Care Management

Versorgungssteuerung: Siemens und IBM in einem Boot

Eine Allianz zwischen Siemens Healthineers und IBM Watson Health hat es sich zum Ziel gesetzt, Leistungserbringer im Gesundheitssystem, also zum Beispiel Kliniken, Gesundheitsnetzwerke und andere Dienstleister im Gesundheitswesen zu unterstützen. Mithilfe der technisch hochkarätigen Lösung, bestehend aus drei wesentlichen Komponenten, sollen viele Menschen besser behandelt werden können – bei gleichzeitig geringeren Pro-Kopf-Kosten. „Ich glaube daran, dass wir einen wichtigen Beitrag zur evidenzbasierten Medizin leisten können“, so Arthur Kaindl, General Manager Digital Health Services at Siemens Healthineers.

Photo: Versorgungssteuerung: Siemens und IBM in einem Boot

Mit der Lupe auf ein Patientenkollektiv

Eine zentrale Komponente stellt das Enterprise Performance Management dar, vergleichbar mit einer Art Ablagearchiv. Das Managementsystem dient, bezogen auf eine Patientengruppe in einem Krankenhaus, der Analyse von klassischen Leistungsindikatoren wie der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der Patienten oder der Einhaltung von Standardrichtlinien bei der Behandlung. Die dafür notwendigen Daten werden aus verschiedenen hausinternen IT-Systemen miteinander verknüpft, verdichtet und ausgewertet. Sie sind zum einen die Grundlage für die Abrechenbarkeit der Leistungen durch die Krankenkassen und andere Kostenträgern, zum anderen können mit ihnen Prozesse optimiert und Kosten reduziert werden.

Der einzelne im Fokus

Geht es aber nicht um den Blick auf eine definierte Gruppe, sondern um die individuelle Patientenbetreuung, kommt als weitere Komponente der Watson Care Manager ins Spiel. Beispiel Diabetesmanagement: Mithilfe dieser Plattform werden alle Daten eines Patienten zusammengestellt und aufbereitet. Neben Bild- und Labordaten sind das auch Daten aus dem Krankenhausinformationssystems. Auf dieser Datengrundlage kann das System Ärzten und Pflegekräften helfen, die beste Therapieoption zu finden. Der hohe Mehrwert dieser Lösung – und bisher einzigartig auf dem Markt: Die Kombination aller Bild-, Labor- und Pathologiedaten, ergänzt um Informationen aus der Patientenakte, wird in Echtzeit-analysiert. „Unmittelbar nach der Generierung des Bildes liegt der Behandlungspfad bereits vor“, so Kaindl. Dies ist ein großer Vorteil bei Therapieplanung und Diagnosestellung, vor allem, wenn es um eine akute Problematik, wie beispielweise einem potenziellen Schlaganfall geht. Angesichts der zunehmenden Zahl chronisch Kranker ist die Ausweitung dieser Lösung auch auf den ambulanten Bereich erklärtes Ziel. Geplant ist die Vernetzung mit den individuellen Vitaldaten, die zu Hause generiert werden, so dass diese integriert und ebenfalls analysiert werden können – mit der Zielsetzung eines besseren ambulanten Patientenmanagements. Unabdingbare Voraussetzung ist dabei die Beachtung der notwendigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Siemens hat hier einen klaren Wettbewerbsvorteil, verfügt das Unternehmen doch über gleich zwei Zertifikate für seine cloud-basierte Vernetzungslösung: ULD für Deutschland und EuroPriSe, das der neuen europäischen Datenschutzverordnung entspricht.

Technische Herausforderung

Bei  der Implementierung der Lösung sind mehrere Hürden zu nehmen: So ist gerade im Bereich der Radiologie die quantitative Analytik zurzeit noch nicht ausreichend implementiert. Voraussetzung für eine saubere Analyse der Daten ist aber die Lieferung von diskreten Zahlen auf Basis einer strukturierten, quantitativen Befundung. Allmählich scheint sich das Bewusstsein dafür aber zu verändern, meint Kaindl, da erkannt würde, dass im Zuweiserumfeld für das Lesen von Prosatexten oft keine Zeit sei und Inkonsistenzen zudem eine Gefahr darstellten. Eine weitere notwendige Voraussetzung für die effektive Umsetzung ist die saubere Vernetzung verschiedener IT-Systeme – im Krankenhaussektor sind das in der Regel ein bis zwei Dutzend solcher Systeme pro Krankenhaus. Über Standardschnittstellen ist eine Vernetzung gut und schnell herzustellen. Fehlen diese Interfaces jedoch, ist der Vorgang zeitintensiver und macht manchmal auch die Hilfestellung anderer IT-Unternehmen erforderlich.

Ohne Kuratieren geht nichts

Wenn die Daten aus den jeweiligen IT-Systemen aggregiert wurden, müssen sie kuratiert werden. Kaindl: „Ein ebenso aufwändiger wie unumgänglicher Schritt, um am Ende tatsächlich miteinander vergleichbare Daten vorliegen zu haben. Kuratierte Daten sind ein Muss.“ Es handelt sich dabei um einen Vorgang, der beim Aufbau der Datenbank im Krankenhaus manuell erfolgt und einen gewissen Zeitfaktor darstellt. Es muss sichergestellt werden, dass alle Angaben korrekt in die vorgesehene Datenstruktur übertragen werden. Das kann oft mehrere Monate dauern. Die eigentliche Analyse der Daten erfolgt erst danach. „Sonst besteht die Gefahr  des „garbage in- garbage out“, das ist unbedingt zu vermeiden.“ Zunächst erfolgt die Standardanalytik mithilfe bekannter Algorithmen. Nach Lizenzierung werden die Daten später mithilfe einer neuen deep learning engine spezifisch ausgewertet.

Aufspringen auf den Zug

Wichtig für Siemens Healthineers ist der schnelle Einstieg in das Thema Versorgungssteuerung. IBM Watson Health liefert dabei wichtige Komponenten. Insofern basiert die neu etablierte Partnerschaft auf einer ausgeprägten Win-Win-Situation. „Die jeweiligen Stärken und Domänen ergänzen sich ideal – letztlich auch zum Vorteil für unsere Kunden“, ist Kaindl überzeugt. Hinsichtlich der Wettbewerbssituation in diesem Bereich zeigt man sich optimistisch. Zwar versucht sich zum Beispiel Google mit entsprechenden Projekten und daraus resultierender prädiktiver Analytik zu positionieren. Das Misstrauen der Verbraucher scheint aber hinlänglich groß zu sein – gerade im Kontext mit Gesundheitsdaten.

Profil:
Arthur Kaindl ist Geschäftsführer Digital Health Services bei Siemens Healthineers. Er absolvierte ein Studium an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg und einen Master-Studiengang in Keramikingenieurwesen am New York State College der Alfred University. Nach seiner Promotion in Elektrotechnik im Jahr 2001 an der Universität Hannover hat Kaindl verschiedene Führungspositionen im Bereich der Magnetresonanz übernommen. Seit 1995 ist er bei Siemens tätig.

23.03.2017

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