Statement

Zweitmeinungen sind in der Chirurgie nichts Neues

Das Versorgungsstärkungsgesetz der Bundesregierung (GKV-VSG), das seit einigen Wochen in Kraft ist, sieht für planbare und besonders häufig durchgeführte Eingriffe das Recht der Patienten auf eine Zweitmeinung vor. Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) und der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) machen deutlich, dass für die chirurgische Praxis die unabhängige, qualifizierte Erstmeinung entscheidend sei und für das Einholen einer Zweitmeinung identische Qualitätsstandards zu gelten haben.

Professor Dr. Gabriele Schackert, Präsidentin der DGCH.
Professor Dr. Gabriele Schackert, Präsidentin der DGCH.
Quelle: DGCH

Die Einholung von Zweitmeinungen, wie erneut im Versorgungsstärkungsgesetz fixiert, stellt im klinischen Alltag kein Novum dar. Bereits im Jahr 2003 wurde in der Charta der Patientenrechte die Möglichkeit auf eine ärztliche Zweitmeinung für alle Versicherten festgelegt. Die Interpretation des Begriffs „Zweitmeinung“ war jedoch relativ weit ausgelegt und reichte von der Expertenmeinung über kommerzielle Anbieter bis hin zur Beratung durch die Krankenkasse selbst; eine qualifizierte Zweitmeinung war damit oftmals nicht garantiert.

Prinzipiell stehen die Präsidentin der DGCH, Professor Dr. med. Gabriele Schackert aus Dresden, und der Präsident des BDC, Professor Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer, der gleichzeitig Generalsekretär der DGCH ist, der Einholung von Zweitmeinungen positiv gegenüber. Allerdings sollte primär immer eine von ökonomischem Einfluss unabhängige qualifizierte Erstdiagnostik und fachlich fundierte Therapieempfehlung ausgesprochen werden. Dies trifft sowohl für gutartige Erkrankungen wie beispielsweise den häufigen Eingriffen an der Wirbelsäule, dem Gelenkersatz, der Dickdarmdivertikulose oder –itis etc. zu als auch für Krebserkrankungen. Gerade in der Onkologie sollte die Erstmeinung in einer interdisziplinären Tumorkonferenz erfolgen, wobei auch individuelle Parameter, wie Patientenpräferenz, sozialer Status oder Erfassung des Krankheitsbildes durch den Patienten selbst, berücksichtigt werden müssen. Zudem fließen Inhalte vorliegender Leitlinien und die klinische Erfahrung der involvierten Kollegen mit Facharztstandard in die Entscheidungsfindung mit ein.

Findet eine solche qualifizierte Erstmeinung nicht die Zustimmung des Patienten, sollte in aller Regel der Einholung einer Zweitmeinung zugestimmt werden. Allerdings sind die gleichen Kriterien wie bei der Erstellung der Erstempfehlung zu erfüllen: Facharztstandard, entsprechende klinische Erfahrung und interdisziplinäre Konsultation. Eine Zweitmeinung allein basierend auf den vorliegenden Befunden ist als unzureichend anzusehen.
Sollten sich Abweichungen zwischen der Erst- und Zweitmeinung ergeben, sind diese dem Patienten verständlich und transparent zu übermitteln, um etwaige weitere Verunsicherungen des Patienten zu vermeiden.

Nach Erstellung einer fundierten und qualifizierten Erstmeinung mit entsprechendem Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zum Patienten erleben es Chirurgen in der klinischen Tätigkeit sehr häufig, dass von Seiten des Patienten auf eine Zweitmeinung verzichtet wird, wenn er von der primären Kompetenz und Transparenz bei Abwägung aller diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen  überzeugt ist. Die Einholung einer obligaten Zweitmeinung ist somit, auch im Sinne des Patienten und der von Politik immer wieder geforderten Qualitätsoffensive, wenig sinnvoll und weiterführend.


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

23.09.2015

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