Artikel • Spondylarthritis
Auf den Spuren des Rheumas an der Wirbelsäule
Rheumatische Erkrankungen sind sehr komplex und dementsprechend zahlreich sind die in der Bildgebung auftretenden Veränderungen. Das klassische Röntgen ist zwar weiterhin das am häufigsten eingesetzte radiologische Verfahren, doch die Magnetresonanztomographie (MRT) nimmt eine immer wichtigere Rolle ein.
Insbesondere bei entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen hat sie deutliche Vorteile gegenüber dem klassischen Röntgen. „Bei alleinigem Einsatz des konventionellen Röntgens kann die Diagnose einer seronegativen Spondylarthritis nicht selten bis zu zehn Jahre nach dem ersten Schub dauern. Mit der MRT kann man schon beim ersten Schub Veränderungen an der Wirbelsäule nachweisen. Deswegen hat die MRT hier einen entscheidenden Vorteil“, sagt Prof. Dr. Rainer Erlemann, Chefarzt des Instituts für Radiologie der HELIOS St. Johannes Klinik in Duisburg-Hamborn.
In Deutschland leiden rund 1,5 Millionen Menschen an entzündlich-rheumatischen Erkrankungen – das entspricht etwa 2 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Bei der seronegativen Spondylarthritis (Rheumafaktoren sind negativ) erfolgt die Erstmanifestation fast immer an den Sakroiliakalgelenken oder an der Wirbelsäule. Viele wissenschaftliche Studien belegen den diagnostischen Nutzen der MRT bei dieser Untergruppe der rheumatologischen Erkrankungen. Die klassischen Frühveränderungen an den Sakroiliakalgelenken sind Knochenmarködeme beidseits der Gelenkspalten. Weitere Veränderungen können abschlussplattennah an den vorderen oder hinteren Kanten oder mittig abschlussplattennah in einem Wirbelkörper auftreten.
Ein Enhancement im Übergang zwischen vorderem Längsband und Wirbelkörper („Geburt eines Syndesmophyten“) ist ein deutlicher morphologischer Hinweis auf eine seronegative Spondylarthritis. Entzündungen mehrerer kleiner Wirbelgelenke, entzündliche Reaktionen der Bänder zwischen den Dornfortsätzen sowie an den Gelenken zwischen den Rippen und den Wirbelkörpern oder den Querfortsätzen der Brustwirbelsäule sind weitgehend spezifisch für die seronegative Spondylarthritis. Bei der Untersuchung des Beckens sollte der Radiologe auch auf Enthesitiden (Ödeme und Enhancement im Übergang zwischen Sehnen und Knochen) achten, die bei dieser Erkrankung nicht selten auftreten. „Es gibt also ein ganzes Spektrum von Veränderungen, die bei dieser Erkrankung auftreten können. Je mehr solche Veränderungen vorhanden sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass der Patient an ihr leidet. Achtet der Radiologe bei einer Wirbelsäulen-MRT auf diese Veränderungen, kann er sehr hilfreich dabei sein, dass die Diagnose deutlich früher gestellt wird, als es bis jetzt der Fall war. Äußerst hilfreich ist eine kurze Schmerzanamnese, denn der Rheumapatient klagt besonders über nächtliche Schmerzen mit Maximum am frühen Morgen, die sich unter Belastung reduzieren – frei nach dem Motto ‚Sich regen bringt Segen‘“, erklärt Erlemann.
Frei nach dem Motto ‚Sich regen bringt Segen‘.
Prof. Dr. Rainer Erlemann
Der Fachmann hat abschließend noch einen Rat für seine Kollegen parat: „Wenn man Veränderungen erkennt, die für eine seronegative Spondylarthritis an der Wirbelsäule sprechen könnten, sollte man eine sagittale fettgesättigte kontrastmittelverstärkte T1-gewichtete Sequenz dieser Region anfertigen, da man mit dieser die verschiedenen Veränderungen am zuverlässigsten nachweisen kann.“
Profil:
Prof. Dr. Rainer Erlemann leitet seit 1991 als Chefarzt das Institut für Radiologie der HELIOS St. Johannes Klinik in Duisburg-Hamborn. Seine Facharztausbildung hat er am Clemens-Hospital und am Universitätsklinikum in Münster absolviert. Der Facharzt für Radiologie und Neuroradiologie hat sich 1990 an der Universität Münster habilitiert und wurde 1996 zum außerordentlichen Professor ernannt. Erlemann wurde unter anderem mit dem Felix-Wachsmann-Preis der DRG, dem Preis der Association pour l’Etude et la Recherche en Radiologie und mehrmals mit dem Editor’s Recognition Award der Fachzeitschrift „Radiology“ ausgezeichnet.
Veranstaltungshinweis
Raum: Congress-Saal
Donnerstag, 29.10.2015, 12:00 Uhr
Rheuma oder doch nicht? Wirbelsäule
Rainer Erlemann, Duisburg
Session: Gelenke
27.10.2015