News • HIV, Hepatitis & Co. auf der Spur

Wie Viren chronisch werden

Chronische Virusinfektionen wie HIV oder Hepatitis gehören weltweit zu den größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit.

Photo
Schematische Darstellung einer LCMV-Infektion und den Interaktionen der LCMV Polymerase (in violett) mit zellulären Proteinen.
Quelle: CeMM/Bojan Vilagos

Während nach überstandenen akuten Viruserkrankungen meist eine vollständige Genesung und Immunisierung eintritt, gelingt es chronischen Viren das Immunsystem zu umgehen und sich permanent einzunisten. Eine Behandlung solcher Erkrankungen gestaltet sich oft als schwierig - noch immer ist relativ wenig über die molekularen Ereignisse, die sich im Laufe einer chronischen Virusinfektion abspielen, bekannt. 

Das Forschungsteam um Andreas Bergthaler, Gruppenleiter am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, konnte in seiner jüngsten Studie in Kooperation mit der Universität Basel und dem MRC Laboratory of Molecular Biology Cambridge einen wichtigen Beitrag für das Verständnis chronischer Virusinfektionen leisten. Die in der Zeitschrift PLOS Pathogens veröffentlichte Forschungsarbeit bietet erstmals einen vollständigen Überblick über die zellulären Wechselwirkungen der viralen LCMV-Polymerase – ein für das Virus entscheidendes Enzym für die Entwicklung einer chronischen Infektion. Mit dieser Interaktionskarte konnten verschiedene virale Strategien entlarvt und potentielle Angriffspunkte für zukünftige antivirale Wirkstoffe identifiziert werden.

Vereinfachte Abbildung der Polymerase-Interaktome von LCMV und dem humanen Grippe und Hepatitis-2 Virus.
Quelle: CeMM/Bojan Vilagos

Wir konnten mit der von uns entwickelten Methode zeigen, dass manche Proteine einen proviralen Effekt haben

Kseniya Khamina

Um zu den Ergebnissen zu gelangen, entwickelten die WissenschaftlerInnen – mit CeMM PhD Studentin Kseniya Khamina als Erstautorin – ein neues experimentelles Verfahren, um virale Proteine im lebenden Modellorganismus zu markieren, und ihre Interaktionspartner in der Zelle zu bestimmen. So gelang es ihnen, alle Proteine der Zelle, die an die Polymerase von LCMV binden, zu erfassen und mithilfe bereits verfügbarer Datensätze eine komplette Interaktionskarte für das Enzym zu erstellen. Einige der gefundenen Proteine stellten sich dabei als entscheidend für den viralen Lebenszyklus heraus.

„Wir konnten mit der von uns entwickelten Methode zeigen, dass manche Proteine, wie z.B. DDX3X, einen proviralen Effekt haben - also wichtige Bindungspartner für das Virus sind, um sich einnisten zu können. Andere dagegen, wie das TRIM21-Protein, wirken eher antiviral, dienen also der intrazellulären Virenabwehr“, erklärt Kseniya Khamina. „Mäuse, denen das TRIM21-Protein komplett fehlt, konnten sich deshalb schlechter gegen eine chronische LCMV-Infektion verteidigen.“

„Die Ergebnisse unserer Studie geben erstmals eine komplette Übersicht über die Bindungspartner der LCMV-Polymerase, und verraten durch deren Kartierung im menschlichen Proteom wichtige Infektionsstrategien chronischer Viren“, fasst Andreas Bergthaler die Forschungsarbeit zusammen. „Wir hoffen, dass mit unserer Forschung die Entstehung chronischer viraler Infektionen und die komplexen molekularen Beziehung von Viren mit ihrem Wirt besser verstanden werden, und wir damit zur Entwicklung antiviraler Therapien beitragen.“


Quelle: CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

21.12.2017

Verwandte Artikel

Photo

News • Infektionen

Genetischer Risikofaktor für Covid-19 schützt vor HIV

Eine vom Neandertaler geerbte Covid-19-Risikovariante verringert das Risiko einer HIV-Infektion um 27 Prozent.

Photo

News • Infektionsmechanismus geklärt

HIV: Forscher ertappen Virus "auf frischer Tat"

Wissenschaftlern des Zentrums für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg und des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie in Heidelberg (EMBL) ist es erstmals gelungen, das…

Photo

News • HIV

Wie Therapeutika wirken und Viren Resistenzen entwickeln

Mittels höchstauflösender bildgebender Verfahren haben Wissenschaftler der Molecular Medicine Partnership Unit, einer Kollaboration zwischen Universitätsklinikum Heidelberg und EMBL, die bislang…

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren