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Was bringt das Triple Rule Out wirklich?

Höhere Scangeschwindigkeiten, niedrigere Dosis, bessere Bildqualität: Es hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan in der technischen Entwicklung der Computertomographie. Dadurch sind heute Untersuchungen möglich geworden, die vorher nicht machbar waren – so wie das Triple-Rule-Out-(TRO-)Protokoll.

Dabei wird in nur einem Scanvorgang der komplette Brustraum erfasst und die drei wichtigsten Diagnosen für den akuten Thoraxschmerz werden gebündelt: akutes Koronarsyndrom, Lungenembolie und Aortendissektion. Doch was nach dem Nonplusultra klingt, sollte dennoch kritisch hinterfragt werden, findet Prof. Dr. Konstantin Nikolaou, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Tübingen.

„Die TRO-CT hat sicherlich Potenzial, dennoch gibt es kaum wissenschaftliche Belege darüber, was diese Methode im Vergleich zu den etablierten Verfahren wirklich bringt“, betont der Experte, „was wir jetzt brauchen, sind systematisch zusammengetragene Daten und groß angelegte klinische Studien über den sinnvollen Einsatz des Triple Rule Outs. Daran führt kein Weg vorbei.“

Von links nach rechts: Koronarangiopathie, Aortendissektion und Lungenembolie.
Von links nach rechts: Koronarangiopathie, Aortendissektion und Lungenembolie.

Im Moment sieht die Datenlage noch sehr bescheiden aus. Nur wenige kleinere Studien haben bisher das umfassende Dreifachprotokoll mit dedizierten Scans für Herz, Lunge und Aorta verglichen. Die Patientenzahlen waren jedoch zu gering, um eindeutige Ergebnisse zu erzielen. Wie man erfolgreich eine evidenzbasierte Grundlage für ein innovatives Verfahren schafft, haben die methodischen Forschungsansätze rund um die Herz-CT vorgemacht. Prospektive, multizentrische und randomisierte Studien wie ROMICAT-II (N Engl J Med 2012; 367: 299–308) konnten beweisen, dass die kontrastmittelgestützte Koronarangiographie (CTA) bei Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom gegenüber Standardtechniken wie der Szintigraphie oder der Herzkatheterdiagnostik das Patienten-Outcome verbessert und dabei hilft, Kosten zu sparen. Mittlerweile hat die CTA sogar Eingang in die Leitlinien der European Society of Cardiology zur Diagnose und Therapie des akuten Koronarsyndroms gefunden.

Triple-Rule-Out-Untersuchung mit bestmöglicher Bildqualität bei hoher...
Triple-Rule-Out-Untersuchung mit bestmöglicher Bildqualität bei hoher Scanzeit und nur geringer bis moderater Dosisbelastung für den Patienten.

Man braucht ein sehr gutes Studiendesign, an das sich dann auch alle Beteiligten halten müssen, also nicht nur die Radiologen, sondern das gesamte Klinikpersonal.

Prof. Dr. Konstantin Nikolaou

Davon ist das Triple Rule Out noch weit entfernt. Die Schwierigkeit liegt vor allem in dem enormen Aufwand, der betrieben werden muss, um an valide Ergebnisse zu kommen, erklärt Prof. Nikolaou: „Man braucht ein sehr gutes Studiendesign, an das sich dann auch alle Beteiligten halten müssen, also nicht nur die Radiologen, sondern das gesamte Klinikpersonal. Solche Studien werden wir aber in den nächsten Jahren erleben, da bin ich sicher.“

Neben der unsicheren Evidenzlage steht das Triple Rule Out zurzeit aber noch aus einem anderen Grund in der Diskussion, nämlich bezüglich der Frage, ob nicht bereits im Rahmen der klinischen Diagnostik genug Vorarbeit geleistet werden kann, um bestimmte Ursachen für den akuten Brustschmerz ein- oder auszuschließen. Eine komplette Thoraxbildgebung wäre dann überflüssig. Diese Erfahrung teilt auch Prof. Nikolaou: „In Tübingen verwenden wir das TRO-Protokoll in der Tat nur selten. Die Vorselektion der Patienten läuft bei uns so gut, dass die Kollegen meist mit einer bestimmten diagnostischen Fragestellung auf uns zukommen und wir dann je nach Indikationsstellung ein Einzelprotokoll für Herz, Lunge oder Aorta fahren.“ Deshalb, so der Experte weiter, müsse man sich fragen, in welchem Setting das TRO-Verfahren überhaupt sinnvoll ist. In einer gut besetzten Klinik, in der rund um die Uhr kardiologisches, pulmologisches und gefäßchirurgisches Fachpersonal zur Verfügung steht, eher weniger als in einer unterbesetzten Nothilfe mit weniger erfahrenem Personal. Oder anders ausgedrückt: Immer dann, wenn sich nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit sagen lässt, was die unspezifischen Brustschmerzen hervorruft, aber der Verdacht besteht, dass es sich um eine lebensbedrohliche Situation handelt.

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Prof. Dr. Konstantin Nikolaou, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Tübingen.

Profil:
Prof. Dr. Konstantin Nikolaou gehörte 14 Jahre zum Ärzteteam von Prof. Dr. Maximilian Reiser am Institut für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität München, davon sieben Jahre lang als Leitender Oberarzt und stellvertretender Ärztlicher Direktor. Er gehörte mehrere Jahre zum Organisationskomitee des Internationalen MR- und CT-Symposiums Garmisch und wurde dort 2013 mit dem „Magnetic Resonance Imaging Award“ ausgezeichnet. Im April 2014 wechselte Nikolaou an das Universitätsklinikum Tübingen, um dort die ärztliche Leitung der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie zu übernehmen. Neben seiner Professur verfügt der 42-Jährige über einen Master of Health Business Administration (MHBA) und einen zusätzlichen Abschluss auf dem Gebiet des ärztlichen Qualitätsmanagements.


Veranstaltung
Donnerstag, 21.01.2016, 10:50 Uhr
Bildgebung bei akutem Thoraxschmerz
Konstantin Nikolaou, Tübingen
Session: Kardiovaskuläre CT

21.01.2016

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