Artikel • Impfungen und Therapien bei Krebs

Chronische Infektionen ebnen Viren den Weg

Weit verbreitet ist mittlerweile die Erkenntnis, dass Tabakkonsum, Übergewicht sowie eine Fehlernährung Krebs auslösen können. Weniger bekannt ist hingegen, dass auch Pathogene ein Krebsrisikofaktor sind. Prof. Dr. Ralf Bartenschlager, Leiter der Abteilung Virus-assoziierte Karzinogenese am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), stellte im Rahmen der DKFZ-Jahrespressekonferenz die wichtigsten Infektionserreger vor sowie neue Verfahren, die Hoffnung auf künftige Impfungen und neue Therapien machen.

Bericht: Sonja Buske

portrait of Ralf Bartenschlager
Prof. Dr. Ralf Bartenschlager leitet die Abteilung Virus-assoziierte Karzinogenese am Deutschen Krebsforschungszentrum
Quelle: Schwerdt/DKFZ

„Die wichtigsten Infektionserreger beim Menschen sind viralen Ursprungs“, machte Bartenschlager zu Beginn deutlich. Zu den bekannteren Viren gehört zum Beispiel das Epstein-Barr-Virus, das das Pfeiffersche Drüsenfieber auslöst. „Es ist unangenehm, aber harmlos“, so der Virologe. Zumindest, wenn die Infektion komplett ausheilt. Löst das Virus jedoch eine chronische Infektion aus, können sich die Viren in die Immunzellen einnisten und Blut- oder Magenkrebs verursachen, ebenso wie Krebs im Nasen-Rachenbereich. 

Doch wie genau funktioniert das? Bartenschlager: „Wir unterscheiden zwischen direkten und indirekten Mechanismen: Beim direkten Mechanismus infiziert das Virus die Zellen, vermehrt sich dort und schaltet Gene in der Wirtszelle aus, die die Entstehung von Tumoren unterdrücken sollen.“ Beim indirekten Mechanismus werden die infizierten Zellen attackiert und sterben ab. „Der Körper bildet dann neue Zellen, es kommt zu einer erhöhten Zellteilung, die im Milieu einer chronischen Entzündung mutieren und zum Tumor führen können“, so der Experte.

Rekombinanter Impfstoff gegen HPV lässt hoffen

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Humanes papillomavirus (HPV) unter dem Elektronenmikroskop

Bildquelle: National Institutes of Health (NIH)

Eine große Rolle bei der Entstehung von Krebs spielen auch die Humanen Papillomaviren (HPV). „Praktisch alle Zervixtumoren stehen im Zusammenhang mit einer HPV-Infektion“, weiß Bartenschlager. „Es gibt bis heute keine kausale Therapie, wir können das Virus nicht direkt angreifen, da es sich um extrem variable kleine DNA-Viren handelt. Wir können aber die Infektion durch eine Impfung verhindern.“ Das Problem dabei ist, dass 80% der HPV-Infektionen in ärmeren Ländern wie in Afrika oder Südamerika auftreten. Aufgrund der dortigen Infrastruktur erweist sich das Impfen als schwierig. Bartenschlager ist jedoch zuversichtlich, dass sich das bald ändert. Einer seiner Kollegen am DKFZ arbeitet derzeit an der Entwicklung eines rekombinanten Impfstoffs gegen HPV. Er setzt dabei auf ein künstliches Protein, das sehr stabil ist und auch längere Zeit extremer Hitze ausgesetzt sein kann, ohne seine Wirkung zu verlieren. „Das wäre ein idealer Impfstoffkandidat für Länder, in denen keine gute Infrastruktur vorhanden ist“, ist der Virologe überzeugt. Die klinische Phase 1-Studie an gesunden Probanden soll demnächst starten.

Antivirale Therapie gegen Hepatitis C

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Hepatitis-C-Virus (HCV)

Noch keine Impfung gibt es hingegen zur Bekämpfung des Hepatitis C-Virus. Es infiziert die Leber und kann im Infektionsverlauf Leberkrebs hervorrufen. Weltweit gibt es aktuell rund 71 Millionen Hepatitis-C-Infizierte, die Hälfte erkrankt durch die Virusinfektion an Leberkrebs. Seit 2015 gibt es eine kurative, antivirale Therapie gegen Hepatitis C. „Diese Therapie ist das Ergebnis von zwei Jahrzehnten mühsamer Arbeit“, weiß Bartenschlager. „95 Prozent aller Patienten können davon profitieren, „selbst Patienten, die auf der Transplantationsliste stehen“, zeigt sich der Experte begeistert. Zwar erholt sich die Leber nicht vollständig, aber sie regeneriert sich sehr gut. Die Therapie ist dafür mit nur zwölf Wochen verhältnismäßig kurz. Je früher die Behandlung beginnt, desto geringer ist das Risiko für eine Krebsentstehung. Da liegt die Frage nahe, ob überhaupt noch eine Impfung gegen Hepatitis C benötigt wird. „Definitiv“, findet der Heidelberger Virologe. „Der Anteil an entdeckten Infektionen, die behandelt werden können, beträgt nur fünf Prozent. Viele Infektionen kommen gar nicht rechtzeitig ans Tageslicht. Zudem besteht nach einer durchgemachten Infektion keine Immunität, man kann sich jederzeit wieder infizieren. Die Infektion direkt durch eine Impfung zu verhindern ist ein deutlicher Fortschritt.“ Die WHO hat sich als Ziel gesetzt, Hepatitis C-Infektionen um 90 Prozent zu reduzieren. Dazu Bartenschlager: „Ich bin skeptisch, ob das ohne Impfung gelingen wird.“ Große Hoffnung setzt er in die Erfahrungen, die aktuell in der Covid-19-Pandemie gemacht werden. „Die hier verwendete mRNA sollte meiner Meinung nach auch für die Entwicklung eines Impfstoffes gegen Hepatitis C in Erwägung gezogen werden. 


Profil:

Prof. Dr. rer. nat. Ralf Bartenschlager ist seit 2014 Leiter der Abteilung Virus-assoziierte Karzinogenese am DKFZ sowie bereits seit 2002 Leiter der Abteilung Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Er ist Präsident der Gesellschaft für Virologie und Preisträger diverser internationaler Auszeichnungen wie des Europäischen Virologie Awards (2016).

16.02.2021

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