett, also in Wirbelsäule und Becken, grundsätzlich können sie jedoch jede beliebige Region befallen. So finden sich Metastasen bestimmter Tumoren, zum Beispiel des Nierenzellkarzinoms, auch im Fuß“, berichtet Prof. Baur-Melnyk. Des Weiteren gilt es, immer auch im Röhrenknochen auf einen Markraumbefall zu achten.

Durch die Ganzkörperuntersuchung entsteht eine Flut an Bildern, die die Befundung sehr zeitintensiv gestaltet. Des halb arbeitet die Münchner Radiologin mit einem selbst entworfenen Worksheet, das systematisch nach den Skelettregionen unterteilt ist. Dort trägt sie auch das jeweilige Frakturrisiko ein. Denn: „Ist die Frakturgefährdung besonders hoch, kann man mit prophylaktischen Maßnahmen zur Stabilisierung entgegenwirken. Ein solches, erhöhtes Frakturrisiko stellt beispielsweise die Destruktion eines Brustwirbels um mehr als 25 Prozent in Verbindung mit der Destruktion des costovertebralen Gelenks dar.“

Während das Myelom sich im CT entweder als Osteolyse oder diffuse Osteoporose darstellt, weisen Metastasen sehr unterschiedliche Erscheinungsbilder auf. Diese lassen sich in drei verschiedene Befallmuster unterteilen. Bei der osteolytischen (der knochenabbauenden) Form fressen die Krebszellen quasi Löcher in die Knochensubstanz. Der osteoplastische (der knochenaufbauende) Typ ruft wild wuchernde Knochenneubildungen hervor, die das innere Gerüst des normalen Knochens mechanisch belasten. Zuletzt gibt es noch gemischte Arten, die sowohl osteolytisch als auch osteoplastisch sind. „Anhand des zerfressenen oder sklerotischen Aussehens der Metastase lassen sich Rückschlüsse auf den Ursprung des Tumors ziehen“, erklärt Baur-Melnyk und nennt zwei Beispiele: „Ein typischer Vertreter der osteoplastischen Metastase stellt das Prostatakarzinom dar. Osteolytische Metastasen dagegen lassen häufig auf Lungenkrebs schließen.“

Um Knochenmarkinfiltrate frühzeitig nachzuweisen, stellt die MRT gegenüber der CT beim primären Staging von Myelomen und Metastasen eigentlich die bessere Methode dar. Das haben auch Vergleichsstudien am Radiologischen Institut in München bestätigt. In Zahlen ausgedrückt: Die Sensitivität der MRT liegt bei 98 Prozent, die der CT nur bei 66 Prozent. „Allerdings ist die CT häufig spezifischer, um unklare Läsionen, die man mithilfe der MRT findet, näher zu bestimmen“, räumt Prof. Baur-Melnyk, die die Studie geleitet hat, ein, „darüber hinaus lassen sich sekundäre Schäden am Knochen in Form von Osteolysen eben nur durch die CT nachweisen.“

Vielversprechende Studienergebnisse zeigt auch die FDG-PET/CT, da sie sowohl Informationen zur Knochendestruktion aus der CT liefert als auch zur Glukoseanreicherung in den Tumorzellen durch die FDG. Auf diese Weise lässt sich mit dem Kombiverfahren besonders gut darstellen, ob eine Läsion nach Therapie noch vital ist, also ob die Behandlung angesprochen hat oder nicht. Zurzeit findet die Methode deshalb nur dann klinische Anwendung, wenn der Patient eine Knochenmarkstransplantation erhalten hat. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die PET/CT-Untersuchung sowohl vor als auch nach der Therapie durchgeführt hat, um einen direkten Vorher-nachher-Vergleich zu ermöglichen.
 

IM PROFIL
Prof. Dr. Andrea Baur-Melnyk übernahm 2003 als Oberärztin die Funktionsleitung über die Allgemeine Radiologie und habilitierte mit einer Arbeit über die Wertigkeit der MRT in der Diagnose und Prognose des multiplen Myeloms. Die Berufung zur außerplanmäßigen Professorin erfolgte 2010. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der muskuloskelettalen Bildgebung der Orthopädie und der physikalischen Medizin, bei Knochen- und Weichteiltumoren und in der Ganzkörperbildgebung/Präventivmedizin.
 

24.01.2014

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