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News • Endoprothetik
(Prä-)Diabetes als unterschätzter Risikofaktor beim Gelenkersatz
Menschen mit Typ-2-Diabetes (T2DM) entwickeln nicht nur häufiger eine Arthrose, sie benötigen auch überdurchschnittlich oft ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk.
Gleichzeitig tragen sie ein erhöhtes Risiko für Komplikationen rund um den operativen Eingriff: Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel beeinträchtigt die Wundheilung, fördert Entzündungsprozesse und steigert das Infektionsrisiko – auch schon bei Prädiabetes, der Vorstufe des T2DM. Da ein künstliches Gelenk in der Regel elektiv und damit planbar eingesetzt wird, empfiehlt die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. Menschen mit Diabetes und weiteren Risikofaktoren, ihre Blutzuckerwerte zu kennen und frühzeitig zu optimieren.
Eine sorgfältige Vorbereitung und die enge Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Orthopäden und Anästhesisten sind entscheidend, um das Risiko für Infektionen und Wundheilungsstörungen zu minimieren
Robert Hube
Menschen mit T2DM haben ein deutlich erhöhtes Risiko, eine Knie- oder Hüftarthrose zu entwickeln – nicht allein aufgrund des häufigen Übergewichts. „Der dauerhaft erhöhte Blutzuckerspiegel führt zu Entzündungsprozessen im Körper und schädigt Knorpelzellen im Gelenk“1, erklärt Priv.-Doz. Dr. Stephan Kirschner, Past-Präsident der AE und Direktor der Klinik für Orthopädie in den ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe.
Ein schlecht eingestellter Blutzucker erhöht zudem die Komplikationsrate bei Operationen: Hohe Zuckerwerte schwächen die Immunabwehr und beeinträchtigen die Wundheilung und das Risiko für Protheseninfektionen steigt.
In Deutschland leben etwa 8,7 Millionen Menschen mit diagnostiziertem T2DM sowie schätzungsweise zwei Millionen, die nichts von ihrer Erkrankung wissen2. Weitere 30-40% der Erwachsenen sind von Prädiabetes betroffen – erhöhten Blutzuckerwerten unterhalb der Diabetes-Schwelle3. Auch hier werden bereits kleine Blutgefäße geschädigt, was die Durchblutung und damit die Wundheilung und Infektabwehr beeinträchtigt. „Viele bemerken das nicht, weil Prädiabetes kaum Symptome verursacht“, so Kirschner. Risikofaktoren für Prädiabetes sind unter anderem familiäre Vorbelastung, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, nicht-alkoholische Fettleber sowie Übergewicht – insbesondere ein ausgeprägtes viszerales Fettdepot im Bauchraum. „Dieses aktive Fettgewebe beeinträchtigt die Insulinwirkung und führt zu chronischen Entzündungen im Körper und den Gelenken“, erklärt Kirschner.
Da der Einsatz eines künstlichen Gelenks meist planbar erfolgt, empfiehlt das AE-Komitee „Perioperatives Management“ eine gezielte Vorbereitung von Diabetikern4. Grundsätzlich sollten Patienten auf die Operation vorbereitet werden. Die wichtigsten Aspekte sind5:
- Blutzuckerwerte kennen und senken: angestrebter HbA1c < 7% (idealerweise < 5,6%)
- Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorab abklären und einstellen
- Patient Blood Management (körpereigene Blutreserven stärken, um Bluttransfusionen zu vermeiden oder zu reduzieren) und Anämieabklärung
- Möglichst kein Nikotin und Alkohol sechs Wochen vor OP
- Mangelernährung erkennen und korrigieren
- Moderate körperliche Aktivität und Atemtraining
- Entzündungsherde sanieren: zahnärztliche Untersuchung
- Gewichtsreduktion, falls möglich
- Individuelle OP-Planung: Narkose, Stoffwechselkontrolle, perioperatives Risikomanagement.
„Eine sorgfältige Vorbereitung und die enge Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Orthopäden und Anästhesisten sind entscheidend, um das Risiko für Infektionen und Wundheilungsstörungen zu minimieren“, betont Professor Dr. Robert Hube, Präsident der AE und Chefarzt der Orthopädischen Chirurgie in München (OCM).
Wenn dies gelingt, steht einem erfolgreichen Eingriff aus Sicht der AE wenig im Wege. „Der Gewinn an schmerzfreier Mobilität durch eine erfolgreiche Endoprothesen-Implantation ist enorm – und regelmäßige Bewegung kann sogar dazu beitragen, einen Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes zu verbessern“, ergänzt AE-Generalsekretär Professor Dr. Georgi Wassilew, Direktor der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie am Universitätsklinikum Greifswald.
Literatur:
- Veronese N, Cooper C, Reginster JY, Hochberg M, Branco J, Bruyère O, Chapurlat R, Al-Daghri N, Dennison E, Herrero-Beaumont G, Kaux JF, Maheu E, Rizzoli R, Roth R, Rovati LC, Uebelhart D, Vlaskovska M, Scheen A.Semin Arthritis Rheum. 2019 Aug;49(1):9-19: Type 2 diabetes mellitus and osteoarthritis.
- Diabinfo.de: Diabetes mellitus: Zahlen und Fakten (Abruf am 23.11.2025)
- Tamayo T, Schipf S, Meisinger C, Schunk M, Maier W, Herder C, Roden M, Nauck M, Peters A, Völzke H, Rathmann W. Regional differences of undiagnosed type 2 diabetes and prediabetes prevalence are not explained by known risk factors. PLoS One. 2014 Nov 17;9(11):e113154. doi: 10.1371/journal.pone.0113154. PMID: 25402347; PMCID: PMC4234669.
- Müller M, Weber P: Orthopädie (Heidelb). 2025 Feb;54(2):129-134: Diabetes mellitus und Endoprothetik – was gibt es zu beachten?
- Weber P, Müller M.: Orthopädie (Heidelb). 2025 Feb;54(2):93-94: Perioperatives Management in der Hüft- und Knieendoprothetik
Quelle: AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik
26.11.2025









