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Diabetesbedingte Sterblichkeit in Deutschland höher als erwartet

Für Deutschland fehlen bislang Angaben zur bundesweiten Diabetessterblichkeit. Forscherinnen und Forscher am Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) in Düsseldorf haben nun berechnet, dass im Jahr 2010 insgesamt rund 175.000 Todesfälle mit Diabetes assoziiert sind.

Das Ergebnis der Analyse zeigt, dass in Deutschland weit mehr Menschen an einem Diabetes und dessen Folgeerkrankungen sterben, als in der offiziellen Todesursachenstatistik angegeben wird. In der Ausgabe der Zeitschrift "Diabetes Care" veröffentlichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DDZ ihre Studie über die Anzahl an Todesfällen in Deutschland, die auf eine Diabeteserkrankung und deren Folgen zurückzuführen sind. Weltweit hat sich die Zahl der diabetesbedingten Todesfälle zwischen 1990 und 2010 verdoppelt. Im Jahr 2013 sind schätzungsweise 5,1 Millionen Menschen weltweit und 620.000 Menschen in Europa an einem Diabetes bzw. an diabetesbedingten Folgeerkrankungen gestorben. Damit ist die Lebenserwartung für Menschen mit Diabetes im Durchschnitt um etwa fünf bis sechs Jahre kürzer als bei gleichaltrigen Personen ohne Diabeteserkrankung.

Diese Daten ermöglichen uns neue Möglichkeiten, epidemiologische und versorgungsrelevante Untersuchungen für ganz Deutschland durchzuführen

Wolfgang Rathmann

Die Nutzung der Routinedaten aller gesetzlich krankenversicherten Deutschlands ermöglicht neue Möglichkeiten für die Diabetesforschung.

In Deutschland gab es bislang nur Schätzungen zur diabetesbedingten Sterblichkeit basierend auf regional begrenzten Kohortenstudien und Surveys, bei denen nur wenige Menschen mit Diabetes untersucht wurden. Diese Veröffentlichungen zeigen, dass Menschen mit Diabetes ein bis zu 2,6-faches Sterberisiko im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes haben. Durch die im Jahr 2012 umgesetzten Vorschriften zur Datentransparenz können seit 2014 Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die für den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) zwischen den Krankenkassen gesammelt werden, für Versorgungsanalysen genutzt werden. „Diese Daten ermöglichen uns neue Möglichkeiten, epidemiologische und versorgungsrelevante Untersuchungen für ganz Deutschland durchzuführen“, erklärt PD Dr. Wolfgang Rathmann, Stellvertretender Direktor des Instituts für Biometrie und Epidemiologie am Deutschen Diabetes-Zentrum und Mitglied im Research Coordination Board des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Die Daten umfassen etwa 90% der deutschen Bevölkerung und haben den Vorteil, dass alle Altersklassen abgebildet sind, so Rathmann weiter.

Für die Berechnung der Todesfälle, die in Deutschland auf Diabetes zurückzuführen sind (Exzess-Todesfälle), wurde die Diabetesprävalenz anhand dieser Routinedaten (insgesamt rund 65 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland) für das Jahr 2010 herangezogen. Die Diabeteshäufigkeit (ICD-10 Codes: E10-E14) lag bei 10,1 Prozent, die Prävalenz des Typ-2-Diabetes (ICD-10: E11) bei 7,1 Prozent der GKV-Versicherten. Aufgrund fehlender verlässlicher Schätzungen der Mortalität von Menschen mit und ohne Diabetes wurde die alters- und geschlechtsspezifische relative Mortalität (Mortalität der Menschen mit Diabetes dividiert durch die Mortalität der Menschen ohne Diabetes) aus Dänemark in die Berechnung einbezogen. Die Schätzungen basieren auf dem nationalen Diabetesregister Dänemarks, in dem nahezu alle Menschen mit Diabetes eingeschlossen sind. Dänemark und Deutschland haben ein ähnliches Gesundheitssystem und auch die Diabetesprävalenz ist vergleichbar. Zusammen mit der Alterspyramide und der Sterbetafel für Deutschland vom Statistischen Bundesamt in 2010 wurden die alters- und geschlechtsspezifischen Exzess-Todesfälle berechnet. Dies entspricht der Anzahl der Todesfälle bei Menschen mit Diabetes abzüglich der Todesfälle bei Menschen mit Diabetes, wenn die Mortalität so wäre wie bei Menschen, die keinen Diabetes haben.

Links: Altersspezifische Exzess-Todesfälle von Männern und Frauen bei...
Links: Altersspezifische Exzess-Todesfälle von Männern und Frauen bei diagnostiziertem Diabetes bei Personen über 40 Jahren in Deutschland (2010).
Rechts: Kurve der altersspezifischen Anzahl von Todesfällen aufgrund von diagnostiziertem Typ-2-Diabetes in Deutschland (2010).
Quelle: DDZ

Ergebnis: Die diabetesbedingte Sterblichkeit in Deutschland ist höher als erwartet.

Die Berechnungen ergaben, dass im Jahr 2010 insgesamt 175.000 Todesfälle (Typ-2-Diabetes: 137.950 Todesfälle) hätten verhindert werden können, wenn die Mortalität bei Menschen mit Diabetes genauso wäre, wie bei Menschen ohne Diabetes. Damit waren im Jahr 2010 rund 21 Prozent aller Todesfälle in Deutschland auf Diabetes zurückzuführen. Ein Typ-2-Diabetes war mit 16 Prozent aller Todesfälle assoziiert.

Die meisten diabetesbedingten Todesfälle gab es in der Altersgruppe der 70 bis 89-Jährigen. Der größte Anteil an diabetesbedingten Exzess-Todesfällen trat bei Männern im Schnitt zehn Jahre früher als bei Frauen auf (Anteil der Exzess-Todesfälle bei Männern zwischen dem 70-79 Lebensjahr 38,3 Prozent, bei Frauen zwischen dem 80-89 Lebensjahr 43,7 Prozent). Zudem konnte gezeigt werden, dass die Anzahl der Exzess-Todesfälle bei Männern höher war als bei Frauen (~11.000).

Die Autoren der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass in Deutschland im Jahr 2010 weitaus mehr Menschen an einem Diabetes und dessen Folgeerkrankungen starben als in der offiziellen Todesursachenstatistik abgebildet ist. Für das Jahr 2010 lagen die diabetesbedingten Sterbefälle bei nur 23.000, das entspricht 2,7 Prozent aller Todesfälle in Deutschland.

International zeichnet sich hinsichtlich der Sterblichkeit von Menschen mit Diabetes ein positiver Trend ab. Die Mortalitätsraten sinken seit mehr als 20 Jahren stetig. Gründe hierfür sind u.a. eine verbesserte Versorgung der Menschen mit Diabetes (Medikation, Disease Management Programme) und die verbesserte Prävention und Therapie diabetesbedingter Komplikationen. Inwieweit diese Trends auch auf Deutschland zutreffen, soll durch zukünftige Analysen festgestellt werden.


Quelle: Deutsches Diabetes-Zentrum (DDZ)

09.11.2017

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