Aus Misserfolgen lernen
Fachtagung „AnyDay Innovation Gesundheit“ auf der Suche nach Innovationen im Gesundheitswesen
Die Ansprüche an westliche Gesundheitssysteme wachsen: Unser Lebensstil und höheres Lebensalter führen häufiger zu chronischen Erkrankungen wie Demenz, Diabetes, Herzleiden, Krebs oder auch psychische Krankheiten.
Auch erkennen Ärzte diese Krankheiten heute nahezu lückenlos, denn die Diagnostik entwickelt sich immer weiter. Doch den oft komplexen Innovationen seien heutige Versorgungsstrukturen, Praxen und Kliniken nicht mehr gewachsen, so der Leiter eines schweizerischen Think Tanks im Vorfeld der Fachtagung AnyDay am 11. Oktober 2012 in Stuttgart. Experten diskutieren dort, wie Innovationen im eher statischen Gesundheitssystem möglich sind und stellen Positiv- wie auch Negativbeispiele aus der Versorgungspraxis vor.
Bereits seit Jahren steigen die Zahlen chronischer Erkrankungen in Deutschland: Laut Robert Koch-Institut ist der Anteil der Menschen mit Diabetes im Vergleich zu 1998 von 5,2 Prozent der Gesamtbevölkerung auf heute 7,2 Prozent angestiegen. Auch die Zahl der stark Übergewichtigen wuchs um ein Fünftel im Vergleich zu 1998. An einer psychischen Störung erkranken laut Wittchen et al. 38 Prozent der Erwachsenen in Europa im Laufe eines Jahres. Chronische Erkrankungen begleiten die Betroffenen oft ein Leben lang, schränken deren Lebensqualität ein und sind für das Gesundheitssystem kostspielig. „Chronisch krank zu sein prägt den Alltag der Betroffenen sehr, deshalb sollte darauf ein Fokus der Versorgung liegen“, fordert Dr. Stephan Sigrist, Leiter des Think Tanks W.I.R.E. in Zürich, der sich mit Entwicklungen in Gesundheitswesen, Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigt. Patienten sollten stärker in die Behandlung eingebunden werden. Außerdem liefere der technische Fortschritt immer komplexere diagnostische Daten – deren Übersetzung werde immer wichtiger. „Dabei muss Innovation neu definiert werden, hin zu einer ganzheitlichen Sichtweise, die den Endnutzer ins Zentrum stellt“, so Sigrist.
Um im traditionell eher trägen Gesundheitswesen innovativ sein zu können, plädiert Sigrist dafür, stärker auch Misserfolge und Fehler als Erkenntnisgewinn zu werten. „Würden etwa medizinische Studien mit einem negativen Ergebnis häufiger veröffentlicht, so müssten Patienten weniger unter Nebenwirkungen leiden und Forschergruppen und auch Pharma- und Medizinproduktehersteller könnten von dieser Transparenz profitieren“, argumentiert Sigrist. Jedoch fehlen selbst in renommierten Journalen weitgehend Beiträge mit negativen Ergebnissen, ihr Anteil beträgt laut einer Untersuchung im Fachblatt Archives of Internal Medicine lediglich fünf Prozent. Der Grundgedanke, aus Misserfolgen zu lernen, bildet deshalb den roten Faden durch den diesjährigen AnyDay. Die veranstaltende AnyCare GmbH bringt bereits zum 10. Mal Experten aus Krankenkassen, Leistungserbringer, Gesundheitsökonomen und Industrie zusammen. Interdisziplinär diskutieren sie in Stuttgart aktuelle Themen aus Gesundheitswirtschaft und -wissenschaft und stellen neue Versorgungslösungen vor.
15.10.2012