panthermedia.net/tomwang

News • Undichte Darmnähte

Bakterien verursachen gefürchtete Komplikation nach Bauch-OPs

Das medizinische Rätsel, warum zusammengefügte Darmenden nach einer Bauchoperation trotz sorgfältigster Nahttechnik wieder aufplatzen, scheint gelöst. Wie der US-Chirurg Professor John Alverdy am Tiermodell beweisen konnte, kann ein Eingriff die Zusammensetzung der Darmbakterien so verändern, dass sie giftige Substanzen freisetzen und die Wundheilung stören. Experten forschen jetzt an einem Gegenmittel, das anders als Antibiotika keine Resistenzen fördert. Für seine Entdeckung ernennt die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) den amerikanischen Forscher auf dem 133. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) zum Ehrenmitglied. Der DGCH-Kongress findet vom 26. bis 29. April 2016 im CityCube in Berlin statt.

Nach der Entfernung eines erkrankten Darmabschnitts muss der Chirurg die Verbindung – die Anastomose – zwischen den Darmenden wieder herstellen. „Technisch ist dies kein Problem, Chirurgen wissen, worauf sie achten müssen“, erklärt Professor Dr. med. Dietmar Lorenz, Präsident der DGAV. Doch auch die perfekte Naht ist keine Garantie, dass zusammenwächst, was zusammengefügt wurde.

Im ungünstigsten Fall entsteht in der Nahtreihe der Darmwand ein Loch, eine Insuffizienz. Dann entweicht Stuhl in den Bauchraum und löst eine massive Infektion aus, die sich zur Lebensbedrohung entwickeln kann. „In jedem Fall werden aufwendige, teure Nachbehandlungen notwendig“, betont Lorenz.

Bislang wurden die Ursachen für diese Anastomosen-Insuffizienz auf Seiten der Chirurgen gesucht. „Eine hohe Spannung auf der Naht, Durchblutungsstörungen, fehlerhafte Nahttechniken, ungeeignetes Nahtmaterial und andere mechanische Faktoren galten als Auslöser“, erklärt Professor Lorenz, Direktor und Chefarzt der Klinik Allgemein- und Viszeralchirurgie am Sana Klinikum Offenbach.

Neuere Forschungsergebnisse rücken nun Bakterien, die natürlicherweise im Darm vorkommen, in den Fokus. „Alverdy und seine Forschergruppe haben als erste gezeigt, warum und auf welche Weise Bakterien chirurgische Komplikationen nach Operationen am Gastrointestinaltrakt verursachen“, erläutert der DGAV-Präsident.

Alverdy und seine Forschergruppe haben als erste gezeigt, warum und auf welche Weise Bakterien chirurgische Komplikationen nach Operationen am Gastrointestinaltrakt verursachen.

Professor Dr. med. Dietmar Lorenz

Denn die Operation verändert die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm, im sogenannten Mikrobiom. „Häufig verschwinden die guten Bakterien, die die Wundheilung nicht stören, und die schlechten nehmen dramatisch zu“, erläutert Lorenz: „Die schlechten Bakterien setzen dann Substanzen frei, die die Elemente zerstören, die unser Körper hergestellt hat, um den Heilungsprozess nach der chirurgischen Wiedervereinigung der Darmenden in Gang zu bringen“.

Zwar haben Studien gezeigt, dass die Anastomosen-Insuffizienz durch das Auftragen von Antibiotika im Darmtrakt erfolgreich verhindert werden kann. John Alverdy sieht darin jedoch nicht die endgültige Lösung – Ziel müsse sein, die guten Bakterien im Darm zu fördern und die schlechten zu verdrängen.

„Durch hochmoderne Forschungsansätze werden wir in Kürze noch viel mehr über diese Vorgänge erfahren“, erwartet Lorenz. Schließlich werde es möglich sein, das Mikrobiom so zu beeinflussen, dass pathogene Bakterien, die Anastomosen-Insuffizienzen verursachen können, unterdrückt werden. „Damit können wir auch den Einsatz von Antibiotika reduzieren und das Problem der multiresistenten Krankenhauskeime besser in den Griff bekommen“, betont DGAV-Präsident Lorenz.

Professor Dr. med. John C. Alverdy ist Inhaber des Sarah and Harold Lincoln Thompson Lehrstuhls für Chirurgie an der Universität von Chicago. Die Ehrenmitgliedschaft der DGAV wird ihm am 26. April 2016 verliehen.

Weitere Infos: www.chirurgie2016.de.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)

03.08.2016

Mehr zu den Themen:
Mehr aktuelle Beiträge lesen

Verwandte Artikel

Photo

News • Große Fortschritte bei der Therapie

Speiseröhrenkrebs: Vorteile durch personalisierte Chirurgie

Die personalisierte multimodale Krebschirurgie trägt viel dazu bei, der Diagnose Speiseröhrenkrebs ihren Schrecken zu nehmen. Auf dem DCK werden aktuelle Therapiefortschritte näher thematisiert.

Photo

News • Minimalinvasives Verfahren

Aortenklappenimplantation: TAVI gleichauf mit Goldstandard

Weniger Todesfälle, weniger Schlaganfälle: Überraschend deutlich zeigt eine neue Studie die Tauglichkeit der kathetergestützten Aortenklappenimplantation bei jüngeren und Niedrigrisiko-Patienten.

Photo

News • Peritonealkarzinose

Bauchfellkrebs: multimodale Behandlungskonzepte verbessern Überleben

Die Kombination mehrerer Therapieverfahren kann die Überlebensdauer bei Bauchfellkrebs deutlich verbessern. Entscheidend ist dabei eine spezialisierte chirurgische Behandlung des Primärtumors.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren