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Bisher gibt es kein verlässliches Verfahren, um Lungenkrebs früh zu diagnostizieren.
Eine Kombination verschiedener diagnostischer Verfahren könnte in Zukunft ein gangbarer Weg sein.
Unabhängig von der Chance auf die Einführung eines gesetzlich legitimierten Screening-Programms gilt nach wie vor: Nichtrauchen ist die einzige Prävention gegen Lungenkrebs, sagt Prof. Stefan Diederich, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Marien-Hospital in Düsseldorf im Gespräch mit radiologia bavarica.
Jährlich erkranken fast 34.000 Männer und mehr als 15.000 Frauen an einem Lungenkarzinom. Damit ist Lungenkrebs in Deutschland die bei beiden Geschlechtern dritthäufigste Form der Krebserkrankung. „In 85 von 100 Fällen verläuft die Erkrankung tödlich und der Krankheitsverlauf ist meist deprimierend“, sagt der Experte. Die amerikanische NLST-Studie aus den vergangenen Jahren erbrachte deutliche Hinweise, dass sich Lungenkarzinome im Frühstadium mithilfe der CT früher diagnostizieren lassen. Prof. Diederich sieht jedoch die besten Chancen für eine praktikable und finanzierbare Früherkennung durch eine Kombination verschiedener diagnostischer Verfahren sowie in einem engen Schulterschluss zwischen Pneumologen und Radiologen.
„Denkbar wäre, die Untersuchung des Blutes oder des Sputums als Filter vor der Durchführung einer CT zu nutzen. Es gibt auch erste Ansätze zur Nutzung der Ergebnisse von Atemgasanalysen, diese Forschung ist allerdings erst am Anfang“, sagt Diederich. Entscheidend für den Erfolg einer Untersuchung zur Früherkennung ist in jedem Fall ein Verfahren, das schnell, preiswert und einfach durchzuführen ist.
Jenseits des Mammographie-Screenings gibt es in Deutschland bisher keine gesetzliche Grundlage für die Anwendung von Röntgenstrahlen bei Menschen ohne Krankheitssymptome. Hier befinden sich Mediziner und Patient allerdings in einer Grauzone, denn ob ein Patient tatsächlich Beschwerden hat, ist für den Mediziner letztendlich nicht nachprüfbar. Insofern ist es möglich, dass einige besorgte Raucher und finanziell motivierte Mediziner sich auf die Durchführung einer CT als IGeL-Leistung einigen werden.
„Die Durchführung einer Lungen-CT als Selbstzahlerleistung birgt natürlich Risiken“, erklärt Prof. Diederich. „Radiologen ohne die nötige onkologische Erfahrung und Qualifikation laufen Gefahr, Fehldiagnosen zu stellen. In der großen Mehrheit der Fälle – die Quote liegt bei etwa 95 Prozent – sind die gefundenen Veränderungen gutartig. Normalerweise geht man davon aus, dass nur bei Tumoren größer als 10 Millimeter eine unmittelbare weitere Diagnostik bis hin zur Gewebeuntersuchung erforderlich ist. Entscheidend sind das Wissen um diese Tatsache sowie die Fertigkeit, die Unterscheidung durch bildgebende Verfahren zu treffen und durch regelmäßige Untersuchungen das Wachstum des potenziellen Karzinoms zu beobachten“, so Diederich weiter. Besorgte Patienten laufen also Gefahr, dass bei ihnen fälschlicherweise Lungenkrebs diagnostiziert wird und dass sie sich schlimmstenfalls einer riskanten und darüber hinaus unnötigen Operation unterziehen.
„Im Regelfall wird bei einem malignen Tumor der gesamte betroffene Lungenlappen entfernt. Der Patient sollte daher sehr genau darüber informiert sein, dass dieser Eingriff auch bei der Durchführung einer CT-Früherkennung in den meisten Fällen nicht zur Heilung führt“, sagt Diederich. Ein weiterer wichtiger und nicht ganz unproblematischer Faktor sind die Kriterien, nach denen die Risikogruppe ausgewählt wird. „Bei Studien erleben wir, dass sich häufig nicht diejenigen mit dem größten Risiko melden, sondern diejenigen, die besonders besorgt sind. Die besonders Besorgten sind meist eher jüngere Frauen, die noch nicht so lange rauchen, obwohl die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung bei Männern und vor allem älteren Menschen beiden Geschlechts wesentlich höher ist“, erklärt Diederich.
