Zwei Wissenschaftler in Ganzkörper-Schutzanzügen bedienen im Reinraum einer...
Mitarbeitende des Fraunhofer IZI am Standort Leipzig im Reinraum bei der Herstellung eines CAR-T-Zellpräparats für die klinische Studie in Würzburg.

© Fraunhofer IZI 

News • Zelluläre Immuntherapie

Weiterentwicklung: CAR-T-Zellen auch gegen solide Tumore einsetzen

Eine neue Generation der CAR-T-Zelltherapie macht Hoffnung im Kampf gegen Krebs. Damit sollen nicht nur Blutkrebs, sondern auch solide Tumore wie Eierstock- oder Brustkrebs gezielt bekämpft werden.

Fraunhofer-Forschende haben gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Würzburg auch den aufwendigen Herstellungsprozess der Therapeutika effizienter gestaltet. Das könnte die Verfügbarkeit der Therapie deutlich erhöhen. 

Seit einigen Jahren gehört die zelluläre Immuntherapie zu den wirksamsten Behandlungsmethoden gegen Krebs. Die Abwehrzellen des Immunsystems, die sogenannten T-Zellen, werden genetisch so verändert, dass sie Tumorzellen erkennen und gezielt attackieren. Bei der CAR-T-Zelltherapie (CAR = Chimeric Antigen Receptor) werden die T-Zellen mit einem Rezeptor versehen, der auf die spezifischen Oberflächenmoleküle (Antigene) bestimmter Tumorzellen programmiert ist. Sobald sie an den Tumorantigenen binden, werden sie aktiviert und zerstören die Krebszellen. Selbst bei Menschen, die Bestrahlungs- und Chemotherapien hinter sich gebracht haben und als austherapiert gelten, bietet die CAR-T-Zelltherapie noch gute Behandlungsoptionen und potenziell Aussicht auf Heilung. 

Das ist ein echter Hoffnungsschimmer für Patienten mit soliden Tumoren. Dennoch haben wir noch einen langen Weg durch die klinische Entwicklung und, wenn die Studienergebnisse positiv sind, schlussendlich bis zur Zulassung vor uns

Michael Hudecek

Das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI hat diese Therapie gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Würzburg entscheidend weiterentwickelt. Die neue Therapievariante soll es möglich machen, auch solide Tumore wie beispielsweise Eierstock-, Brust- und Nebennierenrindenkrebs zu behandeln. Ein bedeutender Fortschritt, denn solide Tumore sind wesentlich häufiger als hämatologische Tumore, die im Blut, Knochenmark oder Lymphknoten entstehen. 

Geleitet wird das Forschungsvorhaben am Universitätsklinikum Würzburg und der Fraunhofer IZI-Außenstelle Würzburg von Prof. Dr. Michael Hudecek. Er gehört zu den Pionieren der Immuntherapie und hat die erste Generation der CAR-T-Zellen mitentwickelt. Am Fraunhofer IZI hat das Team um Kati Kebbel und Dr. Gerno Schmiedeknecht, Leitung der Abteilung GMP Zell- und Gentherapie (GMP – Good Manufacturing Praxis), die Herstellung des Therapeutikums übernommen. 

Ein Schlüssel für die Weiterentwicklung der Therapie gegen solide Krebstypen sind die ROR-Moleküle (ROR = Receptor tyrosine kinase-like orphan receptor) auf der Oberfläche der Krebszellen. Diese spielen nur während der Embryonalentwicklung des Menschen eine Rolle, in der sie zu Gewebewachstum und Zellerneuerung beitragen. Im Erwachsenenalter sind die ROR-Moleküle kaum noch vorhanden – außer bei Krebspatienten. Das Forschenden-Team hat die T-Zellen so modifiziert, dass die Rezeptoren genau diese ROR-Moleküle erkennen. 

Die Immunzellen des Patienten und das genetische Material für den ROR-1 Rezeptor werden in einer Küvette zusammengeführt. Durch das Anlegen elektrischer Impulse gelangt die Erbinformation in das Genom der Zelle.

© Fraunhofer IZI 

Im Rahmen des gemeinsamen Projekts arbeiten die Forschenden auch daran, den aufwendigen Herstellungsprozess effizienter zu gestalten. Dabei hilft ein Enzym, die 'Sleeping Beauty' Transposase. Das Enzym ermöglicht es, therapeutische Gene in das Genom von Zellen zu integrieren. Das Team der Forschenden nutzt das Enzym als Ersatz für Viren, um die Immunzellen genetisch zu modifizieren. Entwickelt wurde diese Technologie von Prof. Dr. Zoltan Ivics, der mittlerweile ebenfalls am Leipziger Fraunhofer IZI forscht. "Dieses Verfahren hat Vorteile in der Sicherheit und trägt dazu bei, Aufwand und Kosten bei der Herstellung zu senken", erklärt Hudecek. 

Das Fraunhofer IZI verfügt über langjährige Erfahrung in der Entwicklung und Produktion von Zell- und Gentherapeutika. Für das aktuelle Vorhaben haben die Experten einen robusten und reproduzierbaren Herstellungsprozess entwickelt. "In puncto pharmazeutischer Qualität und Sicherheit genügt der Prozess den strengen Maßstäben, die für die Zulassung von Arzneimitteln für klinische Studien gelten. Das ermöglicht die Translation und erstmalige Anwendung bei Patienten", sagt Schmiedeknecht. 

Hergestellt werden die CAR-T-Zellen aus dem Blut der Patienten. Die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) werden in der Klinik in einem Kreislaufverfahren angereichert und so zu einem Leukozytenkonzentrat verdichtet, das als Ausgangsbasis für die Herstellung im Reinraum des Fraunhofer IZI dient. 

Schmiedeknecht erläutert die Herstellungsschritte im Reinraum: "Im ersten Schritt isolieren wir die T-Zellen. Wir versetzen die Leukozytenkonzentrate mit paramagnetischen Partikeln, an denen die T-Zellen binden. Diese haften an einer magnetisch aufgeladenen Säule, alle anderen Bestandteile werden weggewaschen. Im Ergebnis bleiben T-Zellen mit einer Reinheit von bis zu 98% zurück." 

In einem Zellkultur-Medium erholen sich die Zellen nach der Isolierung. Anschließend folgt der entscheidende Schritt: Der CAR-Rezeptor wird in die T-Zellen eingebracht. Dazu nutzen die Experten das Sleeping Beauty-Enzym. Nach weiteren zehn Tagen im Zellkultur-Medium können die CAR-T Zellen geerntet werden. Eingefroren in flüssigem Stickstoff werden sie an die Klinik geliefert. 

Die Patienten erhalten das Therapeutikum per Infusion. "Wir haben bereits einige Menschen damit behandelt, die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Das ist ein echter Hoffnungsschimmer für Patienten mit soliden Tumoren", freut sich Hudecek und ergänzt: "Dennoch haben wir noch einen langen Weg durch die klinische Entwicklung und, wenn die Studienergebnisse positiv sind, schlussendlich bis zur Zulassung vor uns." 

"Wir treten damit den Beweis an, dass wir in Deutschland in der Lage sind, auch sehr ambitionierte medizinische Therapien zu entwickeln und diese zügig und in höchster Qualität in die medizinische Praxis zu bringen", sagt Hudecek. 

Die weiterentwickelte CAR-T-Zelltherapie macht den Weg frei, um zukünftig nicht nur Menschen mit unterschiedlichsten Formen von Krebs besser behandeln zu können, sondern darüber hinaus auch andere Erkrankungen wie Autoimmunerkrankungen und Infektionen. 


Quelle: Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie 

02.09.2025

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