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Kontrast am Darm – Off the Label
Selbst kleine Durchblutungen mithilfe des Ultraschalls darstellen: CEUS (Contrast Enhanced Ultrasound) macht es möglich. In den vergangenen zehn Jahren hat die Technik der Sonographie zu einem ganz neuen diagnostischen Stellenwert in der klinischen Praxis verholfen.
Bei einigen Organen wie der Leber ist der Kontrastmittelultraschall gar nicht mehr wegzudenken und hat die Computertomographie nicht nur eingeholt, sondern ihr den Rang abgelaufen. Nicht so beim Darm. Hier ist die Technik kaum verbreitet. Einer der Ersten, der die kontrastmittelverstärkte Sonographie am Darm dennoch angewandt hat, ist Dr. Daniel Weiss, Leitender Arzt am Diagnostischen Röntgeninstitut und Leiter des Ultraschallzentrums im Spital Thun, Schweiz. In mancher Hinsicht leistete der Internist sogar echte Pionierarbeit.
Denn Dr. Weiss war der erste Anwender, der nachweisen konnte, dass CEUS im Gastrointestinaltrakt auch funktioniert, wenn das Kontrastmittel geschluckt wird. Trotz solcher positiven Vorstöße sieht die wissenschaftliche Studienlage zum Kontrast am Darm mager aus. Der Schweizer Radiologe hat eine Vermutung, woran das unter anderem liegen könnte: „Viele Kollegen haben Hemmungen, den Darm zu untersuchen, weil das ein schwieriges Betätigungsfeld ist. Man muss sich wirklich in die Materie einarbeiten und sich an die Bildgebung gewöhnen. Wenn man schon im Grauwertbild nicht gut erkennt, was Sache ist, dann macht auch der Einsatz von Kontrastmittel keinen Sinn. Das hilft nur, wenn man wirklich weiß, worauf man achten muss.“
Doch ohne große Studien und medizinische Forschung wird es auch keine Aufnahme der Anwendung in den Leistungskatalog der Krankenkassen geben. Dennoch hält Dr. Weiss den Einsatz von Ultraschallkontrastmittel am Darm bei einer Vielzahl von Indikationen für äußerst sinnvoll und wendet die Technik im Spital Thun auch selbst an, etwa bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie beim Morbus Crohn zur Einschätzung der entzündlichen Aktivität, zur Abgrenzung von Abszessen und Fistelsystemen sowie zur Unterscheidung entzündliche vs. fibrotische Stenose. Bei Darmtumoren kann eine Aussage über die Infiltrationstiefe und bei entzündlichen Affektionen wie Divertikulitis oder Appendizitis eine Aussage über Abszessgröße und -anzahl getroffen werden.
Eine weitere Herausforderung, wenn man CEUS auf wenig erforschtem Terrain wie dem Darm anwenden möchte, stellt die richtige Dosierung des Kontrastmittels dar. Es gibt hierzu nur wenige Empfehlungen. Daniel Weiss muss sich deshalb auf seine jahrelange Erfahrung und sein medizinisches Wissen verlassen: „Man muss den Patienten, seine körperliche Konstitution und seinen aktuellen Gesundheitszustand genau in Augenschein nehmen, um sein Herzminutenvolumen abschätzen zu können. Auch das Anwendungsgebiet, die Darreichungsform und die Gerätetechnik spielen eine wichtige Rolle. Wenn man beispielsweise das Kontrastmittel zum Trinken gibt, kommt es darauf an, ob man eine Pathologie im oberen Magenbereich oder im proximalen Dünndarm darstellen möchte. Da muss man eine ganz andere Konzentration wählen. Beim distalen Ösophaguskarzinom und Magenpathologien geben wir nur einen Tropfen Echoverstärker auf zwei Deziliter Wasser. Bereits bei zwei Tropfen ist das Bild überstrahlt und man hat seine Mühe bei der Interpretation.“
Grundsätzlich rät der Experte dazu, lieber etwas weniger Kontrastmittel zu applizieren, um sich erst einmal eine allgemeine Übersicht zu verschaffen. Bei Bedarf kann man dann immer noch eine zweite Kontrastmittelgabe verabreichen, um eine bestimmte Gewebestruktur besser darzustellen. In der Regel wird für die Untersuchung eine Venenverweilkanüle in der Armvene platziert. Die orale Kontrastmittelgabe ohne eine zusätzliche intravenöse Injektion kann nur in wenigen Ausnahmefällen angewandt werden, zum Beispiel zur Darstellung einer Hiatushernie. „Das oral verabreichte Mittel reicht nur in die oberen Körperregionen, danach verdünnt es sich immer mehr. Bei einer Magen-Darm-Pathologie spritze ich deshalb das Kontrastmittel meistens zuerst intravenös und gebe dem Patienten dann nach ein paar Minuten etwas zum Schlucken.“
In Thun gehört CEUS bei Untersuchungen im Gastrointestinaltrakt längst zur Alltagsroutine. Eine weitere Einschränkung gibt es zurzeit jedoch noch, bemerkt Weiss: „Wenn es darum geht, einen Patienten zu operieren, dann wird sich der Chirurg nie allein auf die Kontrastmittelsonographie verlassen, sondern immer auch eine CT-Untersuchung anfordern, damit er die Bilder selbst interpretieren kann. Unter Umständen wird sich das mit zukünftigen Gerätegenerationen, die eine 3-D-Darstellung des Ultraschalls ermöglichen, ändern, aber bisher ist diese Technologie nur in großen Zentren verfügbar.“
Profil:
Dr. Daniel Weiss, geboren 1957 in Baden, studierte Medizin an der Universität Bern. Seine berufliche Laufbahn mit internistischem Schwerpunkt führte ihn über Berlin bis nach Bern. 1994 nahm er seine ärztliche Tätigkeit am Spital Thun, einem überregionalen Versorgungszentrum, auf, wo er 19 Jahre lang in der internistischen Abteilung arbeitete und dort neben der allgemeinen inneren Medizin und der Infektiologie auch den medizinischen Ultraschall betreute. 2013 wechselte er als Leitender Arzt in das Röntgeninstitut und führt seitdem auch das Ultraschallzentrum vor Ort.
Veranstaltung
Raum: A Davos 1/3
Mittwoch, 23.09.2015, 14:00 Uhr
Anwenderseminar Gastrointestinal: CEUS am und im Gastrointestinaltrakt
Daniel Weiss, Schweiz
22.09.2015