Gute Aussichten
Radiologie im Wandel – Ein Blick in die Zukunft
Neue Verfahren wie die Hyperpolarisations-MRT, die Rolle von Artificial Intelligence und die engere Zusammenarbeit zwischen Radiologen und Pathologen zeigen: Die Radiologie befindet sich im Wandel. Dieser Change Prozess spielt neben den üblichen Themen beim diesjährigen 98. Deutschen Röntgenkongress ebenfalls eine Rolle. So sind die Onkologische Bildgebung, Interventionelle Onkologie, Neue Techniken und Big Data nicht nur Schwerpunktthemen, „sondern auch Ausdruck eines Selbstverständnisses der Radiologie, im Interesse des Patienten immer wieder die Grenzen des Möglichen zu hinterfragen und neu abzustecken“, wie Prof. Dr. Ernst Rummeny, Präsident des Deutschen Röntgenkongresses in seiner Einladung schreibt.
Durch neue Methoden wie die Hyperpolarisations-MRT kann man dem Stoffwechsel live bei der Arbeit zuschauen. Die Nuklearmedizin und die Radiologie haben sich durch die Entwicklung von Hybridverfahren wieder angenähert. So lassen sich mit den heute schon klinisch verfügbaren Methoden wie PET/CT oder MR-PET Vorgänge wie die zelluläre Zuckeraufnahme in einem Tumor oder einer Entzündung bzw. die Anlagerung von spezifischen Radiopharmaka an die Rezeptoren auf der Oberfläche eines Tumors, wie z.B. 68Ga-PSMA beim Prostatakarzinom, darstellen.
„Die Methode der Hyperpolarisations-MRT, bei der z.B. hyperpolarisierte (stark Signalintensitäts-verstärkte) Kohlenstoffverbindungen (z.B. C13 markiertes Pyruvat) injiziert wird, erlaubt noch tiefere Einblicke in die Stoffwechselvorgänge eines Tumors (Abb. 5). Ein Leber- oder ein Pankreaskarzinom zum Beispiel kann aus verschiedenen Gewebeanteilen (mesenchymalen und/oder epitelialen) bestehen, die beide ganz unterschiedliche Stoffwechselvorgänge aufweisen und die folglich auch ganz unterschiedlich auf Therapien ansprechen“, so Rummeny. Pharmafirmen haben heute bereits zahlreiche Medikamente zur Therapie von Tumoren bei der Hand, deren Wirkung oft nicht richtig belegt werden konnte, weil die Patienten nicht adäquat stratifiziert waren. Bei richtiger Auswahl zeigen entsprechende Medikamente ihre Wirkung, wie z.B. Antikörper und/oder Thyrosinkinase-Inhibitoren beim Her2neu positiven Mammakarzinom und zahlreichen anderen malignen Erkrankungen. „Die Hyperpolarisations-MRT, die heute allerdings vorwiegend noch zur Grundlagenforschung genutzt wird, könnte eine genauere Analyse der Stoffwechselprozesse erlauben, die dann durch einen Computer analysiert und sortiert werden und vom Radiologen im Kontext beurteilt werden könnten“, blickt Rummeny in die Zukunft. „So könnte die Computeranalyse uns helfen, Patienten besser zu stratifizieren und damit einer „personalisierten Therapie“ näher zu kommen.“
AI und Deep Learning in der Radiologie
Die Schnittbilddiagnostik macht heute in großen Kliniken etwa 30 bis 40 Prozent der Bildgebung aus, in manchen Praxen liegt der Anteil heute schon höher (≥ 90%). Sollte der Anteil der Schnittbilddiagnostik (CT, MRT usw.) aufgrund der geringeren Strahlendosis in Zukunft generell weiter ansteigen, dann bräuchte man zahlreiche Radiologen, um diese Flut an Bildern zu befunden. „Diese Situation ruft bei sinkender Zahl an Ärzten und weiterer Reduktion der Arbeitszeit klar nach Hilfe durch einen Computer. Dieser kann relativ schnell 3.000 Schichten analysieren, er kennt kein Arbeitszeitgesetz und wird nicht müde. Darüber hinaus wird heute schon bei vielen Befunden das „Vier-Augen-Prinzip“ angewandt, ja zum Teil gefordert. Würde in dieser Situation einer der beiden Radiologen durch einen Computer ersetzt, wäre das personal- und arbeitstechnisch durchaus von Vorteil“, verdeutlicht der Kongresspräsident.
Wenn es nur darum geht, eine Fraktur zu erkennen oder ein Lungen-CT-Screening durchzuführen, ist schon heute vorstellbar, dass diese Aufgaben ein Computer übernimmt. Da aber die Bildgebung insgesamt immer komplexer wird, kann auf den Radiologen nicht verzichtet werden. „Er muss sich künftig in Stoffwechselvorgänge einarbeiten, um die Komplexität, die ein PET-Bild oder eine Hyperpolarisations-MRT bietet, auch interpretieren zu können“, so Rummeny. „Die Schlüsse, die er daraus zieht, werden dann in Konferenzen, z.B. Tumorkonferenzen mit Chirurgen, Internisten und Pathologen diskutiert. Radiologen werden sich spezialisieren und immer tiefer in Biologie, Physiologie und Biochemie einarbeiten müssen. Zwar kann ein Physiologe oder Biochemiker den Stoffwechsel wohl noch besser beschreiben, aber der Radiologe wird diese Informationen im Kontext der Bilder interpretieren und diagnostisch einordnen müssen.“
Dass aber der Patient in ein Gerät gelegt wird und eine artifizielle Stimme verkündet, was er hat und wie er behandelt werden soll – das bleibt wohl noch lange Science Fiction. Der Computer wird zunächst Standardsituationen bewältigen und so den Radiologen helfen. „Wird die Routinediagnostik vom Computer übernommen, können Radiologen ihre Zeit für die Patienten und/oder für interventionelle Tätigkeiten weiter ausbauen. Große Anteile der Schlaganfall-Behandlung und der bildgesteuerten Gefäßinterventionen sowie der perkutanen Tumorablationen werden ja von Radiologen durchgeführt. Dafür bleibt dann einfach mehr Zeit“, hofft Rummeny.
PROFIL:
Prof. Dr. Ernst Rummeny ist Direktor des Instituts für Radiologie der Technischen Universität München. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Onkologischen Bildgebung, insbesondere in der Entwicklung der Schnittbildverfahren wie MRT- und CT-Tomographie und damit verbundener Hybridsysteme, wie PET/CT und MR-PET zur Erkennung und Therapiebeurteilung von malignen und benignen Erkrankungen. Darüber ist er an der Optimierung des Einsatzes von Kontrastmitteln beteiligt. Der Arzt für Diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin ist Präsident des 98. Deutschen Röntgenkongresses, der von 24. bis 27. Mai in Leipzig stattfindet.
22.05.2017