News • Infektionsforschung zu SARS-CoV-2

Auf dem Weg zum Corona-Impfstoff

Seit das neue Coronavirus SARS-CoV-2 erstmals in China aufgetaucht ist, begleiten die Wissenschaftler und Ärzte im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) die Entwicklung mit ihren Forschungsarbeiten.

Bildquelle: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) / Rocky Mountain Laboratories (RML)

Ganz oben auf der Agenda steht die möglichst schnelle Entwicklung eines Impfstoffes gegen das neue Coronavirus. Um auf Ausbrüche dieser Art zügig reagieren zu können, steht im DZIF der Forschungsbereich „Neu auftretende Infektionskrankheiten“ bereit. Während der Ebola-Epidemie 2014 konnten die Wissenschaftler zeigen, wie wichtig es ist, sich auf neue Viren vorzubereiten. Sie reagierten sofort, indem sie die klinische Impfstoffentwicklung eines Ebolavirus-Impfstoffes maßgeblich vorantrieben. Auch beim MERS-Coronavirus, das mit dem jetzt auftretenden SARS-CoV-2 verwandt ist, hat das DZIF erfolgreich einen ersten Impfstoff auf den Weg gebracht. Diese Erfahrungen kommen den Wissenschaftlern nun in der aktuellen Krisensituation zugute. Sie nutzen bereits vorhandene „Bausteine“ oder sogenannte Plattformen, um möglichst schnell zu einem Impfstoff gegen das neue Coronavirus zu gelangen.

Unter der Leitung von Prof. Gerd Sutter, Virologe an der LMU München, wird ein sog. Vektor-Impfstoff entwickelt, der auf dem „Modifizierten Vacciniavirus Ankara“ (MVA) als Vektor basiert. Das Impfvirus MVA wurde bereits vor mehr als 30 Jahren an der LMU als Impfstoff gegen Pocken generiert. Die MVA-Viren sind so abgeschwächt, dass sie als harmlose Vektoren für andere Impfstoffe dienen können. Im DZIF wurde dieser Vektor bereits erfolgreich für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das MERS-Coronavirus verwendet, einem nahen Verwandten von SARS-CoV-2; die Testung des Impfstoffes befindet sich bereits in der klinischen Prüfung. 

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„Wir bauen darauf, dass wir die MVA Plattform wie bei MERS verwenden können und nur die genetische Information für das Oberflächenprotein des SARS-CoV-2 einbauen müssen“, erklärt Sutter, das heißt statt eines MERS-Coronavirus-Bauteils werden wir den Vektor mit einem SARS-CoV-2-Bauteil kombinieren.“ Denn entscheidend für die Wirkung des Impfstoffes sind die Bestandteile des Virus, gegen die der Mensch Antikörper bilden soll. Die Wissenschaftler haben als geeignetes Coronavirus-Bauteil das Spike-Protein auf der Oberfläche des gefürchteten Virus ausgewählt. Dieses Protein ist wichtig für das Eindringen des Virus in die menschliche Zelle. Die entsprechende Gensequenz, sprich der Bauplan dieses Proteins, soll nun mit der genetischen Information des MVA-Vektors kombiniert werden. Das entstandene Impfvirus dringt dann bei einer Impfung in die Zellen ein und synthetisiert das Spike-Protein, das vom Immunsystem als „fremd“ erkannt wird und damit die Immunantwort stimuliert. Es werden spezifische Antikörper und T-Zellen gegen das Spike-Protein gebildet, die dann eine spätere Infektion mit dem Virus verhindern sollen. 

Die Entwicklung eines Impfstoffs ist ein langwieriger, mühsamer Prozess, vor allem die klinische Prüfung für die Zulassung eines Kandidaten. Das geht nicht in ein paar Wochen

Stephan Becker

„Die genetische Konstruktion des Impfstoffes und die ersten Produktionsschritte sind in etwa sechs bis acht Wochen abgeschlossen“, prognostiziert Prof. Stephan Becker von der Universität Marburg; er ist der Koordinator des DZIF-Forschungsbereichs „Neu auftretende Infektionskrankheiten“. Ein enormer Zeitgewinn im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren, in denen beispielsweise vermehrungsfähige Viren zum Einsatz kommen. Doch auch wenn diese ersten Produktionsschritte so ablaufen wie erhofft, wird ein Impfstoff in diesem Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen. Da sind die Wissenschaftler sich einig. „Die Entwicklung eines Impfstoffs ist ein langwieriger, mühsamer Prozess, vor allem die klinische Prüfung für die Zulassung eines Kandidaten. Das geht nicht in ein paar Wochen“, betont Becker. 

Die klinische Prüfung wird von Prof. Marylyn Addo vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) geleitet werden. Sie hat bereits maßgeblich an der Entwicklung des Ebola- und des MERS-Impfstoffs mitgewirkt, für den die klinischen Prüfungen noch im Gang sind. Für die Produktion des Impfstoffs in größerem Umfang wird die Firma IDT Biologika mit dabei sein; sie entwickelte bereits eine eigene Zelllinie für die Produktion des MERS-Impfstoffs in großem Maßstab. 

scanning electron microscope image of SARS-CoV-2
Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 (orange) unter dem Raster-Elektonenmikroskop

Bildquelle: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) / Rocky Mountain Laboratories (RML)

Neben der bewährten MVA-Plattform erforschen die Wissenschaftler im DZIF parallel eine zweite Plattform für die Impfstoffentwicklung, um möglichst schnell zum Ziel zu gelangen. Unter der Leitung des im DZIF tätigen Wissenschaftlers PD Dr. Michael Mühlebach wird der Masernimpfstoff als Vektor für fremde virale Proteine eingesetzt. Die Masernimpfung wird seit den 1960er Jahren millionenfach mit hoher Wirksamkeit und Sicherheit eingesetzt. Nun kombinieren die Wissenschaftler diesen Vektor ebenfalls mit einem Bestandteil des SARS-CoV-2. Die rekombinanten Impfviren sind bereits fertig erzeugt, werden zurzeit gerade vermehrt und anschließend in vitro und in vivo charakterisiert. 

„Wenn wir die Eignung eines auf dem Masernimpfvirus basierenden Impfstoff-Kandidaten in einem halben Jahr erforscht haben, kann danach die Entwicklung eines entsprechenden SARS-CoV-2-Impfstoffs von anderen Forschergruppen vorangetrieben werden“, wagt Mühlebach eine erste Prognose. Durch die Veröffentlichung relevanter Forschungsergebnisse könnte die Weiterentwicklung für industrielle Partner möglich gemacht werden. Für die anschließende Entwicklungsarbeit bis hin zur Zulassung zeigt CEPI Interesse: Die „Coalition for Epidemic Preparedness Innovations“ unterstützt aussichtsreiche Impfstoffentwicklungen finanziell – eine globale Partnerschaft des öffentlichen Gesundheitswesens, der Industrie und von privaten Stiftungen wie der Bill & Melinda Gates Foundation. 


Quelle: Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)

11.03.2020

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