MR & Leber

Dem "Cancer of unknown primary" auf der Spur

Neuroendokrine Tumoren des Magen-Darm-Trakts und der Bauchspeicheldrüse treten mit einer Inzidenz von 1 bis 2 pro 100.000 Einwohner in Deutschland auf. Die Klassifikation als gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumor (GEP-NET) erfolgt nach der jüngsten WHO-Klassifikation von 2010. Mit PD Dr. Wieland Sommer, Arzt am Institut für Klinische Radiologie des Klinikums der Universität München, sprachen wir über den Stellenwert der MRT bei der Detektion der Erkrankung.

Entsprechende axiale Schicht eines PET-CT mit 68Ga-DOTATATE, einem Tracer, der...
Entsprechende axiale Schicht eines PET-CT mit 68Ga-DOTATATE, einem Tracer, der spezifisch an den Somatostatinrezeptor bindet, der auch in neuroendokrinen Tumoren vorkommt.
Axiale T1 gewichtete Sequenz (links) in der hepatozellulären Spätphase, 20...
Axiale T1 gewichtete Sequenz (links) in der hepatozellulären Spätphase, 20 min nach Injektion eines leberspezifischen Kontrastmittels (Gd-EOB-DTPA). Es zeigen sich multiple, teilweise kleinste Lebermetastasen eines neuroendokrinen Tumors

Die Rolle der MRT in der multimodalen Bildgebung
„Neuroendokrine Tumoren sind das klassische Metier für eine multimodale Bildgebung, bei denen auch verstärkt nuklearmedizinische Verfahren zur Anwendung kommen. Die MRT eignet sich besonders gut für die Beurteilung von Metastasen in der Leber, weniger für die primäre Tumorsuche. Metastasen können frühzeitig auftreten, noch bevor der Primärtumor diagnostiziert wurde und Beschwerden hervorgerufen hat“, erläutert PD Dr. Wieland Sommer. Symptomatisch werden die Patienten also häufig erst aufgrund der Lebermetastasen. Die Therapie von metastasierten neuroendokrinen Tumoren zielt insbesondere auf den Funktionserhalt der Leber bei einem in der Regel recht langsam wachsenden Primärtumor ab. Doch nicht immer lassen sich Metastasen in der Leber klar zuordnen, denn viel häufiger stammen Lebermetastasen von einem Kolonkarzinom oder sonstigen Tumoren im Magen-Darm-Trakt als von neuroendokrinen Tumoren. „Es gibt zwar einige Auffälligkeiten der GEP-NET-Metastasen in der Leber, wie die Hypervaskularisation, aber da diese Tumoren sehr selten sind, wird bei einigen Patienten nicht entdeckt, dass neuroendokrine Tumoren die Ursache der Metastasen sind, denn der Primärtumor bleibt häufig okkult“, so Sommer. Dieses Krankheitsbild mit Metastasen, aber unbekanntem Primärtumor wird auch als Cancer of Unknown Primary (CUP) bezeichnet. Durch die verbesserte Bildgebung der vergangenen Jahre kann bei der Tumorsuche mit PET-CT und MRT häufig ein neuroendokriner Tumor als Primärtumor diagnostiziert werden. Auch dadurch ist die steigende Prävalenz neuroendokriner Tumoren in den vergangenen Jahrzehnten zu erklären.

Größere Probleme bereitet die Detektion der Metastasen von hormoninaktiven Tumoren. Diese Patienten kommen häufig erst relativ spät in ein tertiäres Zentrum und leiden dann schon an einer diffusen Lebermetastasierung. Denn nur bei etwa einem Drittel bis zur Hälfte der Patienten geht der endokrine Tumor auch mit einer Hormonüberproduktion einher, wie zum Beispiel einer übermäßigen Ausschüttung von Serotonin, die zu Bauchkrämpfen, Stuhlunregelmäßigkeiten oder Herzrhythmusstörungen führen kann. Im Münchner Zentrum werden die Metastasen in einer etwa halbstündigen MRT-Untersuchung mit einem leberspezifischen Kontrastmittel detektiert. Dabei wird das Kontrastmittel von den Hepatozyten in der Spätphase aufgenommen und in den Leberzellen verstoffwechselt. „Nach 20 Minuten kann in den Leberzellen so ein erhöhtes Signal durch die Kontrastmittelaufnahme gemessen werden, aber nicht in den Tumorzellen, da diese kein Kontrastmittel aufnehmen. Gerade bei endokrinen Tumoren mit extrem diffusen und kleinsten Metastasen von 2 bis 3 Millimetern Größe, die aber tausendfach vorhanden sein können, hat sich die kontrastmittelgestützte MRT als das sensitivste Verfahren, als der Goldstandard herausgestellt. Weder im CT noch im PET-CT oder sonographisch sind Metastasen so gut erkennbar, obwohl konkrete Zahlen über die Sensitivität der MRT bislang noch nicht vorliegen“, schildert Dr. Sommer und fährt fort: „Bedauerlicherweise fehlen dazu bisher groß angelegte Studien, möglicherweise weil die Patientenpopulation zu gering ist.“

 

Weitere Einsatzmöglichkeiten der MRT
Abgesehen von der Untersuchung der Leber eignet sich die MRT vor allem auch für die Therapiekontrolle und die Bildgebung des Magen-Darm-Trakts und des Pankreas, wo der Primarius häufig sitzt. Während bei der Tumordetektion im Pankreas CT und MRT in etwa gleich sensitiv sind und die PET-CT hier erst kürzlich sehr gute Ergebnisse gezeigt hat, eignet sich die MRT insbesondere für das Aufspüren von Tumoren im Dünndarm. Mit speziellen Protokollen wie dem Verfahren nach Sellink kann dieser nur schwer zugängliche Teil des Darms besser dargestellt werden als mit endoskopischen Verfahren. „Über eine Nasensonde werden dem Patienten mehrere Liter Methylzellulose verabreicht, bis der gesamte Dünn- und Dickdarm damit gefüllt ist. Dann lässt sich auch der Darm im MRT gut darstellen und kleinste Läsionen werden sichtbar“, schildert der Privatdozent. Allerdings räumt er ein, dass dieses Verfahren sehr aufwendig ist und viele Patienten die Untersuchung als belastend empfinden. „Insgesamt sind neuroendokrine Tumoren ein gutes Beispiel für den Einsatz multimodaler Bildgebung, wobei nuklearmedizinische Verfahren ebenfalls an Bedeutung gewinnen. Gerade bei der Entdeckung des Primarius nimmt der Stellenwert der PET-CT in den vergangenen fünf Jahren zu. Denn die Tracer binden sich selektiv nur an neuroendokrine Tumorzellen. Und kann der Primärtumor mit anderen Verfahren nicht entdeckt werden, ist die PET-CT die Methode der Wahl.“

 

PROFIL
PD Dr. Wieland Sommer studierte Medizin in Heidelberg, Berlin, Madrid und Lausanne. Am Institut für Klinische Radiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München absolvierte er seine Facharztausbildung zum Radiologen. Im Jahr 2011 habilitierte er sich mit einer Arbeit über „Neue Technologien der CT-Angiographie im Bereich der Aorta und der Becken-Bein-Strombahn“. Im Jahr 2011 nahm er an der Harvard School of Public Health, Boston, das Studium für den Master of Public Health auf. Seine Studien und Forschungsarbeiten wurden mit zahlreichen Stipendien unterstützt; im vergangenen Jahr erhielt er unter anderem den Magna Cum Laude Award für seinen Vortrag „ISMRM 2012: Predictive value of MRI – perfusion parameters in patients with liver metastases“.

 

 

 

22.01.2015

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