Implantate für Knie und Hüftgelenk aus Metall stehen auf einem Tisch

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News • Sensibilisierung gegen Nickel und Chrom im Fokus

Allergisch aufs Implantat? Experten geben Entwarnung

Allergietests haben nur begrenzte Aussagekraft – Implantatwahl muss individuell und mit Augenmaß erfolgen

Viele Menschen mit einer bekannten Nickel- oder Chromallergie sind verunsichert, wenn ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk erforderlich wird. Doch die Sorge vor einer sogenannten Implantatallergie ist oft größer als das tatsächliche Risiko. Denn eine Kontaktallergie auf der Haut ist nicht automatisch gleichbedeutend mit einer Unverträglichkeit gegenüber einem Implantat. Darauf weist die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. anlässlich einer aktuell erschienenen Übersichtsarbeit hin. „Eine positive Reaktion auf Modeschmuck oder ein auffälliger Epikutantest bedeuten zunächst nur, dass eine Sensibilisierung der Haut vorliegt“, erklärt Professor Dr. Georgi Wassilew, Generalsekretär der AE und Direktor der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie an der Universitätsmedizin Greifswald. „Ob der Körper später auf ein Implantat reagiert, lässt sich jedoch nicht vorhersagen – das zeigt sich erst, wenn das Material tatsächlich im Körper ist.“ Die AE empfiehlt deshalb ein stufenweises Vorgehen. Es beinhaltet eine Allgergietestung nur bei klarer Vorgeschichte, den Ausschluss anderer Ursachen bei Beschwerden nach der Operation sowie gegebenenfalls den Einsatz hypoallergener Implantatmaterialien.

[Hypoallergene] Implantate sind keineswegs automatisch die bessere Wahl. Wenn sie vom Operateur nur selten verwendet werden, kann das Risiko von Komplikationen wie Lockerungen steigen

Georgi Wassilew

Eine durch eine künstliche Hüft- oder Knieprothese ausgelöste sogenannte periimplantäre Hypersensitivität unterscheidet sich grundlegend von klassischen Kontaktallergien. Während letztere durch direkten Hautkontakt mit Metallen ausgelöst werden, handelt es sich bei einer Reaktion auf eine Endoprothese um eine immunologische Antwort im umgebenden Gewebe – und diese kann erst entstehen, nachdem ein Implantat eingebracht wurde. Der Nachweis ist zudem schwierig. Er gelingt meist nur durch die histologische Untersuchung von Gewebeproben, bei der entzündliche oder immunologische Reaktionen im Umfeld der Prothese nachgewiesen werden können. 

Routinemäßige Allergietests vor einer Gelenkersatzoperation seien deshalb nicht erforderlich, so Wassilew. Denn Epikutantests (ECT) oder Lymphozytentransformationstests (LTT) können eine Sensibilisierung nachweisen, erlauben aber keine sichere Aussage darüber, ob später eine Reaktion im Gewebe entsteht. 

Die AE empfiehlt daher ein gestuftes Vorgehen: 

  • Testung nur bei klarer Vorgeschichte, etwa bei nachgewiesenen Kontaktreaktionen auf Schmuck oder vorherige Implantate. 
  • Ausschluss anderer Ursachen bei Beschwerden nach der Operation, etwa Infektion oder mechanische Probleme. 
  • Eine „Implantatallergie“ bleibt eine Ausschlussdiagnose, die nur bei entsprechendem klinischem Bild und nach sorgfältiger Abklärung gestellt werden sollte. 

Bei nachgewiesener Sensibilisierung können sogenannte „hypoallergene“ Implantate – etwa mit speziellen Beschichtungen oder auf Titan- bzw. Keramikbasis – eine Option sein. Ihr Einsatz sollte jedoch sorgfältig abgewogen werden: „Diese Implantate sind keineswegs automatisch die bessere Wahl“, sagt Wassilew. „Wenn sie vom Operateur nur selten verwendet werden, kann das Risiko von Komplikationen wie Lockerungen steigen – nicht aufgrund einer Allergie, sondern wegen technischer Probleme und fehlender Routine bei der Implantation.“ Zudem liegen für viele dieser Systeme bislang keine umfassenden Langzeitdaten vor. Ob sie eine vergleichbare Haltbarkeit wie bewährte Standardimplantate erreichen, ist deshalb noch nicht flächendeckend belegt. In die Entscheidung fließen neben der operativen Erfahrung auch noch die Kosten und Materialverfügbarkeit ein. 

„Entscheidend ist eine ehrliche und sachliche Aufklärung. Patienten müssen wissen, dass eine bekannte Hautallergie nicht automatisch ein Risiko für eine Endoprothese darstellt“, so Wassilew. Er spricht sich für eine gemeinsame Entscheidungsfindung aus. „Mit der richtigen Indikation, einer präzisen Operationstechnik und der passenden Materialwahl können wir in der Endoprothetik heute hervorragende Ergebnisse erzielen – auch bei sensibilisierten Menschen. Es besteht jedoch weiterer Forschungsbedarf – insbesondere zu Zusammenhängen zwischen Sensibilisierung, Beschwerden und Implantatversagen.“ Die AE setzt sich deshalb für mehr Forschung für eine bessere Integration histopathologischer Daten in Register und eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit ein, um Implantate noch sicherer zu machen. 


Quelle: AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik 

04.12.2025

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