Kardiologie
CT-Angiographie: Weniger ist mehr
Eine Methode zur objektiven, weil visuellen Einschätzung des kardiologischen Risikos ist die Angio-CT. Aufgrund ihrer validen Befundungsergebnisse können Behandlungskosten reduziert werden.
Geringere Strahlendosis, verminderte Kontrastmittelmengen, niedrigere Röhrenspannungen und neue Technologien haben zur Folge, dass die Invasivität der Untersuchung sinkt und damit die Anwendung in der Breite steigt. Hat die CTA als präventives Screeningverfahren vor diesem Hintergrund eine Chance? Professor Dr. Uwe Joseph Schöpf ist zuversichtlich: „Zumindest sind wir erstmals in der Lage eine Datenlage zu diesem Thema zu schaffen.“ Schöpf ist Professor für Radiologie, Kardiologie und Kinderheilkunde und Direktor der Abteilung für Kardiovaskuläre Bildgebung der Medizinischen Universität South Carolina.
Selektives Verfahren
Im Rahmen der Angio-CT erweisen sich vermeintliche High-Risk-Patienten oft als Trugschluss, eine Tatsache, die direkte Auswirkungen auf die Behandlungskosten haben kann. Eine Langzeitbehandlung zur Modifizierung der Risikofaktoren mithilfe einer rigorosen Lipideinstellung kann zum Beispiel bei Patienten dann hinfällig werden, wenn sie trotz erhöhter Blutfettwerte bei der Angio-CT keine Anzeichen einer Arteriosklerose aufweisen. Das bildgebende Verfahren gibt also Aufschluss darüber, bei welchen Patienten Prävention und Therapie tatsächlich notwendig und hilfreich sind. „Ein wichtiger Beitrag zur Kosteneffizienz – und das ausgerechnet durch die bildgebenden Verfahren, die immer wieder ins Visier geraten, wenn es um Einsparpotenziale geht“, meint der Herzspezialist.
Prospektive Triggerung hilft bei der Dosisreduktion
High-Risk oder nicht? Hat der Patient eine Stenose in den Koronararterien und wenn ja, wie stark ist die Arteriosklerose ausgeprägt? Das sind wichtige Fragen für Herzpatienten, wobei zur Abklärung 80 bis 90 Prozent der Patienten robust und diagnostisch präzise mithilfe eines prospektiv getriggerten Protokolls (etwa 1 bis 3 mSv) untersucht werden können. Das Verfahren ist zuverlässig und funktioniert relativ unabhängig von der Herzrate des Patienten. 80 bis 110 Schläge pro Minute stellen kein Problem dar und zeigen bei annähernder Regularität keine Bewegungsartefakte. „Voraussetzung ist das Triggern in der Systole statt in der Diastole – ein wichtiger Punkt, der leider noch nicht allen Anwendern bekannt ist“, erläutert Schöpf. Kontrastmittel kommen zum Einsatz, wenn es um die Detektion von Stenosen oder die Gesamtdarstellung des Umfangs der arteriosklerotischen Veränderungen inklusive der nicht präzisierten koronaren Plaques geht. Eine weitere Dosisreduktion ermöglicht die Hochgeschwindigkeits-CT, die aber derzeit nur bei Patienten mit geeigneten Herzraten eingesetzt wird.
