Artikel • Hybridtechnik

Das Ruhrgebiet als „Keimzelle“ der Nuklearmedizin

Vor sieben Jahren installierte die Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Essen das erste PET-CT System Deutschlands. Mittlerweile gehört die Hybridtechnologie zwar zur klinischen Routine, sowohl Technik als auch die Erforschung neuer Marker entwickeln sich jedoch rasant – und mit ihnen die Einsatzgebiete sowie die fachlichen Anforderungen.

© Klinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Essen

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Prof. Dr. Dr. Andreas Bockisch, Direktor der Klinik für Nuklearmedizin in Essen

Einer, der bei diesen Entwicklungen nicht nur Schritt hält, sonder sie aktiv antreibt, ist Prof. Dr. Dr. Andreas Bockisch, Direktor der Klinik für Nuklearmedizin in Essen und Vorsitzender der Themenreihe „Neue Technologien“ auf dem diesjährigen RadiologieKongress Ruhr. „Derzeit genießt PET-CT eine enorm hohe Aufmerksamkeit, sowohl von seiten der Anwender auch als von seiten der Industrie – es ist das sich am schnellsten ausbreitende bildgebende Verfahren. Entsprechend groß ist auch das Engagement, die Technologie der Systeme voranzutreiben. Hier in Essen haben wir vor sieben Jahren mit einem einzeiligen PET-CT angefangen, inzwischen gehören 64 Zeilen zum Standard. Aber auch die PET-Technologie ist deutlich vorangeschritten und die räumliche Auflösung wurde verglichen mit den ersten Geräten nahezu halbiert. Wir stehen also vor einer Vielzahl neuer Chancen und Ziel des Kongresses ist es, den Besuchern diese aufzuzeigen“, verspricht Bockisch.

Mittlerweile steht Jod-124 an der Schwelle zum breiten klinischen Einsatz – womit auch das Schilddrüsenkarzinom künftig im PET sichtbar wird

Andreas Bockisch

Eine dieser Möglichkeiten ist das Entdecken immer kleinerer Strukturen, was einerseits die Detektionsrate kleiner Tumore erhöht, andererseits aber auch mehr Raum für falsche positive Befunde bietet. Bei der Kombination PET-CT eine besondere Herausforderung, denn, so Bockisch: „Auch wenn die Technologien kombiniert sind, die Befundung findet nach wie vor separat statt. Anschließend werden empirische Abwägungen unternommen, welche Bedeutung die beiden separaten Befunde haben. Wissenschaftlich gibt es hier bereits erste Ansätze, einen Algorithmus zu ermitteln, der eine Beurteilungsregel auf der Basis unserer Untersuchung erstellt.“

Grenzen werden der Hybridtechnik heute insbesondere durch den Mangel an spezifischeren Markern gesetzt. FDG als derzeitiger Standardmarker schließt die Nutzung des PET-CT beim Nierenzellenkarzinom oder beim differenzierten Prostatakarzinom beispielsweise aus. Die Erforschung neuer Marker hat in der Nuklearmedizin darum höchste Priorität: „In Essen nutzen wir beim differenzierten Prostatakarzinom heute standardmäßig Cholin. Darüber hinaus stellen wir Jod-124 her und haben es intensiv evaluiert. Mittlerweile steht es an der Schwelle zum breiten klinischen Einsatz – womit auch das Schilddrüsenkarzinom künftig im PET sichtbar wird. Vielversprechend ist auch der Einsatz von Fluorid im Bereich der Skelettszintigramme, wobei der Einsatz von Fluorid derzeit noch sehr kostspielig ist,“ nennt Bockisch nur einige Beispiele der „hauseigenen“ Markerproduktion, dessen Spektrum sich in den letzten sieben Jahren verdreifacht hat. Und nicht nur in Essen hat die Entwicklung neuer Tracer hohe Priorität, weltweit gibt es Forschungen beispielsweise für die Alzheimer Früherkennung, zur Differenzierung von vulnerablem und stabilem Plaque und natürlich im therapeutischen Bereich.

PET-CT eines Patienten mit GIST unter Gleevec-Behandlung. Links sind noch die...
PET-CT eines Patienten mit GIST unter Gleevec-Behandlung. Links sind noch die multiplen Lebermetastasen im CT erkennbar. Die FDG-PET (farbig überlagert) zeigt allerdings keinerlei Stoffwechselaktivität in den Metastasen. Somit ist
das sehr gute Ansprechen der Metastasen auf die Gleevec-Behandlung belegt. Rechts zeigt sich eine intensive FDG-Anreicherung im Bereich des resezierten Primarius, somit Lokalrezidiv, das nicht auf Gleevec reagiert. Im CT war eine Differenzierung Rezidiv – Narbe nicht möglich.

© Klinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Essen

Nach heutigem Stand ist PET-MR im praktischen Alltag wirklich noch Zukunftsmusik

Andreas Bockisch

Eine wachsende Vielfalt an immer spezifischeren Substanzen lässt schließlich den Kern der Nuklearmedizin in den Vordergrund treten: Die Funktionsdiagnostik. Denn die zunehmend wichtige Frage wird nicht mehr lauten: Karzinom ja oder nein? Vielmehr muss stärker als bisher die Biologie der Tumore hinterfragt werden, um genau das Radiopharmazeutikum einzusetzen, das diese Biologie sichtbar macht. Was diesen Punkt betrifft, ruhen die Hoffnungen ebenfalls auf PET-MR. „Auch die neueste Hybridtechnologie wird Kongressthema sein und wir geben Ausblicke, was PET-MR bringen wird, wenn es denn zum klinischen Einsatz kommt“, so Bockisch „das große Manko ist derzeit noch, dass das MR keine Strahlenschwächung misst und nicht die für PET Aufnahmen notwendige Schwächungskorrektur vornehmen kann. Nach heutigem Stand ist PET-MR im praktischen Alltag wirklich noch Zukunftsmusik.“

Hoch aktuell ist dagegen der Austausch zwischen der Nuklearmedizin und den patientenbetreuenden Ärzten hinsichtlich der Funktionszustände der Patienten, der letztlich die Grundvoraussetzung für den effektiven Einsatz neuer Technologien ist.

23.10.2008

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