Artikel • Muskuloskelettale Bildgebung
Chronische Fußschmerzen – vielseitige Ursachen
Füße sind hochkomplexe Gebilde. Sie tragen den größten Teil unseres Körpergewichts und werden dauerhaft stark beansprucht. Eine häufige Folge von Überlastung, Fehlstellungen und Entzündungen sind chronische Fußschmerzen. Im Gespräch erläutert Prof. Dr. Marco Zanetti, Radiologe an der Klinik Hirslanden in Zürich, die typischen Fragestellungen und die Möglichkeiten der MRT-Diagnostik.
Schmerzsyndrome am Fuß findet man oft, wenn Druck auf neurale Strukturen ausgeübt wird, die dann mit Irritationen reagieren. Das passiert häufig und nicht nur im Vorfußbereich, also dem Teil des Fußes, der in besonderem Maße der Belastung beim Stehen und Gehen ausgesetzt ist.
Zu den typischen Diagnosen im Vorfuß zählt das Morton-Neurom: Starke, fast brennende Schmerzen, hervorgerufen durch die mechanische Überlastung und Reizung der Nerven unterhalb der Mittelfußköpfe. Die Folgen sind häufig Fibrosen, auch Pseudotumoren genannt. Dem Morton-Neurom ähnlich und ebenfalls eine Ursache für den chronischen Vorfußschmerz ist die Hallux-valgus-Deformität. Auch diese Fehlstellung übt Druck auf neurale Strukturen und Bindegewebe aus, was Irritation des Nervs, Narbenbildung und Schmerzen auslöst. Ständige Belastungen, etwa durch langes Stehen, können zudem die plantaren Platten angreifen. Diese bindegewebsartige Struktur ist zwei bis fünf Millimeter dick und dient der Verstärkung der Gelenkkapsel unter den Mittelfußköpfen. Bei Überbeanspruchung lässt die Elastizität langsam nach oder es kommt sogar zur Ruptur. Als adäquate Behandlungsoptionen gelten das Nähen des entstandenen Risses oder eine chirurgisch durchgeführte Umstellung der Knochen. Interessantes Detail in diesem Zusammenhang: Oft wird vermutet, dass feminines Schuhwerk der Grund für die häufigeren Vorfuß-Probleme bei Frauen ist, dieser Zusammenhang ist aber noch nicht abschließend bewiesen.
Probleme auch beim Rückfuß
Auch der Rückfuß kann von chronischen Schmerzen betroffen sein. Die Therapie gestaltet sich leider oft schwierig, da eine Entlastung im Alltag schlecht umzusetzen ist, erläutert Zanetti: „Eigentlich müssten die Patientinnen und Patienten Krücken tragen. Das macht aber keiner gerne. Dadurch verzögert sich die Abheilung und der Schmerz chronifiziert sich.“ Bei degenerierenden Prozessen an den Sehnen kann es beispielsweise zu einem Einbruch des Fußlängsgewölbes kommen. Dann spricht man von einem akquirierten, also nicht angeborenem Knick-Senkfuß. Diese Diagnose betrifft deutlich mehr Frauen ab 50 Jahre als Männer. Eine mediale Schwellung, verbunden mit Schmerzen und Rötung, weist auf eine Überlastung oder gar Ruptur der Tibialis-posterior-Sehne hin. Alternativ kann das Spring-Ligament betroffen sein, eine Bandstruktur, die das Fußgewölbe zusätzlich fixiert.
Sind Sehne oder Ligament angegriffen, besteht die Gefahr, dass sich die Fußmechanik verschiebt und der Knochen überlastet wird. In der Folge kann es zu Ödembildung und Stressreaktionen kommen.
Rheuma nicht vergessen
Entzündliche Erkrankungen des rheumatologischen Formenkreises können ebenfalls eine Ursache für chronische Fußschmerzen sein. Eine Manifestation der rheumatoiden Arthritis entsteht zum Beispiel, wenn sich die Bursa intermetatarsale, also der Schleimbeutel am Vorfuß, entzündet. „Liegen bei einem Mann unklare schmerzhafte Schwellungszustände ohne Trauma vor, sollte man die Gicht im Hinterkopf haben“, erläutert Zanetti. „Gerade weil die Gicht kein eindeutiges Etikett hat und sich auch im Röntgenbild nicht immer einfach nachweisen lässt.“ Diese in der muskuloskelettalen Radiologie eher seltene Diagnose ist erfreulicherweise mithilfe der dualen Energy-CT möglich: Die eingelagerten Urate leuchten grün auf und lassen somit keinen Zweifel aufkommen (siehe rechtes Bild).
Was leistet die MRT-Diagnostik?
Eine bereits vor vielen Jahren durchgeführte Studie1 an der Uniklinik Balgrist hat klar belegt: Orthopäden konnten zwar drei Viertel der Morton-Neurom-Fälle richtig diagnostizieren. Hinsichtlich der korrekten Lokalisation des Syndroms hatte die MRT gegenüber der klinischen Diagnostik allerdings deutliche Vorteile. In der Folge mussten 50 Prozent der Diagnosen nach Auswertung des MRT korrigiert werden. „Eine nicht ganz unwichtige Erkenntnis“, stellt Zanetti fest, „denn für die erfolgreiche Behandlung – meist wird reseziert – ist es ganz entscheidend, ob sich das Problemfeld zwischen dem zweiten und dritten, oder aber dem dritten und vierten Zeh befindet.“ Als Alternative zur MRT kann auch der Ultraschall zur Diagnostik herangezogen werden – vorausgesetzt, der Untersucher hat die entsprechende Erfahrung: „Es gibt Experten, die das Verfahren wirklich sehr gut beherrschen“, erkennt Zanetti an. Die MRT kann ihre Stärken jedoch auch in der Differenzialdiagnostik ausspielen. So lassen sich beispielsweise Stressfrakturen und Stressreaktionen, eine Vorstufe des Bruchs, im MRT eindeutig diagnostizieren.
Garmisch-Session: Chronischer Fußschmerz; (Freitag, 21.1.2022, 14.40)
Profil:
Seit 2011 ist Prof. Dr. med. Marco Zanetti Leiter des Zentrums für Muskuloskelettale Radiologie in Hirslanden, Zürich. Zuvor war er 17 Jahre lang an der Uniklinik Balgrist in Zürich tätig – zuletzt als Chefarzt der radiologischen Abteilung. Zanetti ist Spezialist für die Anwendung der Magnetresonanztomographie am Bewegungsapparat und habilitierte auch auf diesem Gebiet im Jahr 2000. Zudem war er Präsident der European Society of Musculoskeletal Radiology (ESSR) sowie Mitherausgeber und Chefredakteur für verschiedene Fachpublikationen.
20.01.2022