Dreh- und Angelpunkt: niedrigere Röhrenspannung
Die Strahlendosis ist auch abhängig von der Röhrenspannung sowie natürlich der Konstitution des Patienten. „Bei einem normal gebauten Patienten und einer rein prospektiv getriggerten Untersuchung sowie einer Röhreneinstellung von 100 kV liegen wir häufig bei einer Strahlenexposition von 1 mSv und darunter“, erklärt der Radiologe. Die individuelle Anpassung der Röhrenspannung an den Patienten ist eine wichtige und gleichzeitig sehr einfache Stellschraube, um die Strahlenbelastung effektiv zu reduzieren. Die Röhrenspannung beeinflusst zudem die Signalübertragung des Kontrastmittels: Je geringer die Spannung, desto stärker das Signal und desto weniger Kontrastmittel muss verabreicht werden. Prof. Schöpf: „Eine komplette Herz-Angiographie bei 80 kV kann derzeit bereits oft mit 30 ml Kontrastmittel durchgeführt werden.“
Neue Technologien auf dem Vormarsch
Nachdem – vor allem in den USA – ein Umdenken stattgefunden hat, in dessen Verlauf die Strahlendosis immer stärker in den Fokus rückte, werden zurzeit ganz gezielt und mit Erfolg Technologien entwickelt, die mit stark reduzierten Spannungen arbeiten und zwar unabhängig von der Konstitution der Patienten. „Inzwischen gibt es sogar Verfahren, bei denen die für den jeweiligen Patienten optimierte Röhrenspannung automatisch ermittelt wird. Das vor allem in den USA der Einfachheit halber gerne eingesetzte Standardprotokoll mit 120 kV ist damit Schnee von gestern“, freut sich Schöpf. Ein weiterer limitierender Faktor, die Röhrenspannung herunterzufahren, war bis vor Kurzem die tatsächliche Kapazität der Röntgenröhren. Nur bei sehr schlanken Individuen gelang es, genug Stromstärke zu entwickeln, um den Patienten mit einer geringen Spannung untersuchen zu können. „Auch dieses technische Problem konnte gelöst werden, so dass die niedrigen Röhrenspannungen nun auf breiter Ebene zum Einsatz kommen können.“
Bildgebung als präventives Screening?
Nach Ansicht Schöpfs sind es vor allem drei Faktoren, die zur Folge haben, dass die Invasivität der Angio-CT stetig sinkt und gleichzeitig immer mehr Patienten von dem Verfahren profitieren können: erstens die reduzierte Strahlendosis, zweitens die verminderte Kontrastmittelgabe und drittens die niedrigere Röhrenspannung, die solche Strategien erst ermöglicht hat. „Angesichts dieser technischen Entwicklungen sollten wir ernsthaft über die Möglichkeiten des präventiven Einsatzes der Bildgebung als Screeningverfahren nachdenken“, konstatiert der Experte. Ob die Kardio-CT am Ende als Verfahren geeignet sein wird, um eine Risikostratifizierung zu betreiben und medikamentöse Therapien festzulegen, ist angesichts der nicht vorhandenen Datenlage nicht sicher vorhersehbar. Andererseits stehen Techniken und Verfahren mit geringer Invasivität zur Verfügung. „Es liegt also an uns, den Einsatz der Herz-CT zu untersuchen und eine Datenlage zu schaffen, mit der die Tauglichkeit des Verfahrens abschließend bewertet werden kann“, so Prof. Schöpf.
Prospektiv EKG-getriggerte ultra-schnelle Koronar CT Angiographie des Herzens, durchgeführt mit 70 kV, 30 ml Kontrastmittel und iterativer Rekonstruktion, erlaubt die Diagnose einer Stenose des proximalen Ramus Interventrikularis Anterior mit einer effektiven Strahlendosis von 0.17 mSv
IM PROFIL
Aufgewachsen in München, studierte Prof. Dr. Uwe Joseph Schöpf in der bayrischen Landeshauptstadt Medizin und absolvierte seine Facharztausbildung am Institut für
Klinische Radiologie am Klinikum Großhadern der Ludwig- Maximilians-Universität. 2001 verließ er Bayern in Richtung Amerika, im Gepäck sein leidenschaftliches Interesse für kardio-thorakale Bildgebung und mit im wahrsten Sinne des Wortes bereits ausgezeichneten Kenntnissen. Schöpf zog an die Ostküste der USA und arbeitete bis 2004 in Massachusetts als Radiologe am Brigham & Women’s Hospital der Harvard Medical School. Inzwischen ist er in Charleston Professor für Radiologie, Kardiologie und Kinderheilkunde und Direktor der Abteilung für Kardiovaskuläre Bildgebung der Medizinischen Universität South Carolina und längst ein viel gefragter Spezialist der CT- und MR-Diagnostik – eine Herzensangelegenheit für seine Patienten und ihn.
27.01.2014