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CT der Zukunft: Die Software-Revolution
Heute wird Software in der Computertomographie vor allem angewendet, um die Bildqualität zu verbessern. In Zukunft aber wird CT-Software uns Dinge tun lassen, die wir vorher nicht tun konnten, weissagt Prof. Dr. Mathias Prokop, Leiter der Radiologischen Abteilung an der Radboud Universitätsklinik in Nijmegen, Niederlande.
Bericht: Karoline Laarmann
Wenn diese Softwareverfahren halten, was sie versprechen, sind sie besser als jede Lösung, die wir uns bisher ausmalen konnten
Mathias Prokop
Und sie wird Aufgaben übernehmen, die bisher dem Radiologen vorbehalten waren. Der wachsende Stellenwert der Softwaretechnik ist derzeit am sichtbarsten im Bereich der Bildrekonstruktion. In kürzester Zeit haben iterative Rekonstruktionsverfahren die gefilterte Rückprojektion, die fast vierzig Jahre lang im klinischen Einsatz war, abgelöst. Die modernsten Verfahren arbeiten mit ausgeklügelten rohdatenbasierten Algorithmen zur Unterdrückung des Bildrauschens. Dadurch wird es möglich, die Strahlendosis bei ausreichender Bildqualität drastisch zu senken.
Doch die Entwicklung ist längst nicht abgeschlossen, sondern nimmt mit der modellbasierten iterativen Rekonstruktion (MBIR) gerade erneut an Fahrt auf. Dieser weiterführende Rekonstruktionsalgorithmus erlaubt neben einer noch besseren Bildqualität zusätzlich auch weniger Artefakte. „Die Reduktion von kardialen Bewegungsartefakten erfolgte bisher über eine EKG-Synchronisation der Datenerfassung, schnellere Rotationszeiten und den Einsatz von Systemen mit zwei Röntgenröhren“, erklärt Mathias Prokop. „Inzwischen werden Softwareverfahren entwickelt, die deutlich besser funktionieren als derartige Hardware-Lösungen und die zeitliche Auflösung in die Größenordnung von 20 Millisekunden zurückdrängen. Das ist eine Zeitauflösung, die auch mit den modernsten Dual-Source-Scannern nicht realisierbar ist. Wenn diese Softwareverfahren halten, was sie versprechen, sind sie besser als jede Lösung, die wir uns bisher ausmalen konnten.“
In Zukunft sind zwei wichtige Hardware-Innovationen zu erwarten, die laut Prokop die Entwicklung neuer Softwarelösungen vorantreiben werden und das Potential haben, die CT zu revolutionieren. Die eine Innovation, die Photon-Counting-Detektoren, sind bereits im Prototypstadium: „Diese photonenzählenden Detektoren haben den Vorteil, dass sie kein Elektronikrauschen erzeugen und daher die Möglichkeit bieten, über längere Aufnahmezeiten Dosis akkumulieren zu können, ohne dass ein disproportional hohes Bildrauschen entsteht. Letztendlich sind sie aber nur Mittel zum Zweck; den eigentlichen Mehrwert wird die Software bringen. Durch sie werden wir Dinge tun können, die wir heute noch nicht tun können, zum Beispiel funktionelle Informationen über Perfusion, Ventilation und Bewegung gewinnen.“
Die andere Innovation, die Phasen-Kontrast-CT, steht noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung. Sie stellt eine völlig neue Art der Röntgenbildgebung dar, bei der nicht nur die Absorptionseigenschaften, sondern auch die Phasenverschiebung und Streuung der Röntgenstrahlen im Gewebe berücksichtigt werden. „Wir haben dadurch andere Kontraste und können mehr Dinge sehen; aber was genau wir mit dieser Bildgebungsmethode sehen können, wissen wir noch nicht“, erklärt Prof. Prokop. „Womöglich lassen sich für einige Anwendungen Superauflösungen im Nanometer-Bereich erzielen. Bisher liegen aber nur Forschungsergebnisse am Kleintiermodell und an Präparaten vor. Diese Ergebnisse sind zwar äußerst vielversprechend, doch es ist zum jetzigen Zeitpunkt noch ungewiss, in welchem Maß das Verfahren jemals auf den Menschen übertragen werden kann. Auch welche neuen Software-Anwendungen in diesem Zusammenhang entstehen könnten, wird sich dann erst zeigen. Aber das Potential ist enorm.“
Was für Prokop jedoch heute schon feststeht, ist, dass die Computerprogramme der Zukunft mehr leisten werden, als lediglich bessere medizinische Bilder zu liefern. Künstliche Intelligenz-Systeme sind auf dem besten Wege, selbständig Bilder interpretieren und Differentialdiagnosen erstellen zu können. „Das Paradigma der letzten Jahrzehnte lautete: Die besten Computer beurteilen die Bilder besser als ein wenig geschulter Radiologe, der erfahrene Radiologe deutlich besser als der Computer und der Radiologe zusammen mit dem Computer besser als der erfahrene Radiologe. Inzwischen macht der Computer die Arbeit allein am besten und das Ergebnis der Bildbeurteilung verschlechtert sich, sobald der Radiologe sich einmischt. Wir müssen also darüber nachdenken, was in Zukunft unsere Rolle sein wird. Ich glaube, dass wir vielmehr als Ratgeber arbeiten müssen, die Klinikern und Patienten ein echter Ansprechpartner sind. Unsere Aufgabe wird es sein, dorthin zu sehen, wo ein Computeralgorithmus nicht hinschaut.“
Profil:
Mathias Prokop ist seit 2009 Professor für Radiologie an der Radboud Universität Nijmegen und Leiter der Abteilung Radiologie und Nuklearmedizin. Er kam 2002 mit seiner Ernennung zum Professor für Radiologie an der UMC Utrecht in die Niederlande. Prokop ist Experte für Körperbildgebung mit besonderem Fokus auf Mehrschicht-CT und neue Bildgebungstechnologien. Als einer der ersten Anwender der verschiedenen Generationen von Mehrschicht-CT-Scannern arbeitet er an neuen und verbesserten Bildgebungsanwendungen. Er war stellvertretender Vorsitzender der Niederländischen Röntgengesellschaft und wurde u.a. von der Radiological Society of North America und der Deutschen Röntgengesellschaft mehrfach ausgezeichnet.
15.01.2018