Das entscheidende Kriterium zur Auswahl der Risikogruppe sind die Packungsjahre, also die Anzahl der Jahre als Raucher und die Menge der Zigaretten, die potenzielle Lungenkrebspatienten in dieser Zeit geraucht haben. „Auch hier gibt es Raum für Fehler und Ungenauigkeiten. Es spielt eine Rolle, ob Zigaretten mit oder ohne Filter geraucht wurden, ob der Rauch tief inhaliert wurde oder die Betroffenen eher gepafft haben. Und natürlich sind wir bei den Packungsjahren generell immer auf subjektive Schätzungen des Patienten angewiesen“, so Diederich. Im Hinblick auf die amerikanische Studie gibt Diederich weiter zu bedenken, dass trotz der relativ hohen Quote der Früherkennung durch das CT-Screening nur ein geringer Prozentsatz der Patienten tatsächlich eine Chance auf Heilung hat. Insofern kann die Frühdiagnose auch dazu führen, dass Krebspatienten, die sich trotz eines bereits vorhandenen Lungenkarzinoms als gesund empfunden haben, nun früher als Krebspatienten behandelt werden, die damit verbundenen Einschränkungen der Lebensqualität in Kauf nehmen müssen und am Ende doch ihrer Krankheit zum Opfer fallen. Eine enge Zusammenarbeit von Pneumologen und Radiologen ist laut Prof. Diederich von besonderer Bedeutung.
„Das primäre Interesse der Kollegen aus der Pneumologie ist verständlicherweise eine Verbesserung der oft desolaten Situation von Lungenkrebspatienten. Der Früherkennung kommt hier eine besondere Bedeutung zu, denn in einem späten Stadium ist die Erkrankung nur in seltenen Fällen heilbar“, so der Professor. Ein häufig auftretendes Problem bei Lungenkrebspatienten sind Begleiterkrankungen wie chronische Bronchitis und Emphyseme. In solchen Fällen ist es oft nicht möglich, das Lungenkarzinom durch das Entfernen des befallenen Lungenlappens zu behandeln. Die Diagnose von Begleiterkrankungen, die sich entscheidend auf den weiteren Behandlungsverlauf auswirken können, fällt in das Gebiet der Pneumologen. Die pneumologische Untersuchung erfüllt also die Aufgabe eines Filters. Für die Früherkennung von Lungentumoren ist deshalb die gute Zusammenarbeit mit den Pneumologen eine sehr wichtige Voraussetzung. Doch abschließend gilt: Die beste Prävention des Lungenkarzinoms ist, nicht zu rauchen, denn Lungenkrebserkrankungen von Nichtrauchern, die auch nicht durch Kollegen, Partner oder Familienmitglieder zum Passivrauchen gezwungen sind, sind sehr selten.
I M P R O F I L
Prof. Dr. med. Stefan Diederich trat seine Stelle als Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Marien-Hospital in Düsseldorf im Jahr 2002 an. Seine medizinische Laufbahn begann 1987 als Arzt bei den deutschen Streitkräften im Rahmen seines Wehrdienstes. Prof. Diederich studierte Medizin an den Universitäten Heidelberg und Münster. In Münster promovierte er auch, und zwar am Institut für Klinische Radiologie unter Prof. Dr. med. P. E. Peters. Im Jahr 2004 wurde Prof. Diederich als außerordentlicher Professor an die Universität Münster berufen. Er ist Träger des Hanns-Langendorff- sowie des Felix-Wachsmann-Preises der Deutschen Röntgengesellschaft. Prof. Diederich ist verheiratet und Vater zweier Töchter.
24.09.2012