News • Schnellere Behandlung

COVID-19: Mediziner fordern Medikamenten-Finanzierung für Kliniken

Die Auslastung mit Corona-Patienten in deutschen Kliniken kann im kommenden Winter sehr deutlich reduziert werden, wenn der Bund ab sofort wieder in die Finanzierung der Behandlung mit dem Medikament Remdesivir einsteigt. Zu diesem Schluss kommen führende Medizin-Fachgesellschaften.

Porträt Torsten Bauer
Fordert eine zugesicherte Finanzierung für COVID-19-Medikamente in Kliniken: DGP-Präsident Prof. Torsten Bauer.
Quelle: Mike Auerbach

„Bei zugesicherter Kostenübernahme würde Remdesivir – das schwere COVID-19-Verläufe nachweislich deutlich reduziert – in allen Kliniken leitliniengerecht eingesetzt werden können. Das führt zu weniger COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen und so zu mehr Kapazitäten für andere notwendige Behandlungen“, sagt Professor Torsten Bauer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) sowie der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) kritisiert die DGP, dass sowohl die gesetzlichen als auch die privaten Krankenversicherungen Ende 2021 für die Kostenübernahme von Remdesivir auf den Dienstweg verwiesen und so zu einer Verschärfung der Situation in den Kliniken beitragen, wenn die Kostenfrage nicht schnellstmöglich geklärt wird.

Die Kosten für eine frühzeitige Behandlung mit Remdesivir liegen zwischen 2.000 und 3.000 Euro – je nach Therapiedauer. Auf diesen Kosten bleiben viele Kliniken derzeit sitzen. Denn der Arzneistoff ist als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode noch nicht im deutschlandweit geltenden Pauschalabrechnungssystem der Krankenhäuser enthalten, wonach die Patientenbehandlung nach diagnosebezogenen Fallgruppen vergütet wird. Für Remdesivir können die Kliniken lediglich einen Antrag auf eine zeitlich befristete Vergütung bei den Krankenkassen stellen. Allerdings kann die Bearbeitung Jahre dauern und es gibt keine Garantie für eine Bewilligung der Gelder. „Mit dieser Unsicherheit können die Kliniken nicht arbeiten. Qualität und Wirtschaftlichkeit müssen gerade auch in Corona-Zeiten in Einklang gebracht werden“, sagt Torsten Bauer. Konkret hieße das: Werden die Kosten für das hochwirksame Remdesivir nicht übernommen, könnten sich immer mehr Kliniken allein aus wirtschaftlichen Gründen aus der regulären Versorgung von COVID-19-Patienten abmelden.

Engpass erwartet: Nur ein Drittel aller Kliniken beantragt Remdesivir-Zuschuss

Schon jetzt sei in vielen Bundesländern zu erkennen, dass immer mehr Krankenhäuser keine Corona-Patienten mehr aufnehmen – und damit andere Einrichtungen umso mehr belasten. Engpässe im Winter seien zu erwarten. Eine konkrete Zahl der Häuser sei derzeit schwer zu erfassen: „Allerdings ist schon auffällig, dass lediglich rund ein Drittel aller Kliniken für dieses Jahr einen Zusatzantrag für die Sondervergütung von Remdesivir gestellt hat. Wer also keine Restbestände des Arzneimittels haben sollte, wird Remdesivir wohl auch nicht mehr zum Einsatz bringen“, erklärt Bauer. 

Eine Anfrage beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) der DGP zeigt auf: von 1.903 Krankenhäusern hatten lediglich 675 Einrichtungen einen Antrag für die Remdesivir-Vergütung für das Jahr 2022 gestellt. Wer den Antrag noch nicht gestellt hat, muss nach aktueller Regelung die Kosten auf jeden Fall selbst tragen – oder eben auf den Einsatz des Medikamentes verzichten. Die Antragsfrist zur Kostenübernachte durch die Krankenkassen für das Jahr 2023 läuft am 31. Oktober dieses Jahres ab.

Ohne Finanzierung fehlen im Winter die Behandlungskapazitäten

Für die klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzte ist das Szenario vorhersehbar: „Wird die Finanzierung von antiviralen Mitteln wie Remdesivir vom Bund nicht schnellstmöglich zugesichert, werden es immer weniger Kliniken einsetzen. Das führt wieder zu mehr schwerwiegenden Coronafällen und mehr Patienten, die wesentlich länger im Krankenhaus behandelt werden müssen. Das belastet wiederum zwangsläufig die Intensivstationen und nimmt Behandlungskapazitäten für andere Krankheitsfälle“, sagt Torsten Bauer. „Und wir gehen davon aus, dass in diesem Winter die Zahl schwerer akuter respiratorischer Infektionen – zum Beispiel Atemwegsinfekte durch Bakterien wie Pneumokokken und Influenzaviren – wieder steigen wird“, so der Pneumologe.

Leitliniengerechte Therapie ist möglich – mit Medikament von nationaler Bedeutung

Dabei wollen die Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken möglichst allen betroffenen Patienten eine leitliniengerechte Behandlung zukommen lassen. Die DGP, DGIM und DGI haben bereits früh in der Corona-Pandemie mit elf weiteren wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften eine Leitlinie zur stationären Behandlung von COVID-19-Patienten erarbeitet, die Empfehlungen über den gesamten Verlauf der stationären Behandlung von COVID-19 umfasst – von der Aufnahme und Diagnostik über die Therapie bis hin zum weiteren Krankheitsverlauf. „Diese leitliniengerechte Therapie in den Krankenhäusern braucht jetzt die zugesicherte Finanzierung von Remdesivir – im COVID-19-Kontext ist es ein Medikament von nationaler Bedeutung und gehört bereits diesen Winter in das Behandlungsangebot aller deutschen Krankenhäuser“, sagt Bauer. Und er ergänzt: „Auch die Finanzierung von zukünftigen Medikamenten zur COVID-19-Behandlung muss schon jetzt seitens des Staates gesichert werden – für die ambulante wie stationäre Behandlung.“ Bauer erinnert daran, dass bei der Abgabe von wirksamen Corona-Medikamenten wie Paxlovid und Molnupiravir die Notaufnahmen der Krankenhäuser nicht einbezogen worden sind.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP)

10.08.2022

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